BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


16. August 2017

Stellungnahme zum Entwurf des Vorhabensbezogenen Bebauungsplans „Errichtung eines Mitarbeiterparkplatzes für die ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH“

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Landesverband Sachsen e. V. und die Ortsgruppe Riesa bedanken sich für die Beteiligung zum o. g. Verfahren und nehmen hierzu wie folgt Stellung:

Gegen den Entwurf des Bebauungsplanes bestehen nachfolgend geschilderte Bedenken, so dass der Entwurf weiterhin abgelehnt wird.

Begründung:

I. Unzulässigkeit einer isolierten Beplanung des Mitarbeiterparkplatzes wegen Planungspflicht für die Gesamtanlage

Die Aufstellung eines Bebauungsplans für einen vergleichsweise geringen Teil des Werksgeländes der ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH (im Folgenden: ESF) ist unzulässig, sofern nicht zugleich weitere Teile des Werksgeländes ebenfalls beplant werden. Das Gelände des Mitarbeiterparkplatzes gehört zum Betriebsgelände der ESF. Das durch diesen räumlich sehr beschränkten Bebauungsplan ausgewiesene Ziel des Bebauungsplans, das sich auch im Entwurf Fassung 5/2017 nicht geändert hat; kann weiterhin durch die isolierte Planung nicht erreicht werden (nachfolgend 1.). Eine städtebaulich geordnete Entwicklung ist damit nicht möglich; die bestehenden Konflikte werden dadurch nicht gelöst (nachfolgend 2.). Der Bebauungsplan ist abwägungsfehlerhaft, wenn er das Plangebiet nicht auf das gesamte Stahlwerksgelände erweitert; die Gemeinde trifft insoweit eine Planungspflicht (nachfolgend 3.).

1. Verfehlung der planerischen Zielsetzung durch die begrenzte Teilplanung für den Mitarbeiterparkplatz

Ausweislich des Bebauungsplanentwurfs (Ziff. 1.3.4) ist das Ziel der Planung unter anderen, „den derzeit auf mehrere Standorte verteilte Mitarbeiterparkplatz zu zentralisieren und an einem Ort zu sammeln. Dadurch soll der Mitarbeiterverkehr und der Lieferverkehr entflochten und Stellplatzkapazitäten für Lkw im Hauptzufahrtsbereich der ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH frei werden. Dies führt zu einer Entlastung öffentlicher Verkehrsflächen.“ Auch die Notwendigkeit der Planung wird damit begründet, dass „auf dem Werksgelände“ eine Vielzahl von Kreuzungspunkten verschiedenster Verkehrsströme bestünde (Ziff. 1.3.3). Aufgrund fehlender Lkw-Stellplätze komme es zu Verkehrsbeeinträchtigungen im Bereich öffentlicher Straßen. Zu Zeiten von Schichtwechseln komme es wegen des Zu- und Abfahrtsverkehrs der Mitarbeiter zu Überlastungen der vorhandenen Parkplätze.

Die Planungsziele und die Notwendigkeit der Planung wurden im Entwurf Fassung 5/2017 im Vergleich zum Entwurf Fassung 10/2016 ergänzt. Aber auch diese Ergänzungen können die Unzulässigkeit der auf den Mitarbeiterparkplatz beschränkten Planung nicht ausräumen. Diese isolierte Maßnahme ist weder geeignet noch erforderlich, um diese Ziele der Planungskonzeption zu erreichen. Es wird angeführt, dass der Mitarbeiterparkplatz notwendig sei, um die Werkslogistik der ESF im Schwerlast- und PKW-Verkehr umzustrukturieren und die umliegenden öffentlichen Straßen von auf die Abfertigung wartenden Lkws zu befreien. Weitere Gründe seien die Reduzierung der Unfallgefahr durch eine Verminderung der Verkehrsknotenpunkte verschiedener Verkehrsströme durch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Dienstleister sowie die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Flexibilität zur Abfertigung des Quell- und Lieferverkehrs im Zuge der Produktionserweiterung (Ziff. 1.3.3).

Dies alles ändert jedoch nichts daran, dass sich der Bebauungsplanentwurf weiterhin auf einen sehr geringen Teilbereich des Werksgeländes beschränkt. Andere Bereiche, die ebenfalls in das „langfristige Verkehrsplanungskonzept“ eingebunden sein sollen sind nicht erfasst. Dies gilt insbesondere für die bisherigen Mitarbeiterparkplätze und für die Lkw-Stellplätze. Es ist nicht ersichtlich, wie durch die isolierte Ausweisung eines (zusätzlichen) Mitarbeiterparkplatzes der öffentliche Verkehrsraum, der als Notwendigkeit für die Aufstellung des Bebauungsplans genannt wird, durch weniger Mitarbeiter- und Lkw-Verkehr entlastet werden kann. Allein durch die Ausweisung eines isolierten Mitarbeiterparkplatzes ändern sich die Stellplatzkapazitäten für Lkw und die mögliche Überlastung bestehender Mitarbeiterparkplätze nicht. Aus dem Entwurf ist weder erkennbar, dass die Mitarbeiterparkplätze nunmehr an dem neuen Standort zentralisiert noch dass Mitarbeiter- und Lieferverkehr entflechtet werden.

Die Stadt gibt selbst zu erkennen, dass die Ausweisung eines vergleichsweise kleinen Mitarbeiterparkplatzes auf einem Teil des Werksgeländes nur ein Baustein für ein längerfristiges, umfassendes Verkehrskonzept ist. Aus der im Entwurf Fassung 5/2017 neu eingefügten Darstellung ergibt sich, dass bereits im Jahr 2014 ein Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Infrastruktur erarbeitet wurde. Unabhängig von der Tatsache, dass dieser Katalog der Öffentlichkeit unbekannt ist (aus der Darstellung im Bebauungsplanentwurf ergibt sich noch nicht einmal der Verfasser), lässt die bloße Auflistung von sieben unverbundenen Maßnahmen nicht erkennen, welche Maßnahmen – seit 2014 – bereits umgesetzt wurden und welche noch ausstehen. Der Mitarbeiterparkplatz ist nur eine einzige von sieben Maßnahmen. Vor allem macht aber die Einbindung in ein – offenbar noch nicht umgesetztes – Gesamtkonzept deutlich, dass eine isolierte Ausweisung dieses Parkplatzes nicht geeignet ist, das Ziel einer Neuordnung der Verkehrsstruktur unter Einbeziehung von Lkw- und Pkw-Verkehr, öffentlichen und privaten Verkehrsflächen etc. zu erreichen.

Die Aufstellung des Bebauungsplans ist vor diesem Hintergrund nicht erforderlich (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Nach dieser Norm haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Aus diesem Gebot folgt, dass ein Bebauungsplan die einer Planung zugrunde liegende Konzeption wenigstens teilweise auch tatsächlich umsetzen muss. Sie muss noch geeignet sein, einen Beitrag zur Förderung des Planungskonzeptes zu leisten (EZBK/Söfker, BauGB, § 1 Rn. 32a). Die Gemeinde muss selbst dafür Sorge tragen, dass das Planungskonzept durchgesetzt wird, im Zweifelsfall durch die Schaffung eigener Instrumente (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschl. v. 17. Mai 1995, 4 NB 30/94, –, juris, Rn. 11). Ein Bauleitplan ist nur dann erforderlich, wenn er „der Verwirklichung des Konzepts dient oder […] dienen kann“ (BeckOK BauGB/Dirnberger, BauGB, § 1 Rn. 35). Der Mitarbeiterparkplatz kann nicht mit Zielen gerechtfertigt werden, die durch die Planung nicht erreicht werden können. Der Mitarbeiterparkplatz kann der Verwirklichung der Ziele nicht dienen und fördert diese auch nicht. Es entstehen keine weiteren Lkw-Stellplätze im Eingangsbereich, weswegen sich an der Situation der 10 Lkw-Kurzzeitparkplätze im Werksbereich Ein- und Ausfahrt (Ziff. 1.3.3) nichts ändern wird. Der öffentliche Verkehr wird nicht entlastet und auch die Verkehrsknotenpunkte durch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Dienstleister minimieren sich nicht durch die Verlagerung des Parkplatzes. Inwieweit die Kreuzungspunkte im Kernbereich aktuell überhaupt durch Mitarbeiterverkehr belastet werden, obwohl die bereits bestehenden Mitarbeiterparkplätze vorrangig im Eingangsbereich T0 1 liegen, ist unklar. Durch die Planung des Parkplatzes kann keines der genannten Ziele erreicht werden. Dazu benötigt es weitere Maßnahmen, die unter Ziff. 1.3.4 als Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Infrastruktur 2014 aus S. 8 des Bebauungsplanentwurf vorgestellt werden.

Wie auch in der Stellungnahme der Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs vom 11. April 2017 (im Folgenden nur: Stellungnahme) dargestellt, verlangt das Bundesverwaltungsgericht, dass solche Festsetzungen zu treffen sind, „für die in der gegebenen Planungssituation Anlass besteht“ (BVerwG, Urt. v. 10. September 2015 – 4 CN 8/14 –, juris, Rn. 18). Weitergehende, aber ebenfalls der Zielverwirklichung dienende Festsetzungen können unterlassen werden, wenn hierfür aktuell kein Handlungsbedarf gesehen wird. Aus den in der Begründung angegebenen Planungszielen sowie aus dem Maßnahmenkatalog 2014 ergibt sich, dass in der gegebenen Planungssituation ein Anlass zur Vornahme weiterführender Maßnahmen besteht. Würde die Stadt Riesa keinen Handlungsbedarf erkennen, hätte sie nicht einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Infrastruktur dem Bebauungsplanentwurf angefügt und zusätzlich auf das gesamte Werksgelände der ESF umfassende langfristige Verkehrsplanungskonzept hingewiesen.

Der in der Stellungnahme erweckte Eindruck, die Beplanung würde insgesamt für nicht erforderlich gehalten, ist falsch. Im Gegenteil: Es besteht ein umfassendes Erfordernis, die Verkehrsprobleme auf dem Werksgelände der ESF zu lösen und damit auch die Planungsziele zu erreichen. Dies ist aber nur durch die Aufstellung einer Planung möglich, die die angesprochenen Ziele auch tatsächlich erreichen kann. Eine solche muss alle Maßnahmen aus dem Maßnahmenkatalog für das gesamte Werkgelände berücksichtigen. Der Plan eines neuen Mitarbeiterparkplatzes kann dies nicht leisten und ist zur Erreichung der Ziele darum nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Anders als in der Stellungnahme dargestellt, hält das angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 10. September 2015, 4 CN 8/14 –, juris) nur fest, dass es im Rahmen der Abwägung geboten sein kann, bestimmte planerische Zielsetzungen nicht oder nur mit Abstrichen zu verfolgen. Im Urteil ging es in diesem Zusammenhang nur um den Ausschluss bestimmter Nutzungen in einem Gewerbegebiet durch einen Bebauungsplan. Die vorliegende Konstellation ist aber eine ganz andere: Hier geht es nicht um die Unzulässigkeit eines Bebauungsplans aufgrund von Festsetzungen, sondern um die Unzulässigkeit aufgrund einer isolierten Teilplanung, die nicht geeignet und erforderlich ist, die ausgewiesenen Planungsziele zu erreichen.

2. Geordnete städtebauliche Entwicklung nur durch Erweiterung des Plangebietes möglich

Um durch den Bebauungsplan eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, wie sie § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB verlangt, realisieren zu können, ist die Ausweitung des Plangebietes notwendig. Eine geordnete städtebauliche Entwicklung kann jedenfalls allein durch den isolierten Mitarbeiterparkplatz nicht erreicht werden. Daran ändern auch die Ergänzungen der Ausführungen zur Erforderlichkeit und zum Ziel der Planung im Bebauungsplanentwurf Fassung 5/2017 nichts.

Die Rechtsprechung des BVerwG, wonach die Gemeinden in bestimmten Fällen verpflichtet sein können, den Geltungsbereich auf Flächen auszudehnen, an deren Überplanung sie zwar gegenwärtig nicht interessiert sind, die aber für das Ziel einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zwingend notwendig sind, ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das BVerwG hat diese Notwendigkeit insbesondere in Fällen entschieden, bei denen der Bebauungsplan nur ein einziges Grundstück umfasste. Das Gericht hat geurteilt, dass im Regelfall das Plangebiet mehrere Grundstücke umfassen müsse, um eine städtebauliche Entwicklung sinnvoll lenken zu können (BVerwG, Beschl. v. 16. August 1993, 4 NB 29/93 –, juris, Rn. 3; BVerwG, Beschl. v. 20. November 1995, 4 NB 23/94, –, juris, Rn. 11 ff.). Die Stellungnahme setzt sich mit den Argumenten im vorliegenden Fall nicht auseinander, sondern stellt nur apodiktisch und ohne nähere Begründung das – vermeintliche – Gegenteil fest.

Entscheidend ist in tatsächlicher Hinsicht, dass der geplante Mitarbeiterparkplatz zum Großteil nur ein Grundstück, das Flurstück 540/8, betrifft, vgl. Ziff. 1.3.1. Der überwiegende Teil des Werksgeländes bleibt unbeplant; dies sind darüber hinaus auch genau diejenigen Teile, die Auslöser der städtebaulichen Konflikte sind. Denn der Zu- und Abfahrtsverkehr sowohl der Mitarbeiter als auch der Lieferanten, der Lärm- und Luftschadstoffemissionen verursacht und den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nimmt, wird durch den Bebauungsplanentwurf nicht einer städtebaulich verträglichen Konfliktlösung zugeführt. Die städtebaulichen Konflikte, die der Bebauungsplanentwurf selbst unter Ziff. 1.3.3 (Notwendigkeit des Bebauungsplans) aufzählt, vermag er nicht zu lösen. Allein durch die Anlage eines neuen Mitarbeiterparkplatzes wird weder der Mitarbeiterverkehr des Stahlwerks anderweitig organisiert noch werden Stellplatzkapazitäten für Lkw in anderen Bereichen geschaffen. Eine Entflechtung der jeweiligen Verkehrsströme erfolgt allein dadurch noch nicht.

Dies gilt umso mehr, als sich die bestehenden städtebaulichen Konflikte in Zukunft weiter intensivieren werden. Wird die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung vom 14. November 2014 (und die nachfolgenden Änderungsgenehmigungen vom 16. November 2015 und vom 15. November 2016) umgesetzt, kann das Stahl- und Walzwerk die Produktionskapazität auf 1,4 Mio. Tonnen Stahl pro Jahr bzw. 1,2 Mio. Tonnen Fertigprodukte pro Jahr erhöhen. Damit geht eine Erhöhung des anlagenbezogenen Verkehrs einher. Gemäß dem Verkehrsplanerischen Gutachten zum Projekt „Sächsische Binnenhafen Oberelbe GmbH, Neubau eines KV-Terminals im Hafen Riesa, Alter Hafen“ vom 31. Juli 2014 der Dr. Brenner Ingenieursgesellschaft mbH (im Folgenden: Verkehrsgutachten Alter Hafen), wird die Steigerung der Produktionskapazität zu einer Erhöhung des Lkw-Verkehrs von 730 Schwerlastfahrten/ 24 Stunden auf 890 Schwerlastfahren/ 24 Stunden führen. Die durch die Verkehrszunahme verschärften städtebaulichen Konflikte vermag der Bebauungsplanentwurf durch die Anlage eines isolierten Mitarbeiterparkplatzes nicht zu lösen.

Alternative Standorte für den Mitarbeiterparkplatz wurden nicht geprüft, obwohl diese auf dem ehemaligen Schrottplatz 7-10 Nord auf der Hochebene Industriestraße sowie gegenüber Firma Selle auf den Freiflächen ehemals Stahlcenter Riesa möglich wären.

3. Bebauungsplanentwurf wegen Nicht-Einbeziehung des restlichen Werksgeländes abwägungsfehlerhaft

Der Bebauungsplanentwurf ist auch abwägungsfehlerhaft. Das gilt auch für den geringfügig ergänzten Entwurf Fassung 5/2017. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Gegen dieses Gebot wird verstoßen, wenn Bereiche, die notwendig sind, um bestehende städtebauliche Konflikte zu lösen, nicht in den Geltungsbereich des Bebauungsplanes einbezogen werden:

Das in ihm [im Abwägungsgebot] enthaltene Gebot der Problem- und Konfliktbewältigung beschränkt die planerische Freiheit der Gemeinde auch bei der Festlegung des Plangebiets. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Bewältigung der durch einen Bebauungsplan ausgelösten Konflikte die Einbeziehung auch der von den Auswirkungen der Planung betroffenen Grundstücke erfordern kann.“ (BVerwG, Beschl. v. 20. November 1995, 4 NB 23/94, Rn. 15, juris)

Die städtebaulichen Konflikte, die insbesondere den Zu- und Abfahrtsverkehr von Mitarbeitern und Lieferanten betreffen, können nicht durch die Ausweisung eines isolierten Mitarbeiterparkplatzes gelöst werden. Der Grund für die städtebauliche Konfliktlage liegt vielmehr im Stahlwerk selbst. Bereits jetzt sind die öffentlichen und privaten Verkehrsanlagen des Werkes überlastet; eine Verschärfung durch die genehmigte Kapazitätserhöhung des Werkes ist unmittelbar absehbar. Es besteht mithin ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Einbeziehung derjenigen Bereiche, die den Konflikt auslösen und ohne deren Einbeziehung eine entsprechende Konfliktbewältigung nicht möglich ist (also insbesondere die bisherigen Mitarbeiterparkplätze und Lkw-Stellplätze). Dieses öffentliche Interesse hat der Plangeber nach dem Bebauungsplanentwurf zwar erkannt, jedoch keiner Konfliktlösung zugeführt. Daran ändert auch die ergänzte Begründung im Entwurf Fassung 5/2017 nichts, denn der Grundkonflikt besteht fort.

Vor diesem Hintergrund besteht vorliegend sogar eine Planungspflicht für das gesamte Betriebsgelände. Eine solche Pflicht ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB generell dann gegeben, wenn die entsprechenden Raumnutzungen nicht mehr ohne eine lenkende und ordnende planerische Entscheidung durch einen Bebauungsplan getroffen werden können. In der Rechtsprechung des BVerwG ist anerkannt, dass dazu qualifizierte städtebauliche Gründe von einigem Gewicht Voraussetzung sind, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn städtebauliche Missstände vorliegen oder einzutreten drohen (BVerwG, Urt. v. 17. September 2003, 4 C 14/01 –, juris, Rn. 16; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 21. April 2010, 2 A 715/10 –, juris, Rn. 9); es muss angesichts der Komplexität des Vorhabens und seiner Auswirkungen unter anderem auf die Umgebung ein Koordinierungsbedürfnis bestehen (OVG Münster, Urt. v. 12. Juni 2002, 8 D 38/08 AK –, juris, Rn. 148 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn in dem betroffenen Gebiet gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr hergestellt werden können, beispielsweise weil Emissionen wie Lärm und Luftschadstoffe ebenso wie Beeinträchtigungen durch fließenden oder ruhenden Verkehr gegeben sind (vgl. § 136 Abs. 3 BauGB).

Dass solche städtebaulichen Missstände im Umfeld des Plangebiets bestehen, lässt sich aufgrund verschiedener Anhaltspunkte belegen. Sie zeigen, dass die Konflikte, die die ESF auslöst, durch isolierte immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungen nicht mehr gelöst werden können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Umfeld der Stahlwerke; die Stahlwerke liegen nämlich in einer zentralen Innenstadtlage und sind von mehr oder weniger dichter Wohnbebauung umgeben. Die um das Stahlwerk liegenden Flächen werden zum Wohnen, als Schule, als Sportplatz und als Verwaltungs- und Gerichtsgebäude genutzt. Beispielhaft seien folgende Umstände genannt:

─             Im Umfeld des Stahlwerks wurden deutlich erhöhte Werte für Dioxine und Furane festgestellt. Die vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie 2011 bis 2013 in Riesa durchgeführten Luftschadstoffmessungen (sog. Wiederholungsmessung 2011/2013) hat gezeigt, dass der Orientierungswert für die so genannten Dioxine und Furane (PCDD/F, PCB) von 9 pg TE/(m2*d) in diesem Zeitraum mehrfach deutlich überschritten wurde. Allein der Jahresmittelwert 2013 lag bei 10,2 pg TE/(m2*d), in den Monaten August 2011 bis Juli 2012 sogar bei 13,7 pg TE/(m2*d). Die Messungen haben in einzelnen Monaten häufig deutliche Werte von mehr als 10 bis hin zu über 20 pg TE/(m2*d) ergeben.

─             Die in der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung 2006 festgesetzten Werte für Lärm wurden nachweislich überschritten. Dies ergibt sich u. a. aus dem Ergebnis der Schallimmissionsmessung der Schallschutz cdf Consulting Dr. Fürst vom 1. Dezember 2011 (Bericht Nr. 11-2399/01 für ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH).

─             Aktuell wurden durch zwei unabhängige Luftschadstoffmessungen im Umfeld des Stahlwerks deutlich erhöhte Chromschadstoffe im Staubniederschlag festgestellt, siehe auch dazu weitere Ausführungen unter Punkt VI Naturschutz 3. Böden.

Bereits mit der notariellen „Rahmenvereinbarung zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme‚ Neuordnung von Teilen des Ortsteils Gröba“ (fortan: Rahmenvereinbarung), die die Stadt Riesa am 24. Oktober 2007 mit der ESF geschlossen hat, hat sie zu erkennen gegeben, dass für den Bereich rund um das Stahlwerk städtebaulicher Handlungsbedarf besteht. Mit dieser Rahmenvereinbarung sollte das Areal zwischen der ESF und dem Hafen Riesa durch eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme neu geordnet werden. Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach §§ 165 ff. BauGB setzt – ebenso wie eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme (§§ 136 ff. BauGB) – einen qualifizierten städtebaulichen Handlungsbedarf voraus. Es muss eine aus verschiedenen Einzelmaßnahmen bestehende Gesamtmaßnahme erforderlich sein, die aus Gründen des öffentlichen Interesses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen erfordert. Dies bejahte die Stadt Riesa 2007 mit Blick auf das Gebiet im Umfeld des jetzigen Planungsgebiets. Daran hat sich auch durch die spätere Aufhebung der Rahmenvereinbarung nichts geändert. Denn die Verwirklichung eines Mitarbeiterparkplatzes wird als ein Grund genannt, warum es dieser städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nicht mehr bedarf, sodass eine direkte Verbindung zwischen dieser Maßnahme und dem vorliegenden Bebauungsplanentwurf besteht. Hinzu kommt der offenbar bestehende, umfassende Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Infrastruktur bei ESF aus dem Jahre 2014, der den umfassenden Handlungsbedarf illustriert. Der nur auf einen sehr begrenzten Teilbereich beschränkte Bebauungsplan kann allerdings die mit einer Entwicklungsmaßnahme verbundene Gesamtmaßnahme nicht erreichen. Die bestehenden und seit 2007 durch die Stadt anerkannten und 2014 bestätigten städtebaulichen Missstände in diesem Gebiet können allenfalls eine Gesamtplanung, die das gesamte Werksgelände als Quelle der Emissionen und des Verkehrs umfasst, beheben.

II. Lärmemissionen

Der Bebauungsplanentwurf ist mit Blick auf die Behandlung der Lärmemissionen fehlerhaft. Nach Nr. 7.4 TA Lärm sind die Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgelände sowie bei der Ein- und Ausfahrt dem von der Anlage ausgehenden Lärm – hier die ESF-Stahlwerke – zuzuordnen. Der Bebauungsplanentwurf geht ohne nähere Begründung in Ziff. 4.1 davon aus, dass „geeignete organisatorische Maßnahmen (Beschrankung oder Beschilderung)“ zur Reduzierung der Lärmemissionen beitrage und die Zufahrt des Pkw-Parkplatzes über die Haldenstraße aus lärmschutztechnischen Gründen die „beste Lösung“ sei. Der Verkehrslärmimmissionspegel durch den zu erwartenden ESF-Gesamtverkehr in der Uttmannstraße erhöhe sich um weniger als 3 dB. Im Übrigen wird auf das Schallschutzgutachten der TBL Dresden GbR (Bericht 030/16) verwiesen. Diese Annahmen erweisen sich aus mehreren Gründen als fehlerhaft:

1. Darstellung im Bebauungsplanentwurf

Die Behandlung der Lärmemissionen und des Schallschutzes (Ziff. 4.1 des Bebauungsplanentwurfs) ist abwägungsfehlerhaft. Es erfolgt keine bewertende Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Belangen; diese sind noch nicht einmal umfassend und nachvollziehbar zusammengestellt. So wird schon nicht deutlich, welchen Aussagewert die unter Ziff. 4.1 des Bebauungsplanentwurfs abgedruckte Tabelle hat; welche Szenarien („ohne ESF“ – „mit ESF“) gegenübergestellt werden, wird nicht ersichtlich, genauso wenig, welche Grenzwerte („nach [8]“) angelegt werden; es wird ein KV-Terminal erwähnt, das ansonsten im Entwurf nicht auftaucht und dessen Verbindung zum Vorhaben nicht erkennbar ist. Es wird nicht erläutert, warum auf Grundlage dieser Informationen die Zufahrt zum Pkw-Parkplatz über die Haldenstraße aus lärmschutztechnischen Gründen die „beste Lösung“ sein soll. Welche Folgerungen aus der Annahme abgeleitet werden, dass der Verkehrslärmimmissionspegel durch den zu erwartenden Gesamtverkehr an der Uttmannstraße sich um weniger als 3 dB erhöhe – und in welcher Situation das überhaupt der Fall ist –, wird nicht dargestellt.

2. Überschreitung der zulässigen Immissionsgrenzwerte nach 16. BImSchV

Die Unklarheit hinsichtlich der Haldenstraße als „beste Lösung“ für die Zu- und Abfahrt zu dem geplanten Pkw-Parkplatz setzt sich auch im Schallschutzgutachten der TBL Dresden GbR fort. Auf Seite 10 des Schallschutzgutachtens wird erklärt, dass die Zufahrt zum Pkw-Parkplatz über die Haldenstraße erfolgen kann und auch der An- und Abtransport durch Lkw wie bisher erfolgen kann. Die Zufahrt über die Haldenstraße würde aus Lärmschutzgründen gegenüber anderen Varianten favorisiert.

Die Zufahrt über die Haldenstraße kann nicht das Verkehrsaufkommen auf der Paul-Greifzu-Straße minimieren oder verhindern. Man kann die Haldenstraße, als Querstraße der Paul-Greifzu-Straße, nur über die Paul-Greifzu-Straße selbst befahren. Selbst der Verkehrsweg über die Industriestraße auf die Haldenstraße führt über die Paul-Greifzu-Straße. Das Verkehrsaufkommen verringert sich in der Paul-Greifzu-Straße nicht, wenn die Haldenstraße die Zufahrtsstraße zum Pkw-Parkplatz wird. Die Paul-Greifzu-Straße bleibt Teil des Zufahrtsweges zum Pkw-Parkplatz.

Die Schalltechnische Kurzeinschätzung belegt eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte der 16. BImSchV in Kern- und Mischgebieten von 64 dB am Tag und 54 dB in der Nacht. Demnach dürfen diese Immissionsgrenzwerte zum Schutz der Nachbarschaft nicht überschritten werden, vgl. § 2 Abs. 1 16. BImSchV. Im Prognosefall „mit ESF“, d.h. im Fall des geplanten Pkw-Parkplatzes und der Kapazitätserhöhung werden sich die Verkehrsgeräusche auf tagsüber 64,6 dB und nachts 57,3 dB belaufen. Da die Wahl der Haldenstraße als Zufahrtsstraße wie dargestellt den Zufahrtsverkehr in der Paul-Greifzu-Straße nicht verringern wird, verstößt die geplante Zufahrt gegen die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben.

Hinzukommt, dass die Annahme auf Seite 8 des Schallschutzgutachtens, der Verkehr würde sich prognostisch bis 2025 kaum ändern bzw. eher sinken, auf die Paul-Greifzu-Straße nicht zutrifft. Das Verkehrsgutachten Alter Hafen stellt eine Verkehrsprognose für 2025 auf, welche auf dem Verkehrsanalysenetz 2012 aufbaut. Demnach nimmt der Schwerlastverkehr auf der Paul-Greifzu-Straße wegen der Transportaufkommenssteigerung durch ESF zu.

Vor diesem Hintergrund hätten geeignete Festsetzungen im Bebauungsplanentwurf getroffen werden müssen, um die aufgeworfenen Konflikte des Lärmschutzes bewältigen zu können. Allerdings enthält der Entwurf weder Festsetzungen zur konkreten Zufahrtssituation noch zu geeigneten Lärmschutzmaßnahmen. Dies gilt insbesondere auch für die Aufteilung des Parkplatzes in eine Nacht- und eine Tagnutzung; der bloße Hinweis, durch organisatorische Maßnahmen solle Sorge für eine entsprechende Aufteilung getragen werden, genügt nicht.

3. Überschreitung der Straßenverkehrslärm-Beurteilungspegel

Der Lärmgutachter beurteilt: „Die Grenzwertüberschreitungen sind deshalb ohne Belang.“ Diese Annahme, dass Grenzwertüberschreitungen ohne Belang sind ist kann nicht nachvollzogen werden und trifft auf Unverständnis. Vielmehr ist die Einhaltung aller Lärmgrenzwerte durch die Bauleitplanung sicherzustellen. Hier muss eine alternative Zufahrt benutzt werden, um zusätzliche Lärmerhöhungen zu vermeiden.

4. Alternative Zufahrtsmöglichkeiten

Die direkte Zu- und Abfahrt kann auch alternativ über die schon vorhandene Einfahrt an der Kreuzung Uttmannstraße /  Heinrich-Lorenz-Str.) erfolgen. Dies wäre zum einen, der kürzere Weg zum Parkplatz und würde zum anderen die komplette Umfahrung der Häuser auf der Paul-Greifzu-Straße beseitigen. Ein weiterer Vorteil wäre, dass der Verkehrsfluss von immerhin 45% des ESF Beschäftigten Anteiles weiterhin gezielt über die Heinrich-Schönberg-Straße geleitet wird. Und es würde zu keiner zusätzlichen Belastung der Kreuzung Paul-Greifzu-Straße/Uttmannstraße führen. Ebenfalls ist die Weiterführung des Verkehrs über die Lauchhammer Straße (B182 Süd) stadtplanerisch für die Stadt Riesa nicht akzeptabel, wie es im Verkehrgutachten in Tabelle 1 dargestellt ist, da die Lauchhammer Straße zu den Straßen mit der höchsten Verkehrzählung in Riesa gehört und schon durch Lärmminderungsmaßnahmen im Lärmaktionsplan berücksichtigt werden musste.

5. Fehlerhafte Annahmen des Schallschutzgutachtens

Mit Blick auf die Annahmen, die im Schallschutzgutachten selbst getroffen werden, ergibt sich ein Ermittlungsdefizit (§ 2 Abs. 3 BauGB). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass unrichtige und unplausible Annahmen eines Gutachtens, das einer planerischen Abwägungsentscheidung zugrunde gelegt wird, zu einem Ermittlungsdefizit und damit zur Fehlerhaftigkeit eines Bebauungsplans führen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 9. Juni 2016, 7 D 39/14.NE –, juris, Rn. 63 ff., zu unrichtigen Annahmen von nächtlichen Kfz-Bewegungen auf einem Parkplatz). Das Gutachten geht nicht von den ungünstigsten Annahmen aus. Dies ist aber notwendig, da Sachverständige bei ihren Prognosen im Sinne einer Beurteilung „auf der sicheren Seite“ stets vom Genehmigungsumfang und den insoweit ungünstigsten Betriebsbedingungen und nicht von Mutmaßungen über eine tatsächlich emissionsärmere Betriebsweise auszugehen haben (VGH Kassel, Beschl. v. 10. April 2014, 9 B 2156/13 –, juris, Rn. 66). Die Immissionswerte müssen auch dann eingehalten werden, wenn die bauplanungsrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden (vgl. VGH München, Beschl. v. 9. Februar 2010, 22 CS 09.3255 –, juris, Rn. 8; ders, Beschl. v. 14. Juli 2015, 22 ZB 14.798 –, juris, Rn. 17).

Der Bebauungsplan setzt 307 Parkplätze fest. Es ist davon auszugehen, dass alle im Bebauungsplan ausgewiesenen Parkplätze nach Errichtung auch genutzt werden sollen. Wenn das Schallschutzgutachten 600 Zu- und Abgänge annimmt, obwohl der geplante Parkplatz bei einmaliger Auslastung täglich 614 Zu- und Abgänge ermöglicht, verstößt es gegen den Grundsatz, dass die Begutachtung der prognostischen Lärmsituation von den ungünstigsten Betriebsbedingungen auszugehen hat.

III. Fehlende Berücksichtigung eines verrohrten Wassergrabens

Der Bebauungsplanentwurf berücksichtigt einen verrohrten Wassergraben, der nach dem Umweltbericht zum Entwurf des Flächennutzungsplanes im Plangebiet verläuft, nicht. Nach den dortigen Ausführungen ist dieser Graben bei der Planung zu berücksichtigen und darf nicht überbaut werden. Dennoch verlaufen nach dem Bebauungsplanentwurf über der dort eingezeichneten unterirdischen Wasserleitung (die nach unserem Verständnis den verrohrten Graben darstellt) Zufahrtsstraßen für Kfz-Stellplätze mit bituminösem Belag. Solche Privatstraßen werden als bauliche Anlagen bewertet (VG Cottbus, Urt. v. 11. September 2012, 3 K 799/11 –, juris; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 10. Juni 1977, I A 101/76 –, juris).

IV. Nachträgliche Eintragung der Gastrasse mit Hoch- und Niederdruckleitungen

Im geänderten Planentwurf Stand 05/2017 ist der Bereich der Gasversorgungsleitungen zu erkennen. Im Abwägungsprotokoll ist der Einwand zwar erfasst wurden, aber unter den Punkten 12.5 und 19.5 ist keine Abwägung erfolgt. Unverständlich bleibt ebenfalls die geplante Überbauung der Flächen mit bituminösem Belag. Solche Privatstraßen werden als bauliche Anlagen bewertet, siehe Einwendungen Punkt III. Ebenfalls wurde keine Gefährdungsbetrachtung für diese Gastrassen bezüglich einer eventuellen Brand- und Explosionsgefahr durchgeführt. Die Leitungen sind schon mehrere Jahrzehnte alt.

V. Ableitung aus dem Flächennutzungsplan

Unter 1.4.3 des Bebauungsplanentwurfs wird auf die Ableitung aus dem Flächennutzungsplan abgestellt. Dies erweckt den Eindruck, dass es sich hier um die Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan nach § 8 Abs. 2 BauGB handelt. Dies trifft indes nicht zu; der Flächennutzungsplan, der sich auf den Geltungsbereich des Bebauungsplans bezieht, liegt nämlich derzeit erst im Entwurf vor.

Die geplante Fläche des Bebauungsplanes im Entwurf des Flächennutzungsplanes wurde bisher als geplante gewerbliche Baufläche (G4) eingestuft. Gegen den Entwurf wurden Einwendungen in Form einer Stellungnahme vom 19.08.2015 eingelegt. Auf die in der Stellungnahme hervorgebrachten Einwendungen betreffend der Fläche G4 des Entwurfs des Flächennutzungsplans wird an dieser Stelle verwiesen.   

 

“Änderung der Gebietsausweisung der geplanten gewerblichen Baufläche (G4) in GEe4 (eingeschränktes Gewerbegebiet)“

 

In den nachfolgenden Auszügen aus der Begründung, dem Umweltbericht und den Abwägungsvorschlägen wird die Wohnbebauung an der Paul-Greifzu-Str.9-25 -richtigerweise-  als schutzwürdige Bebauung  bezeichnet und dass schlussfolgernd daraus auf der Fläche G4 nur nicht störendes Gewerbe  geplant ist.

 

·        Begründung zum  Entwurf  Punkt 7.2: Gewerbe, Seite 54, 55: „…Daher ist es städtebauliches Ziel, eine weitere Entwicklung der gewerblichen Flächen zu ermöglichen, ohne dabei die schutzwürdige Bebauung über Orientierung- und Grenzwerte zu belasten. D.h., dass bei neuen Vorhaben zwingend das Gebot der nachbarlichen Rücksichtsnahme… …..einzuhalten ist und es somit im Regelfall zu Einschränkungen der gewerblichen Bauflächen kommt (mind. Lärmkontingentierung)“

Die fast wortgleiche Begründung findet sich auch unter Punkt 12.2: Immissionsschutz, Gewerbegebiet Riesa-Gröba (Stahlwerk u.a.) auf Seite 79.

 

·        Umweltbericht zum Entwurf  Punkt 2.2.1.3: Gewerbliche Bauflächen, Seite 73 – Fläche G4: „…Geplant ist nicht störendes Gewerbe, welches mit der schutzwürdigen Wohnbebauung  vereinbar ist…“

 

·        Umweltbericht zum Entwurf Punkt 2.2.3: Auswirkungen der  Planung auf den Menschen und seine Gesundheit…,  Seite 85 „ … Kritisch zu betrachten ist die Gewerbefläche G4, da diese unmittelbar an vorhandene Wohnbebauung  anschließt…“ 

 

·        Abwägungsprotokoll zum Vorentwurf  - Abwägungsvorschläge  Seite 71, 91, 92, 94: „… Ansiedelung nicht störendes Gewerbe…..“

 

Die in der Begründung, dem Umweltbericht und dem Abwägungsprotokoll beschriebene und auch erforderliche Einschränkung der Nutzung der gewerblichen Baufläche G4 muss konsequenterweise im  gesamten Entwurf des FNP eindeutig Berücksichtigung finden, indem die Fläche G4 als GE4 (eingeschränktes Gewerbegebiet) festgesetzt wird.  Auf §1 Abs 4 BauNVO wird verwiesen.

Somit ist es von vornherein für weitere Planungen und Genehmigungsverfahren unmissverständlich, dass die zulässige gewerbliche Nutzung der Fläche G4 nur auf Betriebe beschränkt wird, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

Das wären Gewerbebetriebe, die gemäß §6 (1) BauNVO auch in Mischgebieten zulässig sind.

Bei einer Einstufung als Gewerbegebiet GE  nach §8 (1) BauNVO  würde diese Beschränkung -zum Nachteil der Wohnbebauung-  nicht bestehen.

Außerdem kommt damit die Stadt Riesa als planaufstellende Kommune ihrer Verpflichtung  zur Einhaltung des §50 BImSchG „Trennungsgebot“ nach. Diesem Gebot kommt  ein Plangeber dann nach, wenn er bereits absehbare Konflikte einer Lösung zuführt und sicherstellt, dass weitere Konflikte nicht dauerhaft ungelöst bleiben.

 

Der seit vielen Jahren bestehende Konflikt zwischen den Anwohnern und dem Stahlwerk ist der Stadt Riesa sehr wohl bekannt, sodass bereits in der vorbereitenden Bauleitplanung (FNP) grundsätzliche Lösungen zur Konfliktbewältigung festzulegen sind. Die  Verlagerung der Konfliktbewältigung auf spätere Planungen und Vorhabensgenehmigungen hat sich in der Praxis eher als problematisch und wenig erfolgreich  erwiesen.

 

Erst mit der Änderung der Fläche G4 zu einem eingeschränkten Gewerbegebiet GEe4 sowohl im Textteil als auch in den Planzeichnungen des FNP kommt die Stadt Riesa ihrer Verpflichtung nach, die bauplanungsrechtlichen  Voraussetzungen zur Konfliktbewältigung zwischen Wohnbebauung und Gewerbe/Industrie zu schaffen.

Dass bauplanungsrechtlich im FNP als Puffer zwischen geplantem Gewerbe und vorhandener Wohnbebauung die Ausweisung eines eingeschränkten Gewerbegebietes möglich ist,  beweist die  geplante Fläche GEe5, westlich Nossener Straße/Neubauernweg.

 

Auf der gewerblichen Baufläche G4 soll nur nicht störendes Gewerbe angesiedelt werden. Darauf  ist die Gebietsausweisung zu begrenzen.

Somit werden auch die v. g.  Aussagen in der Begründung, dem Umweltbericht und dem Abwägungsvorschlägen mit dem übrigen Unterlagen des FNP in Übereinstimmung gebracht.

Erst nach dem Beschluss des Flächennutzungsplanes kann hierzu die endgültige Einstufung im Bebauungsplan einfließen und betrachtet werden.

 

VI. Naturschutz

1. Arten- und Biotopschutz, Biodiversität

Die vorgenommene Erfassung der vorkommenden Tier- und Pflanzenarten und die Bewertung der Vorhabensauswirkungen ist höchst defizitär und entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Teile der Fläche im Jahr 2013 gerodet wurden und diese Handlungen nicht unter die jährliche Mahd gefasst werden können. Die Fläche hatte somit aufgrund ihrer größeren Naturraumausstattung eine wichtige Lebensraumfunktion und ist deswegen auch schutzwürdiger, als in den Planunterlagen angenommen, gewesen. Bezüglich der Erfassungen der geschützten Tier und Pflanzenarten geben die folgenden Ausführungen der UVS Aufschluss darüber, dass die es für eine sachgerechte Bewertung des Vorhabens bereits an der Grundlage in Form einer Erfassung fehlt:

„Konkrete Arterfassungen sind hier nicht vorhanden. Grundlage für die Bestandserfassung bilden die Aussagen des Umweltberichtes zum Entwurf des Flächennutzungsplanes und eigene Beobachtungen, die im Zuge der Begehungen im Jahr 2016 und ergänzend im Frühjahr 2017 gemacht wurden.“ (UVS, S. 11) 

„Bezüglich der Vögel ist anzumerken, dass die Fläche für viele im Stadtgebiet vorkommenden Vogelarten (z.B. Amsel - Turdus merula, Blaumeise - Parus caeruleus, Kohlmeise - Parus major, Haussperling - Passer domesticus, Rotkehlchen - Erithacus rubecula…) einen Teillebensraum, hier insbesondere ein Nahrungshabitat, darstellt. Auf der Fläche selber gibt es keine geeigneten Rückzugsräume (Gehölzbestände), die die Fläche als alleinigen Lebensraum auszeichnen würde. Die im Süden auf der Böschung vorhandenen Gehölzbestände sind eher geeignete Habitatstrukturen. Aufgrund der mehrmaligen vollständigen Mahd der Fläche über das Jahr eignet sie sich nicht als Brutplatz für Bodenbrüter. Neststandorte sind nicht bekannt und wurden bei den Begehungen auch nicht recherchiert.“ (UVS, S. 12) 

Zunächst wurde für die Erfassung auf die Erfassung im Zuge der Aufstellung des FNP der Stadt Riesa Bezug genommen, wobei dort auch eine Artendatenbankabfrage, aber nicht eine gezielte Vor-Ort-Erfassung vorgenommen wurde. Besonders gravierende Mängel der Auswirkungsbewertung des Vorhabens zeigen sich in Bezug auf Vogelarten. Neststandorte oder gar eine gezielte Erfassung der vorkommenden Arten wurden nicht vorgenommen. Dementsprechend fehlt es an der Grundlage für die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 BNatSchG, der für alle europäischen Vogelarten anzuwenden ist (also explizit auch Vogelarten wie bspw. der Amsel) und für Brutplätze, für existenzielle Nahrungshabitate als auch für das Tier an sich (Tötungsverbot) gilt. Weiterhin ist festzustellen, dass für die betroffenen europarechtlich oder besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten, eine Abhandlung der Prüfung der Verbotstatbestände in einer Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag gänzlich fehlt, was rechtswidrig ist. Dies gilt für die betroffene Art der Zauneidechse (für die sogar eine Ausnahme notwendig ist) wie für die europäischen Vogelarten als auch für die (nicht erfassten und ermittelten) Fledermausarten, die durch die Versiegelung der Fläche ein wichtiges Nahrungshabitat im innerstädtischen Bereich verlieren. Bei dieser Prüfung wären auch Kumulationseffekte im Zusammenhang mit den Flächenverlusten für den Bau des neuen Hafenterminals zu berücksichtigen gewesen. Somit ist der vorgelegte Entwurf des Bebauungsplans schon aufgrund maßgeblicher Verstöße gegen das Artenschutzrecht abzulehnen.

Auch die weitere Untersuchung der Auswirkungen des Vorhabens innerhalb der UVS auf Tierarten sind defizitär. Es wird (bspw. für Feldhasen) angenommen, die Tierarten könnten vor den Baumaßnahmen flüchten, obwohl bei der Biotopausstattung immer wieder auf den Umstand verwiesen wird, dass die Fläche aufgrund der umliegenden Flächennutzung stark isoliert ist und daher einen geringen Biotopwert besitzt. Zudem wird vernachlässigt, dass eine geplante Parkplatznutzung eine erhöhte Kollisionsgefahr für die vorhandenen Tierarten darstellt, was durch eine Prüfung des Tötungsverbots näher untersucht werden müsste. Dazu muss darauf hingewiesen werden, dass das Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNatSchG) nicht populationsbezogen (wie in der UVS vorgenommen) sondern individuenbezogen geprüft werden muss.  

Eine im Bereich des Bebauungsplanes vorhandene Zauneidechsenpopulation ist entsprechend der geltenden artenschutzrechtlichen Anforderungen bezogen auf die anlage-, bau- und betriebsbedingten Auswirkungen zu schützen. Die bis dahingehende Untersuchung und Umsiedlung wird als unzureichend bewertet. Aus diesem Grund ist der vorgesehene Bebauungsplan Mitarbeiterparkplatz Feralpi abzulehnen.

 

 

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Durch die Rodung im November 2013 wurden alle Brutstätten und Hauptlebensräume von Vögeln vernichtet. Dabei wurden sämtliche Bäume und Büsche auf dem Gebiet des geplanten Bebauungsplanes vernichtet. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, 2016 zu behaupten, dass dieser Lebensraum für Vögel nun ungeeignet wäre, bzw. war. Für die Kompensation ist deshalb der Zustand der Fläche vor der Rodung als Grundlage zu nehmen, anderweitig ist die Kompensation als nicht ausgeglichen zu werten.

Aufgrund der nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens und der Verstöße gegen das Artenschutzrecht sowie der mangelnden Kompensation an gleichen Ort, wird die Nullvariante als Alternative bevorzugt.

2. Wasser

Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Ziele des WHG und des Sächsischen Wassergesetzes ist zu bemängeln, dass keine Angabe dazu erfolgt, inwieweit den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie Rechnung getragen wurde (§§ 27 - 28; 47 WHG). Eine heutige Grundwasserbelastungen liegt eindeutiger Weise belegbar vor, wurde aber im Bebauungsplan trotz Hinweise nicht mit betrachtet.

3. Böden

Bezüglich des Bodenschutzes wird bezweifelt, dass alle ermittelten Bodenbelastungen nur Altlasten des früheren Stahl- und Walzwerkes Riesa sind. Gerade hier sind ebenfalls die Spuren und Belastungen des Feralpi Werkes zu finden, die in den letzten 23 Jahren durch erhebliche nicht genehmigte Emissionen jahrelang verursacht wurden. Toxische Stoffe wie Dioxine/Furane, PCB, Chrom (ges.), Blei, Cadmium, Nickel, Mangan und Benzo(a)pyren zählen zu den seit Jahren diskutierten Problemstoffen. Zahlreiche Immissionsmessungen der letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass Grenz-, Beurteilungs- und Zielwerte enorm überschritten werden. Bodenmessspitzenwerte bei Chromgesamt lagen 1991 weit unter den ermittelten Werten aus dem Jahr 2016. Besonders betroffen ist der Messpunkt MP2 (Haldenstraße 5) – Rechtswert 4589012, Hochwert 5687481, der nur wenige Meter vom Bodensondierungspunkt BS1 entfernt liegt, wo die höchsten Chromwerte im Boden festgestellt wurde. Als ein Beispiel soll nur erwähnt werden, im Bericht über die Durchführung von Immissionsmessungen 125136/07 vom 23.02.20017 der Firma Müller BBM wurde über den Messzeitraum 30.10.2015 bis 28.10.2016 ein jahresdurchschnittlicher Staubniederschlag an Chromgesamt  von insgesamt 961 µg/(m²xd) ermittelt.

 

Durch eine weitere Versiegelung der Parkplatzflächen sind weitere Schadstoffemissionen in Form von Staub in der näheren Umgebung bei den Anwohnern durch Windabtragung zu befürchten, die weitaus höheren Schutz bedürfen, da diese teilweise heute noch gärtnerisch direkt am Pausenweg genutzt werden. Damit wurden auch Auswirkungen durch die Luftschadstoffemissionen nicht ausreichend betrachtet.

Es muss von einer unvollständigen Bodenuntersuchung auf Grund des vorhandenen und bekannt gemachten Grundwassermonitorings 09-0259/ebo der LGU Laborgesellschaft für Umweltschutz mbH Hartha vom 03.03.2009 ausgegangen werden, da dieses Gutachten zu einem anderen Ergebnis kommt, als das im Bebauungsplan vorgelegt wurde. Dieses Gutachten kommt unter Punkt 3. Messergebnisse zu folgendem Fazit: „Die Ergebnisse sind bis auf hohe elektrische Leitfähigkeiten in Verbindung mit hohen Salzgehalten an Chlorid und Sulfat, leicht erhöhte Konzentrationen des Hausmüllindikators Bor sowie überwiegend hohen Eisen- und Mangangehalten weitgehend unauffällig.“ Weiter unter Punkt 4. „Das Grundwasser im Stahlwerksbereich ist sehr hart und hat hohe Eisen- und Mangangehalte. Es ist ohne entsprechende Aufbereitung nicht als Trink- bzw. Prozesswasser geeignet.“ Die Behauptung im Bebauungsplan in der vorgelegten Bodenuntersuchung auf Seite 7: „… Eine Grundwasserbelastung wurde durch die Beprobung vorhandener Messstellen nicht festgestellt. …“ wird hiermit zurückgewiesen, als unrichtig beurteilt und als Ablehnungsgrund des Bebauungsplanes gesehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer

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Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/lv_stellungnahmen/detail/artikel/stellungnahme-zum-entwurf-des-vorhabensbezogenen-bebauungsplans-errichtung-eines-mitarbeiterparkp/

Bild 1:

 

Biotop, das 20 Jahre lang brach gelegen hatte.

Im November 2013 wurde diese Fläche durch Feral­pi einfach kahl geschlagen. Es gab hier keine Rücksicht auf die wild lebenden Tiere und Pflanzen.

Durch die Rodung wurde dieses Biotop einfach zerstört.