25. August 2017

Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren „Errichtung eines Buchten-Wasserkraftwerkes am Muldewehr Wurzen in der Vereinigten Mulde - 1. Planän-derung“

Ihr Schreiben vom 04.07.2017

Ihr Zeichen: L42-0522/356/27

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Landesverband Sachsen e. V. bedankt sich für die Beteiligung zum o. g. Verfahren und nimmt hierzu wie folgt Stellung:

Das Vorhaben wird abgelehnt.

Begründung:

  1. Widerruf der Stellungnahme vom 20.10.2015

Zunächst müssen wir unsere Stellungnahme vom 20.10.2015 nach nochmaliger Prüfung der Antragsunterlagen widerrufen. Die Zustimmung zum Vorhaben als auch deren Inhalt können nicht aufrechterhalten werden. Das Vorhaben wird entsprechend der folgenden Begründung abgelehnt.

  1. Keine Notwendigkeit zur Errichtung einer neuen Wasserkraftanlage

Bei der hier beantragten Anlage handelt es sich zwar um eine Anlage zur Erzeugung regenerativer Energien, allerdings wird die Schaffung von neuen Anlagen zur Wasserkraftnutzung aufgrund der ungünstigen Relation von naturschutzfachlicher Schädigungswirkung und begrenztem Energieertrag abgelehnt. Die Errichtung einer Wasserkraftanlage ist, auch unter der Berücksichtigung des Umstands, dass es an einer bestehenden Wehranlage geplant ist, für die Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele nach dem Pariser Klimaschutzabkommen auch nicht notwendigerweise geboten. Zur Begründung verweisen wir auf das Energie- und Klimakonzept für Sachsen des BUND LV Sachsen[1], das aufzeigt, dass eine ausschließlich auf regenerativen Energien beruhende sächsische Energieversorgung möglich ist. Das Klima- und Energiekonzept berücksichtigt zwar auch einen Beitrag von Wasserkraft für die Umstellung der Energieversorgung, allerdings wird von der Prämisse ausgegangen, dass kein Neubau von Anlagen erfolgt und die bestehenden hinsichtlich der Kriterien der Effizienz und der Naturschutzverträglichkeit nachgerüstet oder rückgebaut werden.[2]   

  1. Auswirkungen auf den Wasserhaushalt / Verstoß gegen die WRRL

Am Vorhabenstandort ist eine Wehranlage vorhanden. Dem Vorhabenträger ist darin zuzustimmen, dass das vorhandene Wehr samt seiner nicht funktionstüchtigen Fischaufstiegsanlage eine massive Einschränkung der ökologischen Durchgängigkeit der Vereinigten Mulde darstellt. Indes führt dies jedoch nicht zwangsläufig zu dem Schluss, dass am Wehr die Errichtung einer Wasserkraftanlage mit technischen Hilfen für den Auf- und Abstieg der Fischfauna notwendig ist. Vielmehr ist es auch denkbar und aus unserer Sicht geboten, an dem vorhandenen unbefriedigenden Zustand durch den Rückbau des Wehres etwas zu ändern. Sollte die Absenkung des Wasserspiegels durch den Rückbau der Wehranlage negative Auswirkungen auf wasserabhängige Lebensräume oder auf die Belange des Hochwasserschutzes haben, ist die Umwandlung der Wehranlage in eine Sohlgleite als Alternative zu prüfen.

Der Vorhabenträger hat nunmehr die Antragsunterlagen überarbeiten lassen und aktualisiert. Es fehlt jedoch weiterhin an Antragsunterlagen, die die zuständige Behörde in die Lage versetzen, die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele für oberirdische Gewässer gem. § 27 Abs. 1 WHG zu prüfen. Der Vorhabenträger ist nicht notwendiger Weise dazu angehalten, einen WRRL-Fachbeitrag gesondert zu erstellen, sondern kann die erforderliche Begutachtung der Einhaltung der Bewirtschaftungsziele auch im Rahmen UVS vornehmen, es bleibt jedoch festzustellen, dass die Ergänzung der Betrachtung der Schutzgüter (nature concept v. 23.06.2017) nicht dazu fähig ist, einen Verstoß gegen die Bewirtschaftungsziele auszuschließen, wie im Folgenden begründet werden soll.

Der Geltungsanspruch der Bewirtschaftungsziele ergibt sich mit Blick auf das EuGH Urt. v. 1.7.2015 (Rs. C-461/13). Danach handelt es sich bei den Umweltzielen der WRRL (Art. 4 WRRL) um zwei gesonderte, wenn auch eng miteinander verbundene Ziele (Verschlechterungsverhinderungspflicht und Verbesserungspflicht), die nicht nur Programmsätze für die Bewirtschaftungsplanung darstellen. Bezüglich der Verschlechterungsverhinderungspflicht bzw. des Verschlechterungsverbots hat der EuGH ausgeführt, dass eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente i. S. v. des Anhangs V der RL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Weiter führt der EuGH aus, dass wenn eine betreffende Qualitätskomponente i. S. v. Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet ist, eine Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Zustands i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. i WRRL darstellt. Daraus ergibt sich im Hinblick auf die Prüfung einer Verschlechterung des ökologischen Zustands Folgendes: es sind die Qualitätskomponenten des Anhang V der WRRL in Hinsicht auf die Auswirkungen eines Vorhabens auf einen „Qualitätskomponentensprung“ hin zu untersuchen. Vorliegend erfolgt zwar in der angesprochenen Unterlage wenigstens eine Nennung der betroffenen Wasserkörper, eine Nennung des Zustands der ökologischen Qualitätskomponenten erfolgt jedoch nur für den OWK DESN_54-7 jedoch nicht für den OWK DESN_59416-2. Damit fehlt es bereits für den OWK DESN_59416-2 an der erforderlichen Grundlage für eine Verschlechterungsprüfung. Im Weiteren wird der OWK DESN_59416-2 nicht weiter betrachtet, es bleibt die Frage unberücksichtigt, inwiefern die Errichtung der Anlage sowie dem direkten Eingriff in dem zur Mulde benachbarten Wasserkörper zu einer Verschlechterung bzw. zur Verhinderung der Zielerreichung führen kann.

Für den OWK der Mulde wird eine vom EuGH vorgegebene Prüfung des Verschlechterungsverbots in Form einer Prüfung des „Sprungs“ einer Qualitätskomponente bereits verbal-argumentativ damit beendet, dass durch die Schaffung der ökologischen Durchgängigkeit für die Fischfauna keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung am Standort erzielt wird (nature concept v. 23.06.2017, S. 24). Daneben erfolgt  keine Prüfung des Qualitätskomponentensprungs aller Qualitätskomponenten des Anhang V der WRRL (betrachtet wird hier nur Fischfauna). Daneben verkennt der Vorhabenträger, dass negative und positive Auswirkungen eines Vorhabens im Rahmen der Verschlechterungsprüfung nicht gegeneinander aufgewogen werden dürfen. Vielmehr ist eine Ausnahmeprüfung der geeignete Ort (§ 31 Abs. 2 WHG), negative und positive Auswirkungen eines Vorhabens gegen einander abzuwägen. Daneben fällt auf, dass eine schädigende Wirkung der Wasserkraftanlage und ihrer Turbinen unbetrachtet bleibt. Zwar stellt der Vorhabenträger in dem Fischökologischen Fachbeitrag (Holzner/Blankenburg 2014) fest, dass von den vorkommenden Fischarten und Neunaugen unter ungünstigen Bedingungen von einer Schädigungsrate von unter einem Prozent auszugehen sei. Allerdings ist eine solche theoretische Schädigungsrate gerade für die vom Aussterben bedrohten Arten oder für Arten, deren Erhaltungszustand als ungünstig bis schlecht eingeschätzt wird (bspw. Flussneunauge, Atlantischer Lachs) bereits als zu hoch anzusehen.   

Neben den genannten Mängeln bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots, die einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Nr. 1 WHG darstellen, kann den Planunterlagen keine Prüfung des Verbesserungsgebots (§ 27 Abs. 1 Nr. 2) entnommen werden. Der EuGH hatte bereits 2015 mit Wirkung für die Vergangenheit klargestellt, dass auch ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot einen Versagungsgrund einer Genehmigung darstellt. Das BVerwG hat dies auch im Urteil zur Weservertiefung (BVerwG, Urt. v. 11.08.2016 Rn. 169) noch einmal herausgestellt und um die Feststellung ergänzt, dass das Verbesserungsgebot eine Sperrwirkung entfaltet, wenn sich absehen lässt, dass die Verwirklichung eines Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele der WRRL zu erreichen. Fraglich ist jedenfalls, ob das hier beantragte Vorhaben eine fristgerechte Erreichung des guten Zustands (biologischer und chemischer) zum maßgeblichen Zeitpunkt, also für die betroffenen Wasserkörper durch die Fristverlängerung bis 2021, verhindern kann. Eine dahingehende Prüfung fehlt den Planunterlagen. Es wird lediglich festgestellt, dass die Schaffung von technischen Einrichtungen für die ökologische Durchgängigkeit eine Verbesserung darstellt. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass eine Verhinderung der Zielerreichung auch in einer Aufrechterhaltung eines Zustands gegeben sein kann, der mit der Planung auch noch verfestigt wird. So ist der Fall hier gelagert. Mit der Ertüchtigung der Wehranlage (Schlauchwehr) und durch die notwendige Aufstauung für den Betrieb der Wasserkraftanlage wird ein Zustand verfestigt, der, wenn auch im Zusammenspiel mit anderen Einwirkungsfaktoren dazu beiträgt, dass die Umweltqualitätsziele auch bis zum Jahr 2021 voraussichtlich nicht erreicht werden können (für beide betroffene Wasserkörper). Ob eine Zielerreichung voraussichtlich nicht erreicht werden kann, ist vor allem unter Berücksichtigung der Bewirtschaftungsplanung zu bestimmen. Das BVerwG hat zwar angenommen, dass ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot nicht schon dann vorliegt, wenn das Vorhaben den im Bewirtschaftungsplan vorgesehenen Verbesserungsmaßnahmen zu wider laufen. Allerdings folgt aus dem Umstand, dass der Bewirtschaftungsplan sowie das Maßnahmenprogramm für die jeweilige Flussgebietseinheit zur Erreichung des Endziels[3] der WRRL dienen, dass ein Verstoß vordergründig an der Bewirtschaftungsplanung zu messen ist. Auch daran fehlt es vorliegend, da den Planunterlagen nichts aus dem einschlägigen Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietseinheit oder auch dem Maßnahmenprogramm entnommen werden kann. Damit bleibt die Bewirtschaftungsplanung unberücksichtigt. Dies betrifft die für die betroffenen Wasserkörper für notwendig gehaltenen Maßnahmen aus dem Maßnahmenprogramm, als auch die grundsätzlichen Aussagen im Bewirtschaftungsplan. Zunächst lässt sich dem geltenden Bewirtschaftungsplan[4] in Bezug auf die ökologische Durchgängigkeit Folgendes entnehmen:

„Innerhalb des Hydromorphologie-Teilaspektes „Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit“ stellen die Querbauwerke in Fließgewässern (z. B. Sohlabstürze, Wehre, Talsperren, Wasserkraftanlagen) eine besondere Belastung dar. Es sind aber nicht nur die Querbauwerke selbst, sondern auch die damit im Zusammenhang stehenden negativen ökologischen Folgen, wie Veränderungen des Fließverhaltens und der mit der Behinderung des Sedimententransportes einhergehenden Veränderungen der Substratstruktur und bestimmter wasserchemischer Kenngrößen (z. B. Sauerstoffmangel in Rückstaubereichen), die den Wanderfischen und Neunaugen erhebliche Probleme bereiten können.“ (FGG Elbe, Bewirtschaftungsplan, S. 102, abgerufen unter: https://www.fgg-elbe.de/berichte/aktualisierung-nach-art-13.html)

Berücksichtigt man weiterhin, dass nach dem Maßnahmenprogramm auch Maßnahmen an der Vereinigten Mulde zur Verbesserung der Hydromorphologie (in Unterstützung der biologischen Qualitätskomponenten nach Anhang V WRRL) geplant sind,[5] so wird man feststellen, dass die Beibehaltung der Wehranlage dem Maßnahmenprogramm zu wider läuft, da hierdurch keine Verbesserung der Hydromorphologie erreicht wird bzw. diese ausgeschlossen wird. Zudem wird die bisher am schlechtesten bewertete Qualitätskomponente des Wasserkörpers der Vereinigten Mulde Phytoplankton, durch die Aufrechterhaltung der Wehranlage voraussichtlich nicht den guten Zustand zum maßgeblichen Zeitpunkt erreichen, da keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind, die an der ungünstigen Ursache (zusätzlich zum von der WKA unbeeinflussten Nährstoffhaushalt) der Hydromorphologie (Beeinträchtigung durch Aufstauung) etwas ändern. Weiterhin wird durch die Beibehaltung der Wehranlage die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Hydromorphologie (als unterstützende Komponente) auf Dauer verhindert. Somit ist durch die beantragte Anlage und die Ertüchtigung der Wehranlage ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot auszugehen und die Genehmigung zu versagen.

Zusätzlich zu den gennannten Bewirtschaftungszielen ist die Vorgabe nach § 34 WHG (ökologische Durchgängigkeit) zu beachten. Auch wenn der Vorhabenträger geltend macht, dass die ökologische Durchgängigkeit durch die Einrichtung der beidseitigen Fischaufstiegsanlagen verbessert wird, muss festgestellt werden, dass die ökologische Durchgängigkeit hierdurch nicht vollständig gegeben ist. Neben der ökologischen Durchgängigkeit für die Fischfauna ist zu beachten, dass die ökologische Durchgängigkeit auch den Feststoffhaushalt umfasst. Dieser ist durch die Wehranlage weiterhin gestört und wird im Vergleich zum Ist-Zustand sogar noch verschlechtert, da mit der Wasserkraftanlage nunmehr eine weitere Barriere entsteht. Umfasst werden vom Feststoffhaushalt u.a. sowohl der Sedimententransport als auch der Transport der Schwimmstoffe (bspw. Totholz). Diese Bestandteile des Feststoffhaushalt werden auch durch die beantragte Anlage beeinträchtigt, da bspw. schwemmendes Totholz eine Gefahr für den Betrieb der Wasserkraftanlage darstellt und abgefangen und abgesammelt werden muss. Demensprechend ist auch nach Schaffung von technischen Einrichtungen für die Fischfauna nicht von einer ökologischen Durchgängigkeit am Muldewehr auszugehen, was der wasserrechtlichen Genehmigung entgegensteht.

In Bezug auf Auswirkungen des Vorhabens auf Grundwasserkörper ist den Planunterlagen zu entnehmen, dass keine Auswirkungen zu erwarten sind. Aus dem Baugrundgutachten ergibt sich jedoch, dass zur Errichtung der Anlage die Schaffung eine 10 m tiefe Grube errichtet werden muss und das Grundwasser auf 8,5 -10,5 m abgesenkt werden muss und darüber hinaus auch das Grundwasser entnommen werden muss. Ob damit eine Absenkung des Grundwasserkörpers insgesamt verbunden ist, lässt sich den Planunterlagen nicht entnehmen. Es ist jedoch festzustellen, dass Auswirkungen auf einen Grundwasserkörper geplant sind und somit die Vorgaben des § 47 WHG zu beachten und auf ihre Vereinbarkeit hin zu überprüfen sind. 

  1. Fehlerhafte UVS, artenschutzrechtlicher Fachbeitrag und FFH-Verträglichkeitsprüfung

Die naturschutzfachlichen Unterlagen weisen Defizite auf. Zunächst weist der artenschutzrechtliche Fachbeitrag Mängel in der Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände auf. Den Unterlagen lässt sich entnehmen, dass eine Absammlung von Individuen der Arten Zauneidechse (streng geschützt), gewöhnliche Teichmuschel  (besonders geschützt) und Malermuschel sowie grüne, asiatische und gemeine Keiljungfer  vorgesehen ist. Das Absammeln von Individuen dieser Arten stellt, auch wenn es sich vordergründig um eine Vermeidungsmaßnahme handeln soll, einen Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (Fangen) dar, für die es eine Ausnahmeerteilung gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG bedarf.[6] Ein entsprechender Ausnahmeantrag ist aufgrund des fehlerhaften artenschutzfachlichen Fachbeitrags den Planunterlagen nicht zu entnehmen, kann dementsprechend auch nicht gewährt werden. Dem Vorhaben steht somit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegen. Darüber hinaus bleibt unberücksichtigt, dass auch eine Vermeidungsmaßnahme selber den Tatbestand des Tötungsverbots erfüllen kann, da einzelne Individuen durch Stress bei der Umsiedlung zu Tode kommen können und darüber hinaus auch nicht sichergestellt werden kann, dass bei einer Absammlungsaktion alle Individuen tatsächlich vorgefunden und eingesammelt werden können. Letztlich verbleibt ein Risiko für unentdeckte Individuen, durch die nachfolgenden Bauarbeiten zu Tode zu kommen. In Bezug auf die Zauneidechse stellt der Landschaftspflegerische Begleitplan fest (S. 26): „Verluste von Einzeltieren sind jedoch generell nicht auszuschließen. Diese werden aber nicht zur Gefährdung  der einzelnen Populationen führen.“ Zunächst ist wird damit selber eingeräumt, dass ein Verstoß gegen das Tötungsverbot nicht ausgeschlossen werden kann. Zum anderen belegt dieser Auszug ein fehlerhaftes Verständnis des Tötungsverbots aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, da dieses Individuenbezogen und nicht Populationsbezogen ist. Eine Betrachtung der Auswirkungen der Population ist dagegen erst im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zulässig.

Im Weiteren weisen die UVS und die FFH-Verträglichkeitsprüfung Fehler auf. So wird eine Beeinträchtigung von Biber und Fischotter nicht angenommen. Hierbei bleibt ungesehen, dass die Migration dieser Arten durch die Errichtung des Vorhabens erheblich gestört wird. So ist von einem Zeitraum von drei Jahren (Bauzeit) mit einer erheblichen Behinderung von Migrationsbewegungen der beiden genannten Arten auszugehen, da nicht nur das Wehr selbst eine Begrenzung darstellt, sondern auch die Baustelleneinrichtung beidseitig der Mulde. Zudem ist der Eingriffsort auch nach Fertigstellung des Vorhabens erheblich technisch überprägt, die ein Wechsel von der Arten vom Unterwasser in das Oberwasser erschwert und ein Ausweichen über die Uferwege zweifelhaft erscheinen lässt. Eine Unterbindung der Migration muss als eine Gefährdung der Erhaltung bzw. in diesem Fall der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Bibers und Fischotters gewertet werden. Eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets kann somit nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus bleibt unberücksichtigt, dass auch die Baustelleneinrichtung in Ufernähe eine Gefährdung darstellt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Individuen dieser Arten in der Nachtzeit bspw. in die 10 m tiefe Grube fallen. Eine solche Fallenstellung, sei sie auch unbeabsichtigt, muss im Rahmen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände geprüft werden.  

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer


[2] vgl. Punkt 5.4. des Energie- und Klimakonzepts.

[3] EuGH Urt. v. 1.7.2015 - C-461/13, juris Rn. 37.

[4] abrufbar unter: https://www.fgg-elbe.de/berichte/aktualisierung-nach-art-13.html

[5] vgl. sächsische Beiträge zum Maßnahmenprogramm, abrufbar unter: https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/14706.htm

[6] vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.7.2011 – 9 A 12.10, Rn. 130.




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