BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


9. Mai 2016

Stellungnahme zur Dokumentation der Einflüsse des Vorhabens auf die Umwelt gemäß § 8 Gesetz Nr. 100/2001 Slg., Staustufe Děčín

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BUND Landesverband Sachsen bedankt sich für die grenzüberschreitende Beteiligung im oben genannten Verfahren und für die Veröffentlichung mehrerer Planungsunterlagen in deutscher Sprache und nimmt zum Vorhaben nachfolgend Stellung.

 

 

Inhaltsverzeichnis


A   Einleitung

B    Öffentlichkeitsbeteiligung

C    Grundsätzliche Anmerkungen zu dem Vorhaben und weitergehende Planungen

               Politische Aussagen zur Elbe in Deutschland

               Sachzwänge zur Flusskanalisierung – Weitere Planungen

D   Ausführliche Stellungnahme zum Vorhaben Staustufe Děčín und zur Begründung des Vorhabenträgers

1. Darstellung der Schifffahrtsbedingungen an der frei fließenden Elbe

Fahrbedingungen und Ausbauzustand der Elbe in Deutschland

Aussagen der deutschen Bundesregierung zum Ausbau- und Unterhaltungszustand der deutschen Elbe

Zweifel der Bundesanstalt für Wasserbau zum Fahrrinnenziel 1,60 m an der deutschen Elbe

Anpassung der Fahrrinnentiefe in Tschechien an die Verhältnisse der deutschen Elbe – Vergleich der Fahrbedingungen

2. Auslastung und Kapazität der Schiene und Straße im Elbekorridor

Eisenbahnverkehr

Auslastung und Kapazität der Straße im Elbekorridor in Deutschland

3. Entwicklung der Binnengüterschifffahrt auf in Deutschland und speziell auf der Elbe

Priorisierung der bundesdeutschen Wasserstraßen und die Auswirkungen auf die Elbe

Entwicklung der Binnengüterschifffahrt in Deutschland

Entwicklung der Güterschifffahrt auf der Elbe zwischen Magdeburg und deutsch-tschechischer Grenze

Anforderung an eine rentable Güterschifffahrt

Güterschifffahrt in Tschechien

Förderung der Entwicklung der Freizeitschifffahrt

4. Zur Begründung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit des Vorhabens Staustufe Děčín

5. Internationale und Europäische Dokumente und Richtlinien

Vereinbarkeit des Staustufenprojektes mit dem europäischen Recht der Wasserrahmenrichtlinie

TEN-T

AGN-Vertrag

6. Auswirkungen der Staustufe Děčín auf die Elbe und ausgewählte, geschützte Arten

Quellen und Literatur

 

 

Zusammenfassung

Ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ liegt für den Bau der Staustufe Děčín nicht vor.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ im Zusammenhang mit diesem Projekt nicht ableitbar sind. Die Schifffahrtsbedingungen der tschechischen Elbe würden durch die Planungen nicht an die deutsche Elbe angeglichen, die Vertiefung würde weit darüber hinaus gehen. Die zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft sind erheblich. Es sind massive Verstöße gegen die FFH-Richtlinie und die Wasserrahmenrichtlinie der EU zu verzeichnen.

Insgesamt wurde der Bedarf in keiner Weise ordnungsgemäß nachgewiesen. Es gab keine Alternativenprüfung, die andere Verkehrsträger mit einbezieht. Der Bedarf konnte nicht nachgewiesen werden, somit sind die Schäden vor der Allgemeinheit – der Flussgebiets­gemeinschaft – nicht zu rechtfertigen. Eine für die Genehmigung der Staustufe erforderliche Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und auch des Verbesserungsgebot nach der WRRL für die beeinträchtigten Gewässer und Grundwasser kann nicht gewährt werden kann.

Die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 7 WRRL, die kumulativ erfüllt sein müssen, liegen alle nicht vor, so dass das Vorhaben gegen die europarechtlichen Bestimmungen der WRRL verstößt und nicht genehmigungsfähig ist.

Aus diesen und den folgenden Gründen lehnt der BUND Sachsen das Projekt ab und fordert, die Planungen einzustellen.

 

Unsere Stellungnahme in Kürze:

 

Weitere wichtige Aussagen sind:

Die Elbe ist ein Niedrigwasserfluss

Auf die wesentlichen Punkte unserer Stellungnahme von 2011 und 2012 wurde auch in der Dokumentation EVU von 2016 nicht in zufriedenstellender Weise eingegangen. Nach wie vor werden die tatsächlichen Abfluss- und Fahrrinnen­ver­hältnisse der deutschen Elbe nicht beachtet.

Fest steht, dass die Schiffbarkeit der Elbe mit den Abflussmengen steht und fällt – sie ist unmittelbar daran gekoppelt. Diese Abflussmengen sind wiederum weitgehend von der Nieder­schlagsmenge abhängig. Selbst die zahlreichen Staustufen in der tschechischen Elbe bzw. die Talsperren an der Moldau vermögen einen für die Schifffahrt nur unzureichenden Beitrag zur Niedrig­wasseraufhöhung zu machen.

Auch die in Deutschland durchgeführten strombaulichen Maßnahmen führen an einem typischen Niedrigwasserfluss mit stark schwankenden Abflussverhältnissen zwischen dem Niedrigwasser (NQ) und dem Hochwasser (HQ) von 1:21 nicht zu einer wesentlich verbesserten Schiffbarkeit (im Vergleich hat der Rhein ein NQ-HQ-Verhältnis von 1:7,5. Hinzu kommt ein sehr viel größeres Einzugsgebiet als das der Elbe).

Betrachtet man das Abflussregime der Elbe der letzten 100 Jahre am Pegel Dresden, so stellt man fest, dass es immer wieder lange Perioden mit sehr geringen Abflussmengen gab, die schon damals bei wesentlich kleineren Schiffsgefäßen die Schiffbarkeit über lange Zeiträume fast unmöglich machten. Umgekehrt gab es aber auch immer wieder lange Hoch­wasser­phasen und Frostperioden, die die Schifffahrt massiv behinderten. Die Unplan­barkeit und Unvorhersehbarkeit dieser Ereignisse führten dazu, dass die Schifffahrt der Elbe mehr und mehr den Rücken kehrt.

 

Gesamtkonzept Elbe – Politische Rahmenbedingungen in Deutschland

Die politischen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Elbe als Wasserstraße haben sich in Deutschland seit 2012 weiterentwickelt. Auf diese Entwicklung wird allerdings in der Dokumentation EVU nicht eingegangen und somit nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Umstrukturierung der Wasserstraßenverwaltung werden die Wasserstraßen nach Bedeutung priorisiert. Die Elbe landete aufgrund ihres geringen Güteraufkommens auf den hinteren Rängen. Inzwischen soll die Elbe nicht weiter ausgebaut, sondern nur noch in ihrem Bestand erhalten werden.

Zudem wird derzeit von Bund und Ländern ein Gesamtkonzept für die Elbe entwickelt, in dem die Nutzung der Elbe als Wasserstraße überprüft wird. In diesem Zusammenhang wurde das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, eine Fahrtiefe von 1,60 m an 345 Tagen im Jahr herzustellen, ad acta gelegt.

 

Die Absichtserklärung zur Elbe zwischen Deutschland und Tschechien ist obsolet

Als Begründung für die Notwendigkeit des Baus der Staustufe Děčín wird in der Dokumentation EVU immer wieder auf die Absichtserklärung der Bundesregierung und Tschechiens aus dem Jahr 2006 verwiesen in dem zumindest indirekt darauf hingewiesen wird, an dem Ziel eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m bzw. 1,50 m herstellen zu wollen, festzuhalten.

Das Schreiben hat jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit, wie die Bundesregierung bestätigt wurde. Überdies äußerte sich das Bundeskanzleramt in einem Brief an den BUND vom 21. Juli 2015 überraschend deutlich: Die deutsch-tschechische Absichtserklärung mit der Aussage, für die deutsche Elbe eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m herzustellen, sei überholt.

 

Elbe-Schifffahrt ist nicht verlässlich planbar und daher nicht konkurrenzfähig

Damit ist unter heutigen Bedingungen auf der Elbe kein wirtschaftlicher Schiffsverkehr mit über das ganze Jahr planbaren Fahrbedingungen zu erreichen. So fahren z. B. Container­trans­por­te auf dem Rhein nach exakten Fahrplänen, das ist auf der Elbe ohne die Quer­subventionierung der staatlichen Häfen undenkbar.

Darüber hinaus sind Fahrrinnentiefen um 1,60 m für eine moderne Binnenschifffahrt in Kon­kur­renz zu Güterbahn und LKW unwirtschaftlich. Auf den europäischen Wasserstraßen gelten ganzjährige, d. h. verlässliche Fahrrinnentiefen von 2,00 bis 2,50 m als Untergrenze für einen wirtschaftlichen Betrieb.

 

Trotz Baumaßnahmen sinken Transporte auf der Elbe

Dies zeigt sich auch anhand der transportierten Tonnagen. Trotz intensiver Unterhaltungs­maßnahmen sinken die Transportmengen von Jahr zu Jahr und steigen lediglich in Jahren mit hohen Niederschlägen wieder etwas an, jedoch ohne das vormalige Niveau wieder zu erreichen.

Der Niedergang der tschechischen Binnenschifffahrt indes ist nicht nur auf schlechte Fahrbedingung der freifließenden deutschen und tschechischen Elbe zurückzuführen, sondern wurde vor allem durch wirt­schaft­liche Veränderungen der industriellen Produktion und des Transportgewerbes (Strukturwandel) innerhalb Tschechiens verursacht.

 

Staustufe Děčín – das trojanische Pferd

In den Planungsunterlagen wird weder für die schiffbaren Strecken innerhalb Tschechiens noch für den deutschen Elbe­ab­schnitt von der Grenze bis Hamburg (genauer bis zum Abzweig des Elbe-Seitenkanals) eine solide Analyse der wirtschaftlichen Ursachen des Niedergangs der Güterschifffahrt aufgemacht. Sollte dieser vor allem auf Veränderungen innerhalb der tschech­ischen Wirtschaft und durch die Konkurrenz der beiden anderen Verkehrsträger hervor­gerufen worden sein, was nach der Faktenlage anzunehmen ist, dann wird der isolierte Bau einer einzelnen Staustufe bei Děčín keine Besserung schaffen.

Es hat allerdings den Anschein, dass der Bau der Staustufe Děčín vor allem deshalb forciert wird, weil diese quasi als trojanisches Pferd dient: als Druckmittel zur weiteren Kanalisierung der Elbe in Tschechien und Deutschland. In den Planungsunterlagen wird ein Bau einer oder zwei weiterer Staustufen abgestritten. Doch sind Planungen dazu nicht vom Tisch, wie Äußerungen informierter Kreise belegen. Auf Grund des möglichen Eintretens derartiger Sachzwänge wäre eine projektübergreifende Strategische Umweltprüfung erforderlich. Das Fehlen dieser Prüfung werten wir als Verstoß gegen die Umweltgesetzgebung der EU.

Die Staustufenplanungen Tschechiens könnten zudem einen weiteren Baustein zum gigan­tischen Projekt des Donau-Oder-Elbekanals bilden. So erstaunlich es sein mag, hält die tschechi­sche Regierung immer noch an dieser Kanal-Verbindung zwischen Donau, Oder und Elbe fest, wofür neben Elbe und Oder auch die March komplett kanalisiert werden müsste.

 

Keine CO2-Reduzierung

Da sich letztendlich durch den Bau der Staustufe die Schifffahrtsbedingungen nicht ver­bessern werden, sind auch die in den Planungsunterlagen gemachten Aussagen einer Verkehrs­verlagerung, zur Energieeinsparung und zur CO2 -Reduzierung nichtig. Im Übrigen sind diese Angaben, die dem Planco-Gutachten 2007 entnommen wurden, mit äußerster Vorsicht zu betrachten. Sie sind aus dem Zusammenhang gerissen, was erklärt, warum zahlreiche Untersuchungen, z. B. auch des deutschen Um­weltbundesamtes zu einem stark abweichenden und für die Binnenschifffahrt nega­tiveren Ergebnisse kommen.

Aufgrund des hohen Ausstoßes von Stickoxide hebt sogar der Umweltbericht des BVWP 2030 hervor, dass „Die Abgasemissionen von Schiffsmotoren [...] ein ähnliches Schadstoffspektrum wie die Abgasemissionen von Fahrzeugen auf der Straße [besitzen]. Gegenüber den Emissionen entlang von Straßen spielen bei Schiffsmotoren allerdings Schwefeldioxidemissionen eine etwas größere Rolle.“ (Umweltbericht zum deutschen Bundesverkehrswegeplan BVWP 2030, S. 11)

 

Keine automatische Verlagerung durch Ausbau der Infrastruktur

Auch in Deutschland hat die Kanalisierung zahlreicher Flüsse und der Ausbau von Kanälen nicht zu einer nennenswerten Verkehrsverlagerung geführt. Betrachtet man den modal split, so geht der Anteil der Binnenschifffahrt an der gesamten Transportmenge stetig zurück, während der Anteil der Güterbahn leicht und der Anteil des LKW trotz Mauteinführung stetig ansteigt.

Der Ausbau von Infrastruktur für die Binnenschifffahrt allein bewirkt also keine Verkehrs­ver­lagerung, dies ist in Deutschland nur allzu deutlich sichtbar.

 

Transportkapazitäten auf der Schiene sind vorhanden

Da in den Unterlagen keine solide Bedarfsprognose und vor allem keine Analyse der Ver­kehrs­bedingungen im Elbekorridor erfolgt ist, werden mangels eigener Daten Gutachten aus Deutschland herangezogen, die angebliche Engpässe beim Eisenbahnverkehr belegen sollen. Diese Gutachten zeigen jedoch deutlich auf, dass es auf lange Sicht dort gar keine Engpässe geben wird und dass im Gegenteil mit der Modernisierung der Strecke Hof-Leipzig erhebliche Trassenkapazitäten zwischen Tschechien und dem Ham­burger Hafen hinzukommen.

 

Eine ökonomische Rechtfertigung für die ökologische Verschlechterung der Flusslandschaft liegt nicht vor.

Insgesamt sind somit den Planungsunterlagen keine Gründe zu entnehmen, die einen derart massiven Eingriff in die Natur und Ökologie der Elbe, entsprechend den gesetzlichen Vor­gaben rechtfertigen würden. Auch für die mit der Planung verbundene Anlage zur Stromer­zeu­gung aus Wasserkraft wurden keine Alternativen geprüft und eine Bedarfsanalyse erstellt. Hier wäre eine naheliegende Alternative Strom mittels Windkraft zu erzeugen.

Durch den Bau der Staustufe mit Wasserkraftanlage würde es hingegen zu massiven Verschlechterungen der ökologischen Situation an der Elbe kommen. Es würde die in der WRRL der EU dringend geforderte biologische Durchlässigkeit für in der FFH - Richtlinie streng geschützten prioritären Wanderfischarten wie z.B. Lachs, Meerforelle und Aal unterbrochen. Zu berücksichtigen ist dabei auch der Atlantische Stör, für den gerade ein Wiedereinbürgerungsprogramm läuft. So wurden die zu erwartenden Auf- und Abstiegs­verluste bei den streng geschützten Fischarten in den Planungsunterlagen nicht bilanziert.

Bislang gibt es keine zufriedenstellenden Lösungen, mit denen verhindert werden kann, dass flussabwärts wandernde Fische in Turbinen getötet werden. Die vorgeschlagenen Maß­nah­men sind nicht in der Praxis erprobt und es wurde in den Planungsunterlagen kein Wir­kungs­nachweis erbracht.

Die Auswirkungen der Turbinen und des Stauwehrs haben somit auch auf die Fischfauna der deutschen Elbe massive Auswirkungen.

 

Unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Zeitraum für die Öffentlichkeitsbeteiligung war zu kurz bemessen und behindert eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung. Zudem werden auch in der gegenwärtigen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht alle prüfungsrelevanten Unterlagen der deutschen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und eine Überprüfung der Umweltauswirkungen ist somit nur eingeschränkt möglich. In diesem Zusammenhang sind Verstöße gegen internationales und europäisches Recht in Form der Aarhus-Konvention, der Espoo-Konvention sowie der RL  2011/92/EU festzustellen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist daher neu vorzunehmen.

 

Verstöße gegen europäisches Recht in Form der WRRL

Das Vorhaben verstößt gegen die Bestimmungen der WRRL (RL 200/60/EG). Die Genehmigungsunterlagen erfüllen nicht die Anforderungen einer wasserrechtlichen Überprüfung des Vorhabens nach der WRRL. Des Weiteren werden mehrere Oberflächenwasserkörper nachhaltig negativ beeinflusst, so dass eine Verschlechterung des Zustands nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. i WRRL für diese Oberflächenwasserkörper durch das Vorhaben eintreten wird (Verstoß gegen Verschlechterungsverbot). Zudem wird eine Verbesserung des Zustands nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. ii WRRL durch das Vorhaben verhindert und führt zu einer Gefährdung der Zielerreichung eines guten Zustands zum maßgeblichen Zeitpunkt (Verstoß gegen Verbesserungsgebot). Neben den Oberflächengewässern ist weiterhin von einer negativen Beeinflussung von Grundwasserköpern auszugehen. Hierdurch liegt auch ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot für Grundwasserkörper nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Ziff. i und ii WRRL vor. Das Vorhaben kann auch nicht durch Ausnahmen von den Umweltzielen (Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot) der WRRL gerechtfertigt werden, da es nicht im öffentlichen Interesse liegt und Umweltoptionen bestehen, die wesentlich geringe Umweltauswirkungen haben.  Aus diesen Gründen ist das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. 

 

Europäisches Umweltrecht wird falsch ausgelegt

Bei der Planung von Verkehrsprojekten wird vom Auftraggeber eine Wirtschaftlichkeitsstudie erstellt, die den Nutzen des Großprojekts darstellen soll. So auch im Fall des Vorhabens Staustufe Děčín. Auf diesem Ergebnis basieren die Entscheidungen der Parlamente für oder gegen ein Vorhaben.

Gerade die Feststellung der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit hält jedoch eine Schlüsselrolle im Planungs- und Umsetzungsprozess inne, da so das überwiegende öffentliche Interesse nachgewiesen und damit eine Ausnahme von den strengen Zielen der Wasserrahmenrichtlinie und der Flora Fauna Habitat Richtlinie der EU erwirkt wird. Besteht keine Möglichkeit der Prüfung dieser Gutachten – weder durch Behörden oder andere Institutionen noch durch die Öffentlichkeit und deren Vertreter im Planungsprozess – wird verhindert, die Zielerreichung der EG-Richtlinien wirksam einzufordern. Das Europäische Umweltrecht wird somit ausgehebelt.

 

Schlechtere Wasserqualität durch Stau in Tschechien

Die Auswirkungen des Aufstaus werden oberhalb und unterhalb des Stauwehrs zu einer deutlichen Verschlechterung des Wasserkörpers führen. Diese Verschlechterung wird Aus­wirkungen auf die deutsche Elbe haben.

So wird durch die Aufstauung der Charakter der jetzt noch freifließenden Elbe deutlich verändert und in ein nur noch sehr langsam fließendes Stillgewässer umgewandelt. Dadurch wird es zu einer verstärkten Algenentwicklung kommen. Die Algen werden stromabwärts verdriftet und impfen regelrecht das Elbewasser fluss­abwärts. In der Folge trübt sich der Wasserkörper noch mehr ein mit entsprechenden negativen Konsequenzen für die gesamte Freiwasserbiozönose.

Die Errichtung der Staustufe sowie das Anlegen von Buhnen und Uferbefestigungen sowie der Aushub von Bodenmaterial stellt unzweifelhaft eine Verschlechterung des jetzigen Zustands WRRL dar. Negative Auswirkungen sind jedoch auch auf alle biologischen Qualitätskriterien nach WRRL zu erwarten.

 

Der Staustufenbau forciert die Tiefenerosion der deutschen Elbe

Auch die sich im Bereich der Staustufe sich ansammelnden Sedimente tragen bei einer Öffnung des Wehrs zur einer schlagartigen massiven Eintrübung der Elbe flussabwärts bei. Durch die unnatürliche schwallartige Ausschwemmung der Sedimente, verursacht durch den Schwall-Betrieb des Wehres bei Hochwasser, werden Sedimente eher auf den Uferwiesen abgelagert und so dem Flussschlauch entzogen. Dort bilden sie einen lebensfeindlichen, mit Schwermetallen und Schadstoffen angereicherten Schlickauflage. Zum anderen werden sie dort zurückgehalten. Zusammen mit den im Staubereich zurückgehaltenen Sedimenten kommt es deshalb flussabwärts zu einem steigenden, die Tieferosion fördernden Sediment­defizit mit erheblichen Auswirkungen auf die deutsche Elbe und ihren Auen.

Zudem erfolgt dieser Prozess nur wenige Male oder einmalig im Jahr auf einen Schub und nicht wie es natürlich wäre, über das ganze Jahr verteilt. Dieser Sedimentschub führt zu einer massiven unnatürlichen Eintrübung und Belastung des Elbwassers mit schädlichen Auswirkungen auf die Fischfauna und die gesamte aquatische Biozönose.

 

Unzureichende grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung

Die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung war unzureichend. Im vorliegenden Fall wurde eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen von einem Monat bzw. 30 Tagen gesetzt. Hinzu kam, dass nicht alle relevanten Unterlagen in deutsche Sprache übersetzt wurden. Dies kommt einer Vereitelung der Öffentlichkeitsbeteiligung gleich, was einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt, das es nicht möglich war, innerhalb dieser kurzen Zeit vollständige Einwendungen zu erheben.
In der Aarhus-Konvention, welche sowohl von der Europäischen Union, als auch von deren Mitgliedstaaten (so auch Deutschland und Tschechien) ratifiziert wurde, ist unter anderem geregelt, dass die Vertragsparteien das Recht auf eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren zu gewährleisten haben.
Voraussetzung für eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung ist es, dass der betroffenen Öffentlichkeit prüffähige Unterlagen in verständlicher Sprache zugänglich gemacht werden. Dem wurde nicht nachgekommen.
Welche Umwelteinwirkungen insgesamt von dem Gesamtprojekt ausgehen, wird in den ausgelegten Unterlagen nicht oder zumindest nicht in prüffähiger Form dargestellt.

 

A  Einleitung

Stellungnahmen des BUND und des BUND Sachsen zum Vorhaben Staustufe Děčín

Zu den Begrifflichkeiten:

Die „Dokumentation der Einflüsse des Vorhabens auf die Umwelt gemäß § 8 Gesetz Nr. 100/2001 Slg. Staustufe Děčín“ wird im folgenden „Dokumentation EVU“ genannt. Die „Studie zur Reduzierung der Transportunfallhäufigkeit und Einsparungen aus der Verlegung von einem Teil des Gütertransports auf die Wasserstraße bei Ausführung der Staustufe Děčín“ (Anlage SP12) wird im folgenden „Studie zu den Einsparungen“ genannt. Ist keine Differenzierung zwischen den Dokumenten notwendig wird im Folgenden der Begriff „Planungen“ oder „Staustufenplanungen“ verwendet.

Aufgrund der Vereinfachung betrachten wir die Variante 1b Die Ausführungen in unserer Stellungnahme beziehen sich auf die Variante 1b der Staustufe, da diese laut Unterlagen die favorisierte Variante des Vorhabenträgers darstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen grundsätzlich analog zu der Variante 1 sind (somit die Ausführungen für beide Varianten gelten).

Die BUND-Stellungnahmen vom 23. Februar 2011 und 3. April 2012 zum Vorhaben Staustufe Děčín wird im Folgenden als „Stellungnahme 2011“ oder „Stellungnahme 2012“ bezeichnet. Sie sind Ausgang und Basis dieser hier vorliegenden Stellungnahme des BUND Sachsen im Jahr 2016 und behalten weiterhin Gültigkeit.

 

B   Öffentlichkeitsbeteiligung

Unzureichende grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung

In der Aarhus-Konvention, welche sowohl von der Europäischen Union, als auch von deren Mitgliedstaaten (so auch Deutschland und Tschechien) ratifiziert wurde, ist unter anderem geregelt, dass die Vertragsparteien das Recht auf eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren zu gewährleisten haben.

Auf Grundlage der Aarhus-Konvention hat die Europäische Union die Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit und u.a. die Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung (nunmehr geändert durch die Richtlinie 2014/52/EU) bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten erlassen. Durch diese Richtlinien soll eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen von Projekten mit Umweltauswirkungen sichergestellt werden. Der betroffenen Öffentlichkeit soll es ermöglicht werden, Meinungen und Bedenken zu äußern, die für die Entscheidung von Belang sein können und es so ermöglichen, dass die Entscheidungsträger diese Meinungen und Bedenken berücksichtigen.

Gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2011/92/EU muss gewährleistet sein, dass die betroffene Öffentlichkeit im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats die Möglichkeit erhält, effektiv an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren für das konkrete Projekt teilzunehmen.

Voraussetzung für eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung ist es, dass der betroffenen Öffentlichkeit prüffähige Unterlagen in verständlicher Sprache zugänglich gemacht werden. Dies erfordert im Rahmen von grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren eine Übersetzung der relevanten Unterlagen in die Sprache des jeweils betroffenen Mitgliedstaates. Andernfalls wird die betroffene Öffentlichkeit gerade nicht in die Lage versetzt, die von dem Vorhaben ausgehenden Umweltauswirkungen abzuschätzen und diesbezüglich Bedenken zu äußern.

Diesen Anforderungen genügt die aktuell durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung nach Auffassung des BUND Sachsen jedenfalls nicht.

Die im Rahmen der grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegten und in deutsche Sprache übersetzten Unterlagen sind keinesfalls ausreichend, um die Auswirkungen des Vorhabens auf die Gemeinden und die Bevölkerung der angrenzenden Nachbargemeinden in Deutschland erfassen und abschätzen zu können.

Die vom Vorhaben betroffene Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf Übersetzung von Unterlagen, die konkrete und prüffähige Aussagen zu den möglichen Auswirkungen des Vorhabens enthalten. Nur so kann eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit in den Nachbarstaaten durchgeführt werden.

Die Übersetzung der Unterlagen liegt im Verantwortungsbereich der Ursprungspartei (Verursacherprinzip). Dies ergibt sich aus  Art. 2 Abs. 6 der Espoo-Konvention, wonach der Staat, in dessen Hoheitsgebiet die betroffene Genehmigung erteilt werden soll, der Öffentlichkeit in voraussichtlich betroffenen Nachbarstaaten Gelegenheit geben muss, an den relevanten Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung des geplanten Projekts mitzuwirken und sicherstellen muss, dass die Öffentlichkeit der betroffenen Nachbarstaaten gleichwertige Möglichkeiten hierzu erhält wie die Öffentlichkeit im eigenen Staat (Gleichwertigkeits- bzw. Entsprechungsgebot).

Im Rahmen der erneuten Beteiligung zum Vorhaben ist zwar die Umweltverträglichkeitsprüfung (Dokumentation der Einflüsse des Vorhabens auf die Umwelt gemäß § 8 Gesetz Nr. 100/2001 Slg. Staustufe Děčín – im Folgenden genannt „Dokumentation“) in deutscher Sprache verfasst worden, allerdings sind nicht alle wesentliche Studien, Analysen und Gutachten, die die Grundlage dieser Umweltverträglichkeitsprüfung darstellen, in deutscher Sprache verfasst und können so durch die betroffene Öffentlichkeit nicht überprüft werden. Dementsprechend ist auch die Überprüfung der vom Vorhaben ausgehenden Umweltauswirkungen nicht vollumfänglich möglich.

Welche Umwelteinwirkungen insgesamt von dem Gesamtprojekt ausgehen, wird in den ausgelegten Unterlagen nicht oder zumindest nicht in prüffähiger Form dargestellt.

 

Frist zur Abgabe von Stellungnahmen

Gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92/EU ist der betroffenen Öffentlichkeit eine angemessene Frist für die Abgabe von Stellungnahmen einzuräumen. Damit dem Entsprechungsgebot des Art. 2 Abs. 6 der Espoo-Konvention genüge getan wird, ist bei der Fristbestimmung auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang übersetzte Unterlagen vorliegen. Die Angemessenheit der Frist richtet sich grundsätzlich nach Art und Komplexität des geplanten Vorhabens.

Im vorliegenden Fall wurde eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen von einem Monat bzw. 30 Tagen gesetzt. Angesichts der Tatsache, dass nicht alle relevanten Unterlagen in deutsche Sprache übersetzt wurden, kommt es einer Vereitelung der Öffentlichkeitsbeteiligung gleich, dass lediglich eine Frist für die Abgabe von Stellungnahmen von lediglich 1 Monaten gesetzt wurde. Auch dies stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Es ist nicht möglich, innerhalb dieser kurzen Zeit umfangreiche und substantiierte Einwendungen zu erheben. Zum einen müssten zunächst relevante und vom Vorhabenträger vorgelegte Gutachten, Analysen und Studien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies ist bislang nur unzureichend der Fall. Sofern Unterlagen vorgelegt wurden, wurden diese nicht vollständig in die deutsche Sprache übersetzt, so dass die betroffene Öffentlichkeit vor Abgabe der Stellungnahmen eigentlich gezwungen gewesen wäre, selbst eine Übersetzung der Unterlagen in Auftrag zu geben. Selbst wenn der betroffenen Öffentlichkeit dann übersetzte, zur Beurteilung der Umweltauswirkungen maßgebliche Unterlagen vorliegen würden, wäre es für die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens mit großer Wahrscheinlichkeit erforderlich, eigene Sachverständige mit der Überprüfung dieser Analysen, Gutachten und Studien zu beauftragen. Die vorgegebene Frist von 30 Tagen reicht hierfür bei Weitem nicht aus.

Dass die gesetzte Frist unter diesen Bedingungen vollkommen unangemessen ist, liegt auf der Hand. Wir fordern daher, alle relevanten Unterlagen in die deutsche Sprache zu übersetzen und eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit in Tschechien und Deutschland vorzunehmen.

 

C  Grundsätzliche Anmerkungen zu dem Vorhaben und
     weitergehende Planungen

Die wesentliche Begründung für das Ausbauvorhaben Staustufe Děčín ist das Ziel, die Schifffahrtsbedingungen von der Staatsgrenze Tschechiens mit der BDR bis Boletice zu verbessern – „im Einklang mit den Bedingungen an den sich auf deutschen Gebiet anschließenden Elbe-Abschnitt bis Magdeburg. Auf diese Weise wird eine dauerhafte Verbindung des Hamburger Hafens mit der ersten Stadt auf tschechischem Gebiet gewährleistet.“ (Dokumentation EVU, Seite 55).

Nach der vorliegenden Fakten- und Datenlage ist nicht davon auszugehen, dass die Annahme eintreffen wird, dass mit dem Bau der Staustufe sich die Verhältnisse der tschechischen Schifffahrt verbessern werden:

1. weil sich die Fahrbedingungen auf der deutschen Elbe nicht verbessern werden, da hier ein Staustufenbau oder irgendein anderer massiver Ausbau politisch und volkswirtschaftlich ausgeschlossen wird. Die lang andauern­den Niedrigwasserzeiten lassen eine gegenüber Bahn und LKW konkurrenzfähige Schifffahrt nicht zu,

2. weil die Krise der tschechischen Schifffahrt nicht nur auf den Ausbauzustand der Elbe zurückzuführen ist, sondern auf den Zusammenbruch des tschechischen innerstaatlichen Transports per Schiff Mitte der 90er Jahre.

Bei den Planungen wird keine Analyse der realen Bedingungen der Fahrwasserverhältnisse der deutschen Elbe vorgelegt, sondern nach wie vor davon ausgegangen, dass diese ausreichend wären und nur im freifließenden tschechischen Teil der Elbe bis zur deutsch-tschechischen Grenze unzureichend.

Es gibt keine Analyse der Ist-Situation und der Verkehrsentwicklung im Elbekorridor sowie der Quell- und Zielorte der Güter. Zeitgleich wurden und werden mehrere Autobahnen und Bahnstrecken zwischen Deutschland und Tschechien neu bzw. ausgebaut. Vor allem bemüht sich auch der Hamburger Hafen, seine Hafenbahn und seine Bahn-Hinterland­anbindungen deutlich zu verbessern. Außerdem wurde keine, wie von der EU-Gesetzgebung verlangt, echte Alternativenprüfung, die alternative Verkehrsträger wie Bahn und LKW einbezieht, durchgeführt.

Die Analyse der Güterschifffahrt auf der Elbe, sowie die Auswertung ihrer Entwicklung in den letzten 20 Jahren zeigt, dass eine Verlagerung der Transporte auf das Schiff nicht zu erwar­ten ist. Deshalb ist der Bau der Staustufe eine Fehlinvestition ohne die erhoffte verkehrliche Wirkung, allerdings verbunden mit einem massiven Eingriff in Natur und Landschaft. Da kein überwiegendes öffentliches Interesse nachgewiesen werden kann, ist das Vorhaben Stau­stufe Děčín ein Verstoß gegen die EG-FFH- und EG-Wasserrahmenrichtlinie.

Auch die neu vorgelegte Dokumentation EVU räumt die prinzipiellen Bedenken, die schon in der Stellungnahme 2011 und 2012 dargelegt wurden, nicht aus.

Bei den Angaben zum Güterverkehr in Deutschland werden Angaben deutscher Gutachten, wie z.B. Planco (2007) oder BVU & Intraplan (2010) aus dem Zusammenhang gerissen oder falsch zitiert. Aus unserer Sicht belegen die Gutachten eindeutig, dass es derzeit und auf lange Sicht keine Kapazitätsengpässe auf der Schiene zwischen Tschechien und Hamburg gibt.

 

Politische Rahmenbedingungen in Bezug auf die Elbe in Deutschland

Die politischen Rahmenbedingungen in Bezug auf die Elbe als Wasserstraße haben sich in Deutschland grundsätzlich weiterentwickelt. Auf diese Entwicklung wird in der Dokumentation EVU nicht eingegangen und nicht berücksichtigt.

 

Priorisierung der bundesdeutschen Wasserstraßen und die Auswirkungen auf die Elbe

Auf Grund der hohen Verschuldung des Staates muss in Deutschland gespart werden. Davon sind auch die Wasserstraßen betroffen. Im Januar 2011 wurde der erste Bericht des Bundesverkehrsministeriums zur Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung veröffentlicht. Ein zentraler Baustein dieser Reform ist die Kategorisierung bzw. Priorisierung der Bundeswasserstraßen (nicht zu verwechseln mit der Klassifizierung). Die wichtigen Wasserstraßen mit einer hohen Bedeutung für den Verkehr sollten identifiziert werden. Die Elbe landete aufgrund ihres geringen Güteraufkommens auf den hinteren Rängen.

Inzwischen wurde die Elbe im aktuellen Entwurf des Bundesverkehrswegeplans in die Kategorie C eingestuft. Wasserstraßen in dieser Kategorie werden nicht weiter ausgebaut, sondern nur noch in ihrem Bestand erhalten. Somit steht nicht zu erwarten, dass weitere Staustufen an der Elbe in Deutschland gebaut werden.

 

Gesamtkonzept für die Elbe

Im Rahmen der Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsbehörden und der Priorisierung der Wasserstraße in Deutschland wird derzeit von Bund und Ländern ein Gesamtkonzept für die Elbe entwickelt, in dem die Nutzung der Elbe als Wasserstraße überprüft wird. „Zentrales Thema ist die umweltverträgliche verkehrliche Nutzung sowie die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der Erhaltung des wertvollen Naturraums in Einklang zu bringen“, wird im Eckpunktepapier von der Bundesregierung und den Landesregierungen formuliert[1].

In diesem Zusammenhang wurde das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung am „Runden Tisch Elbe“, eine Fahrtiefe von 1,60 m an 345 Tagen im Jahr herzustellen, ad acta gelegt. Da dieses Ziel im Schnitt der Jahre 2005-2014 um bis zu einem halben Meter unterschritten wurde, wie in der „Ist-Analyse“ der Bundesregierung dargelegt, muss es nach unten korrigiert werden. Diese substantielle Änderung der Ausgangslage und ihre einschränkende Auswirkung auf den Gütertransport per Schiff fordert der BUND Sachsen in den Planungsunterlagen zu berücksichtigen.

 

Die Absichtserklärung zur Elbe zwischen Deutschland und Tschechien

Als Begründung für die Notwendigkeit des Baus der Staustufe Děčín wird in der Dokumentation EVU immer wieder auf die Absichtserklärung der Bundesregierung und Tschechiens aus dem Jahr 2006 und ein Schreiben von Angela Merkel an Premier Necas verwiesen in dem zumindest indirekt darauf hingewiesen wird, an dem Ziel eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m bzw. 1,50 m herstellen zu wollen, festzuhalten (u.a. Seite 55).

Jedoch

Die aktuellen Planungen zur Staustufe Děčín basieren auf veralteten Aussagen und überholten und überhöhten Zieltiefen für die Fahrrinnentiefen der deutschen Elbe. Das Ziel des Vorhabens kann daher nicht erreicht werden. Die umweltschädlichen Auswirkungen sind daher nicht hinnehmbar und eine Ausnahmegenehmigung nach WRRL nicht erteilt werden.

 

Sachzwänge zur Flusskanalisierung – Weitere Planungen

Neben einer oder zwei durch den Bau der Staustufe Děčín notwendigen weiteren Staustufen hält die tschechische Regierung immer noch an dem Donau-Oder-Elbe-Kanalprojekt fest. Bei dieser Kanalverbindung zwischen den Flüssen Oder und Elbe müssten Höhenunterschiede bis zu 250 Meter überbrückt werden, neue Kanäle und sogar schiffbare Tunnel gebaut werden. Mit der Planung dieser Kanalverbindung für moderne und zeitgemäße Schiffsgrößen von 1.500 m to und darüber entstünden Sachzwänge, die Niedrigwasserflüsse Oder, Elbe und March durchgängig zu kanalisieren. In der Folge wären die drei noch relativ naturnahen Flusslandschaften komplett zerstört.

Wer jetzt den Kopf schüttelt und meint, dieser Größenwahnsinn entstamme aus dem vorletzten Jahrhundert und keine halbwegs vernünftige Regierung würde dies umsetzen, dem sei gesagt, dass laut Aussage des tschechischen Vizeverkehrs­minister Ivo Thoman „dieses Projekt nach wie vor real sei und die Möglichkeit der Umsetzung erhalten bleiben müsse“. Daher versucht Tschechien weiterhin die Flächen für die Trasse freizuhalten (siehe Schifffahrt und Technik, 3/2011, Seite 21). Insbesondere der tschechische Staatspräsident Milos Zeman sucht Partner für dieses Projekt, und stößt nicht mal auf Ablehnung![2] An der Umsetzung des Donau-Oder-Elbe-Kanals wird somit festgehalten und mit Teilprojekten, die anders keinen Sinn ergeben, weiter vorangetrieben. Die Staustufenplanungen bei Děčín und weiter oberhalb der Elbe bei Přelouč sind auch in diesem Kontext zu sehen. 

 

D  Ausführliche Stellungnahme zum Vorhaben Staustufe Děčín und zur Begründung des Vorhabenträgers

Ziele des Vorhabens die Schifffahrt betreffend

Die wesentliche Begründung für das Ausbauvorhaben Staustufe Děčín ist das Ziel, die Schifffahrtsbedingungen von der Staatsgrenze Tschechiens mit der BDR am Flusskilometer 726,6 bis zum Stauungsende am Flusskilometer 746,2 bei Boletice zu verbessern – „im Einklang mit den Bedingungen an den sich auf deutschen Gebiet anschließenden Elbe-Abschnitt bis Magdeburg. Auf diese Weise wird eine dauerhafte Verbindung des Hamburger Hafens mit der ersten Stadt auf tschechischem Gebiet gewährleistet.“ (Dokumentation EVU, Seite 55). Aber auch die Preisregulierung des Transportmarktes soll durch den Bau der Staustufe angestrebt werden (Dokumentation EVU).

Folgende Fahrinnentiefen sollen erreicht werden:

In dem Zusammenhang wird auf die Absichtserklärung zwischen Tschechien und Deutschland aus dem Jahr 2006 verwiesen und dem „Versprechen“ die „Fahrrinnen-Wassertiefe auf 1,6 m bzw. 1,5 m bei GlW89 zu verbessern“ (Dokumentation EVU, Seite 55). Des Weiteren habe Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juni 2011 eindeutig mitgeteilt, dass diese Ziele eingehalten werden. Zudem habe sich „Sachsen-Anhalt analog in Bezug auf die Fahrrinnen-Wassertiefe geäußert“.

 

 

1. Darstellung der Schifffahrtsbedingungen an der frei fließenden Elbe

Fahrbedingungen und Ausbauzustand der Elbe in Deutschland

Seine wesentliche Begründung erfährt das Ausbauvorhaben Staustufe Děčín dadurch, dass mit ihm die Fahrwasser­bedingungen des tschechischen Elbeabschnitts in Einklang mit den Verhältnissen der deutschen Elbe gebracht sollen.

Weiter wird ausgeführt: „Auf diese Weise wird eine dauerhafte Verbindung des Hamburger Hafens mit der ersten Stadt auf tschechischem Gebiet gewährleistet.“ (Dokumentation EVU, Seite 55).

Da Tschechien durch den Bau der Staustufe Děčín eine ganzjährige, verlässliche Verbindung auf dem Wasserweg bis nach Hamburg anstrebt, ist somit nicht allein der Neubau des Wehrs bei Děčín, sondern es sind vor allem die Fahrbedingungen auf dem deutschen Abschnitt der Elbe von ausschlaggebender Bedeutung. Diese sollen im Folgenden betrachtet und analysiert werden.

Auch in der aktuellen Dokumentation EVU, wurde weder die Umsetzbarkeit dieser Zielstellung belegt. Noch wurden die Analyse von offiziellen Daten- und Fakten, die in den BUND Stellungnahmen von 2011 und 2012 aufbereitet wurden, widerlegt, auf die hier nochmals verwiesen wird. Die offiziellen Daten und Fakten lassen nur den Schluss zu, dass durch den Bau der Staustufe Děčín nur eine Verbesserung der Schiffbarkeit im Bauabschnitt erreicht werden würde, nicht jedoch oberhalb und schon gar nicht unterhalb der Staustufe bis nach Hamburg bzw. Magde­burg.

Die reale Schiffbarkeit der 550 Kilometer langen, nicht gestauten deutschen Elbe wird der Staustufenplanung in Tschechien nicht zu Grunde gelegt.

In der Dokumentation EVU wird angemerkt, dass die Schiffbarkeit der deutschen Elbe sich in den letzten Jahren verbessert habe. Doch wird dazu kein Beleg vorgelegt, der diese Behauptung validieren könnte.

Die Schiffbarkeit der ungestauten Elbe ist von den Abflüssen abhängig. Die schwanken nicht nur im Verlauf eines Jahres, sondern auch zwischen den einzelnen Jahren. Es gibt keine Untersuchung, welche Veränderungen der Querschnitte die Baumaßnahmen an der deutschen Elbe erreicht haben. Mit anderen Worten: Eine Verbesserung wäre dann festzustellen, wenn bei gleichem Abfluss eine tiefere Fahrrinnentiefe vorläge. Dabei muss die gesamte Elbe betrachtet werden. Denn durch vertiefende Maßnahmen an einer Stelle verursachen durchaus Anlandungen – und damit Hindernisse für die Schifffahrt – an anderer Stelle. Doch diese Untersuchung wurde nicht vorgenommen.

Das eine Untersuchung der realen Fahrbedingungen der deutschen Elbe notwendig ist, wird aus der Abbildung 1 deutlich. Hier sind die Tage, an denen an der Elbestrecke 4 (eines 90 Kilometer langen Abschnitts zwischen Grenze und Magdeburg), die von der Bundesregierung ange­strebte Fahrrinnentiefe von 1,60 m nicht erreicht wurde, dargestellt. Weder vor dem Hoch­wasser 2002 noch danach, war eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m durchgängig vorhanden. Selbst wenn – wie die Bundesregierung sagt – nun die Verhältnisse wiederhergestellt werden sollen, die vor dem Hochwasser 2002 an der Elbe vorzufinden waren, bedeutet das nicht, das eine reale Fahrrinne von 1,60 m gewährleistet werden kann.

Abbildung 2 und 3 zeigen, wie unterschiedlich sich die Schiffbarkeit die letzten Jahre über darstellte.

 


Abb. 1: Darstellung der Fehltage im Elbeabschnitt 4, an denen eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m nicht erreicht wurde. Eigene Darstellung – Datengrundlage: WSD Ost, www.elwis.de, Antwort der Bundesregierung vom April 2009, August 2011, November 2012 und Januar 2016.
Es handelt sich um den 90 Kilometer langen Elbeabschnitt zwischen Elstermündung und Saalemündung. Lediglich im Jahr 2010 wurde das Ziel 1,60 m nur an 20 Tagen unterschritten. 2010 war aber ein ausge­sprochenes Hochwasserjahr und damit untypisch für die Hydrologie der
Elbe.

 

Schwankende Abflüsse und Wassertiefen sowie monatelange Niedrigwasserphasen sind typisch für die ungestaute Elbe in Deutschland.

In der Dokumentation EVU wird wiederholt darauf hingewiesen, dass „eine konkurrenzfähige sowie Schifffahrt ohne Verluste auf der Elbe nur betrieben werden, wenn die Grundvoraussetzung – die Zuverlässigkeit der Wasserstraße erfüllt ist“ (Dokumentation EVU Seite 38).

Würde der tschechische Vorhabenträger diese Erkenntnis ernst nehmen, müsste er die Planungen für das Großprojekt sofort einstellen, denn die Fahrbedingungen auf der deutschen Elbe sind ähnlich unzuverlässig und nicht planbar, wie die auf dem letzten tschechischen ungestauten Abschnitt. Die Schifffahrtsverhältnisse auf der deutschen Elbe sind für die moderne Logistik völlig inakzeptabel. Daher kehrt die Güterschifffahrt der Elbe den Rücken, so das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) 2007.

Typisch für die Elbe sind stark variierende Abflüsse, die eine konstante Fahrrinnentiefe nicht erlauben und die nicht vorhersagbar sind – siehe Abb. 2. Dies verhindert eine verlässliche, planbare und damit rentable Güterschifffahrt. In den letzten Jahren verstärkte sich diese Varianz.

 Abb. 2: Fahrrinnentiefen am Elbe-Pegel Dresden der Jahre 2008, 2009 und 2010. Eigene Darstellung – Datengrundlage: http://www.wetteronline.de/cgi-bin/pegbild?WOCHE=0&STD=120&FLUSS=Elbe&ORT=10077&LANG=de

Das typische Abflussverhalten der Elbe variiert stark über die einzelnen Jahre sowie zwischen den Jahreszeiten. Eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m wird über teils monatelange Zeiträume nicht erreicht. Eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m liegt nur selten vor.

 

Aufgrund der warmen und schneearmen Winter der letzten Jahre fielen die sonst üblichen Frühjahrshochwasser aus und die Niedrigwasserphasen begannen teilweise schon im Februar oder April wie im Jahr 2014 oder Juni wie im Jahr 2015 – siehe Abbildung 3.

  Abb. 3: Eigene Darstellung, Datengrundlage: www.elwis.de

 

In den sich seit 1990 häufenden Niedrigwasserjahren sind auf der Elbe keine kontinuierlichen Transporte möglich oder nur unter erheblich eingeschränkten Bedingungen. Extreme trockene Jahre wie 1999, 2000, 2003, 2004, 2008, 2014 und 2015 kommen immer wieder vor, und sind nicht vorhersagbar. In den genannten Jahren führte die deutsche Elbe zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Magdeburg im Schnitt in sechs Monaten Niedrigwasser mit Tiefen teils weit unter 1,60 m[3]. Eine „verlässliche Schiffbarkeit“ auf der deutschen Elbe wäre auch nach dem Bau der Staustufe bei Děčín nicht gegeben. Durch den Bau würden sich die Tage, an denen beispielsweise eine Fahrtiefe von 1,60 m erreicht wird, nicht erhöhen, erklärte Staatssekretär Enak Ferlemann aus dem Bundesverkehrsministerium am 1.7.2015[4].

Während der oft monatelangen Trockenphasen ist die freifließende Elbe auf ihrer gesamten Länge ein Niedrigwasserfluss. Die Güterschifffahrt wird dadurch stark einschränkt oder gar ganz zum Erliegen gebracht – siehe auch Abbildung 4 zu den real gewährleisteten Fahrrinnentiefen.

In den Jahren 2014 und 2015 war die Schifffahrt auf der deutschen Elbe massiv eingeschränkt aufgrund langanhaltendem Niedrigwasser. Klimastudien gehen davon aus, dass in Zukunft mit noch trockeneren Sommern zu rechnen ist. In der Dokumentation EVU wird dies als weitere positive Auswirkung der Staustufe auf die Schifffahrt gewertet (Seite 189). Dies zeigt, dass die Staustufe Děčín nur sinnvoll ist, wenn auch die 550 Kilometer der deutschen Elbe gestaut werden würden.

Daraus ergibt sich, dass aufgrund der wechselhaften Wasserführung der Elbe auch zukünftig ein ganzjähriger, zuverlässig planbarer Schiffsverkehr mit einer konstanten Mindestfahrrinnentiefe von 1,60 bzw.1,50 m nicht möglich sein wird.

 

Aussagen der deutschen Bundesregierung zum Ausbau- und Unterhaltungszustand der deutschen Elbe

Gesamtkonzept für die Elbe

Im Rahmen der Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsbehörden und der Priorisierung der Wasserstraße in Deutschland wird derzeit von Bund und Ländern ein Gesamtkonzept für die Elbe entwickelt, in dem die Nutzung der Elbe als Wasserstraße überprüft wird. „Zentrales Thema ist die umweltverträgliche verkehrliche Nutzung sowie die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der Erhaltung des wertvollen Naturraums in Einklang zu bringen“, wird im Eckpunktepapier von der Bundesregierung und den Landesregierungen formuliert[5].

In diesem Zusammenhang wurde das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung am „Runden Tisch Elbe“, eine Fahrtiefe von 1,60 m an 345 Tagen im Jahr herzustellen, ad acta gelegt. Da dieses Ziel im Schnitt der Jahre 2005 – 2014 um bis zu einem halben Meter unterschritten wurde wie in der „Ist-Analyse“ der Bundesregierung dargelegt, muss es nach unten korrigiert werden – siehe Abbildung 4. Diese substantielle Änderung der Ausgangslage und ihre einschränkende Auswirkung auf den Gütertransport per Schiff wird in den Planungsunterlagen nicht berücksichtigt.

Abb. 4   Fahrrinnentiefen, die an 345 Tagen im Jahr real auf den deutschen Elbestrecken gewährleistet werden können.

Quelle: Bundesregierung, 2014. Gesamtkonzept Elbe, AP Verkehrskonzept Elbe [6]

Farbige Säulen:   Durchschnittliche Anzahl der Tage, an denen die offiziell angestrebte Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter an den 9 Elbestrecken der deutschen Binnenelbe in den Jahren 1997-2012 nicht erreicht wurde. Eigene Darstellung.

 

Insgesamt wurden in der „Ist-Analyse“ der Bundesregierung allein zwischen der deutsch-tschechischer Grenze und Magdeburg ca. 80 Engstellen ausgewiesen, die trotz intensiver Bautätigkeit entlang der Elbe nicht beseitigt werden konnten[7]. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass es mitnichten nur wenige kritische Stellen sind, die es zu beseitigen gilt, wie es in der Vergangenheit immer wieder dargestellt wurde.

 

Die Absichtserklärung zur Elbe zwischen Deutschland und Tschechien

Als Begründung für die Notwendigkeit des Baus der Staustufe Děčín wird in der Dokumentation EVU immer wieder auf die Absichtserklärung der Bundesregierung und Tschechiens aus dem Jahr 2006 und ein Schreiben von Angela Merkel an Premier Necas verwiesen in dem zumindest indirekt darauf hingewiesen wird, an dem Ziel eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m bzw. 1,50 m herstellen zu wollen, festzuhalten (u.a. Seite 55).

Jedoch

Die aktuellen Planungen zur Staustufe Děčín basieren auf veralteten Aussagen und überholten und überhöhten Zieltiefen für die Fahrrinnentiefen der deutschen Elbe. Das Ziel des Vorhabens kann daher nicht erreicht werden. Die umweltschädlichen Auswirkungen sind daher nicht hinnehmbar und eine Ausnahmegenehmigung nach WRRL nicht erteilt werden. 

 

Dazu noch frühere Aussagen der Bundesregierung (wie schon in den BUND Stellungnahmen von 2011 und 2012 dargestellt):

Auf parlamentarische Anfragen im deutschen Bundestag nach den zu erreichenden Fahrwassertiefen auf der deutschen Elbe antwortet die Bundesregierung immer wieder, dass das Fahrrinnenziel von 1,60 m bzw. 1,50 m an 345 Tagen/Jahr nicht erreicht wurde bzw. nicht zu erreichen sei.

In diesem Zusammenhang ist die Antwort des parlamenta­ri­schen Staatssekretärs Enak Ferlemann vom Februar 2010 auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Burkhard Lischka von Bedeutung: „Eine garantierte Mindesttiefe gibt es für die freifließende Elbe nicht“! (Siehe Anlage 2 Lischka 17-2-10, BUND Stellungnahme von 2012). Bestätigt wird diese Aussage in einer Antwort der Bundesregierung vom 1. August 2011 (siehe Anlage 5 Bulling-Schröter 1-8-11, BUND Stellungnahme von 2012).

Differenziert wird der Bauzustand der Elbe in einer Antwort des Staatsekretärs auf eine Anfrage vom 21. Februar 2011. Darin werden Defizite eingeräumt. Obwohl es politisches Ziel war, bis 2010 eine Fahrrinnentiefe von 1,60/150 m herzustellen, wurde auf mehreren Elbe-Abschnitten mit einer Länge von insgesamt 260 Flusskilometern dieses Ziel nicht erreicht (siehe Anlage 3 Steiner 21-2-11, BUND Stellungnahme von 2012). Diese Aussagen stimmen mit den in der Stellungnahme von 2011 dargestellten Abfluss- und Schifffahrtsverhältnissen überein.

Die realen, von der WSD Ost veröffentlichten Fahrrinnentiefen der letzten 15 Jahre belegen, dass nur ausnahmsweise in extrem nassen Jahren eine ganzjährige Befahrbarkeit erreicht wurde. In durchschnittlichen Jahren liegt die Elbe über vier Monate unter der Zielmarke von 1,60 bzw. 1,50 m, in Trockenjahren sogar über 6 Monate. Vor diesem Hintergrund war es von deutscher Seite unverantwortlich, eine derartige Absichtserklärung wie die von 2006 mit Tschechien abzuschließen, wenn darauf die Staustufen-Investition in Höhe von 220 Mio. € seitens unserer tschechischen Nachbarn basiert.

Aufgrund zahlreicher Ankündigungen der Bundesregierung hätte im Jahr 2010 das geplante Tiefenziel von 1,60 m erreicht werden sollen. Allerdings gibt es bis heute im Jahr 2012 keine Aussage der Bundesregierung, dass dieses Ziel nunmehr auch erreicht wurde. Es gibt auch keine konkrete Aussage, welche Baumaßnahmen noch umgesetzt werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.

Allein seit dem Hochwasser von 2002 wurden viele Mio. € in die Wieder­her­stellung und Verlängerung von Buhnen und die Reparatur von Leitwerken gesteckt, was jedoch bislang nicht zu einer nachweislichen Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen führte. Im Gegenteil, seitdem sind die transportierten Mengen weiter gesunken, obwohl seit 2005 im Schnitt bessere Fahrbedingungen vorlagen, als vor dem Hochwasser 2002 – siehe Abb. 5 und 6.

Es bleibt letztlich unklar, ob unabhängig vom Abfluss überhaupt Verbesserungen der Fahr­bedingungen erreicht werden konnten.


Abb. 5: Vergleich der Tage, an denen eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m erreicht wurde, vor dem Hochwasser 2002 und danach. Eigene Darstellung – Datengrundlage Antwort der Bundesregierung vom 17. Februar 2012 (Anlage 2).
Trotz der besseren Befahrbarkeit wurde weniger transportiert.

 

Abb. 6: Transportaufkommen auf der Elbe bei Magdeburg von 1997 bis 2015. Eigene Darstellung – Datengrundlage: WSD Ost, Antwort der Bundesregierung, Januar 2016.

Die Transporte auf der Elbe gehen trotz intensiver baulicher Anstrengungen kontinuierlich zurück.

 

Zweifel der Bundesanstalt für Wasserbau zum Fahrrinnenziel 1,60 m an der deutschen Elbe

In Deutschland scheint es außerdem unter den Fachleuten einen erheblichen Dissens zu geben, welche Fahrrinnentiefe an der Elbe mit wasserbaulichen Regulierungsmaßnahmen überhaupt zu erreichen ist.

Einer im Jahr 2000 erschienen umfangreichen Studie “Über die Veränderungen hydro­lo­gischer und morphologischer Parameter an der Elbe“ der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe (Faulhaber 2000) ist zu entnehmen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt, also vor dem Elbehochwasser von 2002, eine Fahrwassertiefe von 1,60 m unter den Bedingungen des GlW 89* weitestgehend vorhanden war. Dieser Studie zufolge ist eine wesentliche Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse auch durch weitere flussbauliche Maßnahmen nicht zu erreichen, wenn die dafür notwendigen Mindestabflüsse nicht vorhanden sind.

 

Anpassung der Fahrrinnentiefe in Tschechien an die Verhältnisse der deutschen Elbe – Vergleich der Fahrbedingungen

 

Von „Einklang“ kann keine Rede sein

Betont werden muss, dass Tschechien nicht nur plant, eine Tiefe von 1,60 bzw. 1,50 m ganzjährig herzustellen, sondern eine Fahrrinnentiefe von 1,90 m an 345 Tagen im Jahr – also eine über 71 cm tiefere Fahrrinne, als die sich anschließende deutsche Elbe derzeit – Abbildung 4. An 180 Tagen im Jahr – also ca. der Hälfte des Jahres – soll die Elbe sogar über eine Fahrrinnentiefe von 2,70 m verfügen – dazu mehr weiter unten.

Begründet werden die im Vergleich zu der deutschen Elbe tieferen 1,90 m mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Flottwasser von 50 cm, welches mit dem felsigen Unter­grund gerechtfertigt wird. Die Morphologie des anschließenden deutschen Elbe-Abschnittes ist aber vergleichbar mit dem in Tschechien. Dies ist der Abb. 7 zu ent­nehmen. Sowohl im böhmischen als auch im sächsischen Abschnitt des Elbsand­steingebirges besteht der Flussgrund der Elbe aus Gestein und Grobkies. Demnach würde nach dem Staustufenbau Děčín der Fahrwasserzustand der Elbe ab der Grenze nach Deutschland deutlich schlechter ausfallen.    

Überdies wird das Bett der Elbe ab Mühlberg (Elbekilometer 120) immer feinkörniger und damit beweglicher – siehe Abb. 7. Nach höheren Abflüssen wird es immer wieder Untiefen geben, die die Schifffahrt behindern, bis die durch die Regelungsfunktion der Flussbauwerke die Fahrrinne wieder frei gespült wird.

 

 

Abb. 7: Kornsummenband der Elbsohle in Deutschland (Deckschicht 0 – 0,1 m unter der Oberfläche) (Quelle: PG Erosionsstrecke Elbe 2009, WSD Ost).

Das Ziel der Staustufenplaner ist die Anpassung der Fahrrinnentiefe in Tschechien an die Verhältnisse der deutschen Elbe. Wie schon in unserer Stellungnahme von 2011 dargelegt, werden diese nicht angepasst, sondern deutlich verbessert – siehe Abb. 8, 9 und 10.

Der BUND Sachsen weist noch einmal deutlich darauf hin, dass in den Staustufen­planungen die Fahrrinnentiefen der deutschen und der tschechischen Elbe nicht analysiert und einander gegenübergestellt werden. Dies wäre jedoch eine Voraussetzung für eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der geplanten Staustufe.

In Deutschland werden seit 1997 die Fahrtiefen für die Güterschifffahrt als Fahrrinnentiefe angegeben (im Internet unter www.elwis.de einsehbar), und nicht mehr als Tauchtiefe umgerechnet. Es ist den Binnenschiffern selbst überlassen, abzuschätzen, wie viel Flott­wasser (Abstand zwischen Schiffsboden und Flussgrund) sie benötigen. Diese extra „Handbreit unter dem Kiel“ variiert je nach Strecke, Fahrtrichtung etc.

In der Tschechischen Republik werden die Fahrtiefen als Tauchtiefen angegeben, also der Abstand der Wasseroberfläche zum Schiffsboden. Dazu gibt es eine gesetzliche Verpflich­tung 50 cm Flottwasser hinzu zu rechnen. Wie in der Dokumentation EVU dargelegt, soll durch den Bau der Staustufe Děčín an 345 Tagen auf einer Breite von 50 m eine Mindesttauchtiefe von 1,40 m hergestellt werden, was einer Fahrrinnentiefe von 1,90 m an 345 Tagen entspricht. Überdies soll an 180 Tagen eine Mindesttauchtiefe von 2,20 m (gleich einer Fahrrinnentiefe von 2,70) erreicht werden. Es ist auf Grund des Abflusses der Elbe und der dortigen morphologischen Verhältnisse nicht zu erwarten, dass diese Ziele auf dem sich anschließenden freifließenden Abschnitt überhaupt zu erreichen sind.

Dies bestätigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeord­neten Steiner vom 20.3.12. Weder 1,90 m an 345 noch 2,70 m an 180 Tagen werden in der sich anschließenden Strecke der deutschen Elbe nur annähernd erreicht, son­dern um etwa der Hälfte der Tage unterschritten. In den letzten 15 Jahren lag eine Fahr­rinnentiefe von 1,90 m pro Jahr durchschnittlich nur an 192 Tagen statt an 345 Tagen vor. Das bedeutet, dass an 173 Tagen im Jahr der Gütertransport per Schiff nur eingeschränkt oder kaum möglich ist – siehe Abb.8.

Eine Tiefe von 2,70 m lag durchschnittlich an nur 91 statt an 180 Tagen pro Jahr vor. An 274 Tagen statt an 185 Tagen wurde im Schnitt dieses Ziel verfehlt – siehe Abb. 5##. An dem gesamten 330 Kilometer langen Verlauf der deutschen Elbe von der Grenze bis Magdeburg herrschen ähnliche Verhältnisse wie auf der Elbestrecke E1, siehe Abb. 4.

Die aktuelle „Ist-Analyse“, die im Rahmen des Prozesses zum Gesamtkonzept Elbe durch Arbeitsgruppen des Bundes und der Länder erstellt wurde, zeigt auf: An 182 Tagen im Jahr wurde an der Elbestrecke von der deutsch-tschechischen Grenze bis Dresden nur 197 cm Fahrrinnentiefe hergestellt[8] - 73 cm weniger als mit dem Staustufenbau bei Děčín in Tschechien hergestellt werden soll.

Im Vergleich mit den Fahrbedingungen an der deutschen Elbe soll mit dem Bau der Staustufe Děčín eine wesentlich tiefere Fahrrinne hergestellt werden. Der tschechische Elbeabschnitt bei Děčín wäre damit erheblich tiefer ausgebaut, als die sich anschließende deutsche Elbe. Der BUND Sachsen lehnt diese unnötige Umweltzerstörung ab.


Abb. 8: Anzahl der Überschreitungstage für die Fahrrinnentiefe von 1,90 m der Jahre 1997-2011 auf der Elb­strecke 1. Eigene Darstellung – Datengrundlage: Antwort der Bundesregierung vom 20. März 2012 – Anlage 4.

Durch den Bau der Staustufe Děčín soll eine Fahrrinnentiefe von 1,90 m an 345 Tagen im Jahr hergestellt werden. Dieses Ziel wird in der anschließenden Strecke der deutschen Elbe bei weitem nicht erreicht. In den letzten 15 Jahren lag durchschnittlich an nur 192 Tagen statt an 345 Tagen pro Jahr diese Tiefe vor. An 173 Tagen statt an 20 wurde im Schnitt dieses Ziel verfehlt.

  

Abb. 9: Durchschnittliche Anzahl der Überschreitungstage der gesamten deutschen Binnenelbe mit einer Fahrrinnentiefe von 1,90 m in den Jahren 1997 - 2011. Eigene Darstellung – Datengrundlage: Antwort der Bundesregierung vom 20. März 2012 – Anlage 4.
Die in Tschechien für 345 Tage angestrebte Fahrrinnentiefe von 1,90 m liegt an der deutschen Elbe im Schnitt nur zur Hälfte des Jahres vor.

 

Abb. 10: Anzahl der Überschreitungstage für die Fahrrinnentiefe von 2,70 m der Jahre 1997 –2011 auf der Elbstrecke 1. Eigene Darstellung – Datengrundlage: Antwort der Bundesregierung vom 20. März 2012 – Anlage 4.

Durch den Bau der Staustufe Děčín soll eine Fahrrinnentiefe von 2,70 m an 180 Tagen im Jahr hergestellt werden. Dieses Ziel wird in der anschließenden Strecke der deutschen Elbe bei weitem nicht erreicht. In den letzten 15 Jahren lag durchschnittlich an nur 91 statt an 180 Tagen pro Jahr diese Tiefe vor. An 274 Tagen statt an 185 Tagen wurde im Schnitt dieses Ziel somit verfehlt.

Nur auf dem staugeregelten Teil bei Děčín würde diese beabsichtigte Tiefe das ganze Jahr über verlässlich vorliegen. Für den deutschen Teil der Elbe ist dies aufgrund der schwanken­den Wasserführung nicht der Fall. Bei der freifließenden Elbe ist es nicht vorhersagbar, wann welche Fahrrinnentiefen vorliegen. Damit ist der Gütertransport nicht planbar und die Elbe als Transportweg nicht verlässlich und somit ungeeignet.

Der Ausbaudruck auf die deutsche freifließende Elbe würde durch den Bau aber enorm erhöht werden, ansonsten würde die Staustufe Děčín eine 220 Mio. € teure Fehlinvestition werden. Diesen Schluss bestätigte der tschechische Wirtschaftsminister Martin Kocourek im MRD-Fernsehen am 1. März 2011 um 19 Uhr im Sachsenspiegel: „Nur auf unserer Seite, das macht keinen Sinn, weil wir mit den Schiffen bis nach Hamburg fahren wollen."

Doch auch der Anschluss an die ausgebaute tschechische Elbe muss noch geschaffen werden. Die Abb. 4 auf Seite 38 der Dokumentation EVU weist drei weitere, die Schifffahrt behin­dernde Stellen zwischen Usti nad Labem und Děčín auf, die nicht durch den Staustufenbau Děčín beseitigt werden würden. Um diese Stellen zu beseitigen, müssten ein bis zwei weitere Staustufen gebaut werden. Damit würden sich die negativen Umweltauswirkungen wie Verschlechterung der Wasserqualität (reduzierter Sauerstoffgehalt und massives Algenwachstum) und Unterbrechung der Durchgängigkeit um das Vielfache verstärken. Doch wird in den Staustufenplanungen immer wieder behauptet, dass die Staustufe Děčín zusammen mit „mildernden“ Maßnahmen die Fahrprobleme der freifließenden tschechischen Elbe lösen würden.

Dass immer noch eine weitere Staustufe oberhalb von Děčín geplant wird, bestätigt ein Zeitungsinterview mit Jiri Aster, Vorsitzender der Kreiswirtschaftskammer Děčín, in der Sächsischen Zeitung vom 27.3.2012. Zitat: „Wir müssen erst beweisen, dass eine natur­freundliche Staustufe möglich ist. Wenn wir die geschafft haben, können wir auch an eine zweite zwischen Usti und Děčín denken“.

Durch den alleinigen Bau der Staustufe Děčín werden somit die Fahrbedingungen nur auf einem sehr kurzen Abschnitt ca. 15 Kilometer langen Abschnitt verbessert. Oberhalb und unterhalb der Ausbaustrecke bleiben sie vorläufig auf dem gleichen Stand. Ohne einen Ausbau der Elbe oberhalb und unterhalb der Staustufe Děčín ist dies jedoch verkehrstechnisch und ökonomisch sinnlos. Hinzu kommt der Umladevorgang der Transporte in Děčín vom Schiff auf die Bahn oder LKW zum Weiter­transport innerhalb Tschechiens. Diese Verteuerung und Verkomplizierung machen den Transport per Schiff auf der Elbe noch uninteressanter.

Der Bau der Staustufe Děčín würde daher auf tschechischem Gebiet den Bau weiterer Staustufen nach sich ziehen, sollte eine Fehlinvestition vermieden werden. Dies würde die negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität (Sauerstoff und Algen) wie auf die Fischpopulation vervielfachen.

Vor dem Hintergrund der Zerstörung eines so großen Streckenabschnittes der tschechischen Elbe mit gravierenden negativen Auswirkungen auf die deutsche Elbe und deren Schutzgebiete müsste eine von der WRRL geforderte Alter­nativen­­prüfung durchgeführt werden und der beabsichtigte weiteren Ausbau mit einbezogen werden.

Daher fordert der BUND Sachsen eine Strategische Umweltprüfung mit einer Variantenprüfung, die für eine größere Streckenführung eines Verkehrsträgers vorgeschrieben ist.

Bislang verstoßen die Planungen zur Staustufe Děčín den Grundsätzen der EU, die keinen scheibchenweisen Ausbau mittels Salamitaktik zulassen.

 

 

Fazit

In den Ausbauunterlagen zur Staustufe Děčín bleiben diese oben beschriebenen Tatsachen jedoch nicht nur komplett unberücksichtigt. Es wird darüber hinaus der Eindruck erweckt, dass nach dem Bau der Staustufe bei Děčín und der Fahrrinnenvertiefung die gesamte Elbe ganzjährig schiffbar wäre und die Tschechische Republik mit dieser einzigen Maßnahme eine ganzjährig funktionierende und wirtschaftlich tragfähige Wasser­straßen­verbindung zu den Nordseehäfen erhielte.

Doch auch nach dem Bau der Staustufe wird die gesamte deutsche Strecke der Mittelelbe bis Geesthacht nur unter großen zeitlichen und fahrwassermäßigen Einschränk­ungen für Güterschiffe befahrbar sein. 

Das Ziel einer ganzjährigen und wirtschaftlichen Schiffbarkeit wäre nur durch die komplette Kanalisierung der frei fließenden deutschen Elbe einschließlich des Baus von 20-30 Staustufen zu erreichen. Ein derartiger Ausbau der deutschen Elbe wird jedoch von einer großen Mehrheit der Bevölkerung, den politischen Parteien und der Bundesregierung abgelehnt.

Somit ist das Ziel des Ausbauvorhabens Staustufe Děčín nicht erreichbar. Der BUND Sachsen lehnt auch deshalb den Eingriff aufgrund seiner schädlichen Einwirkungen ab.

 

 

2. Auslastung und Kapazität der Schiene und Straße im Elbekorridor

 

Eisenbahnverkehr

In der Studie zu den Einsparungen wird eher von einer Verlagerung von LKW auf das Schiff ausgegangen (Studie zu den Einsparungen, Seite 50). Die Verlagerung von der Schiene auf das Schiff tritt eher in den Hintergrund. Jedoch werden in der Dokumentation EVU und der Studie zu den Einsparungen folgende Begründungen vorgetragen, die Einschränkungen bei der Nutzung der Schiene sehen:

 

Begrenzte Kapazitäten der Schiene

In den Stellungnahmen des BUND von 2011 und 2012 sind eine Reihe von Belegen beigebracht worden, dass weder in Tschechien noch in Deutschland fehlende Kapazitäten der Schiene zu beklagen sind. Der aktuelle Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan sowie eine Antwort der Bundesregierung vom 22.2.2016 auf eine Anfrage von MdB Stephan Kühn zur Auslastung dieser Strecke bestätigen dies nochmals.

In ihrer Antwort vom 22.2.2016 auf eine Anfrage des MdB Stephan Kühn sagt die Bundesregierung, dass in der 43. Kalenderwoche im Jahr 2015 im Elbtal (Abschnitt Bad Schandau – Pirna) derzeit ca. 120 Trassen je Richtung belegt seien. D. h. rechnerisch ist demnach die Strecke noch nicht einmal zu 50 Prozent ausgelastet.

Anmerkung: Die reale Streckenkapazität hängt stark vom Betriebsprogramm ab (z. B. Anteil Fernverkehr, insbesondere Differenzgeschwindigkeit zwischen Schienenpersonenfernverkehr und Schienengüterverkehr). Als Faustregel kann man bei einer zweigleisigen Strecke rechnerisch von täglich insgesamt 576 Trassen ausgehen (bei einer Zugfolge von fünf Minuten). Je Richtung stehen täglich also 288 Trassen zur Verfügung.

Die der Dokumentation EVU beigefügte Anlage SP13 (Seite 8) geht für das Jahr 2014 bei 201 Zügen pro Tag bei einer Kapazität der Strecke von 280 Zügen pro Tag von einer Belastung von 72% aus. (Anmerkung: im Allgemeinen wird eine Vollbelastung bei 110% festgestellt) Das bestätigt die Aussage der Bundesregierung und bedeutet ebenfalls, dass derzeit freie Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Auch im aktuellen Entwurf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) werden Kapazitätsreserven für die Strecke Dresden – Děčín ausgewiesen (Seite 19)[9]. Doch auch für das Jahr 2030 werden im BVWP keine Engpässe dargestellt, da u.a. zur Entlastung der Bahnstrecke Dresden – Prag und für weitere Leistungsreserven für Gütertransporte nach Osten und Süden die Elektrifizierung des Ostkorridors der Schiene von Uelzen über Magdeburg, Leipzig, Reichenbach bis Hof fest eingeplant ist[10]. Eine Erweiterung bis an die deutsch-tschechische Grenze und Regensburg steht im potentiellen Bedarf des BVWPs.

Laut Bundesregierung (Antwort auf Anfrage MdB Stephan Kühn, 2016) verkehren derzeit (Stand November 2015) ca. 60-70 Güterverkehrszüge täglich je Richtung zwischen Dresden und Děčín. Würden sämtliche Transporte, die zurzeit auf diesem Abschnitt der Elbe transportiert werden, auf die Schiene verlagert, käme jeden Tag nur ein Güterzug je Richtung hinzu. Das wäre eine Steigerung um weniger als 2% des Güterverkehrs auf der Schiene und würde kein Problem bei einer Auslastung von 72% -  wie in der Dokumentation EVU angegeben – darstellen.

Überdies können durch kleinere Ergänzungen im Schienennetz, wie Überholgleise gegebenenfalls in Bahnhöfen, eingerichtet werden. Ausführungen dazu weiter unten.

 

Zuverlässigkeit der Schiene

„Über 60 Prozent der tschechischen Ein- und Ausfuhren von und nach Übersee wurden 2013 über den Hamburger Hafen abgefertigt“[11]; positiv ist, dass davon auf der Relation Hamburg – Tschechien bzw. Prag ca. 80 % der Güter auf der Schiene transportiert werden und nur ca. 20 Prozent per LKW[12]. Die Elbe wird nur in Ausnahmefällen genutzt. Das bedeutet, dass die Schiene äußerst zuverlässig sein muss, denn Zuverlässigkeit hat für Spediteure oberste Priorität, dafür werden auch höhere Transportkosten in Kauf genommen, wie es in der Dokumentation EVU auf Seite 50 zu lesen ist.

Insbesondere im Vergleich mit der Elbe ist die Schiene sehr zuverlässig. Die häufigen Niedrigwasserjahre der Elbe lassen keine kontinuierlichen Transporte zu. Extreme trockene Jahre wie 1999, 2000, 2003, 2004, 2008, 2014 und 2015 kommen immer wieder vor, sind aber nicht vorhersagbar. In den genannten Jahren führte die deutsche Elbe zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und Magdeburg im Schnitt in sechs Monaten Niedrigwasser mit Tiefen teils weit unter 1,60 m[13]. Eine „verlässliche Schiffbarkeit“ auf der deutschen Elbe wäre auch nach dem Bau der Staustufe bei Děčín nicht möglich, ein verlässlicher Transport auf der Schiene hingegen sehr wohl. Daher ist eine Verlagerung von der Schiene auf das Schiff unrealistisch.

 

Lärmemissionen

Unstrittig ist die Lärmbelastung durch den Verkehr auf der Schiene, insbesondere im engen Elbtal. Der Bau der Staustufe Děčín wird an dem Güterzugverkehr zwischen Hamburg und Tschechien nichts ändern. Daher wurden und werden Anstrengungen unternommen die Lärmbelastung zu vermindern. In der Region wurden Gleisstrecken mit innovativen Schienenstegdämpfern ausgestattet und Isolierstöße entfernt um die störenden Klopfgeräusche zu reduzieren. Gleichzeitig soll die vorhandene Güterwagenflotte mit leisen Verbundstoffbremsen ausgestattet werden. Die Umrüstung ist in vollem Gang. Ab 2020 sollen für laute Wagen – auch ausländische – die Fahrt durch Deutschland verboten werden. Das führt zu einer flächendeckenden Lärmreduzierung um 10 Dezibel, was wahrnehmbar einer Halbierung der Lärmbelastung entspricht.[14]

 

Externe Kosten Schiene vs. Güterschiff

Leider wurde in der Auswertung der Stellungnahmen in der Anlage SP13 nur unzureichend auf die Hinweise eingegangen.

 

Kosten für Infrastruktur

Die Binnenschifffahrt beteiligt sich kaum an den erheblichen Kosten für Infrastruktur, Betrieb und Unterhaltung. Auf der Elbe werden keine Wegekosten, Trassengebühren oder Maut erhoben, wie es bei der Bahn oder beim LKW der Fall ist.

 

Umwelt- und Ressourcenkosten

Flusslandschaften sind die am stärksten veränderten und bedrohten Lebensräume. Gleichzeitig gehören sie – im frei fließenden Zustand – zu den artenreichsten Lebensräumen und sind damit die Hot Spots der Biodiversität (Artenvielfalt). Zum anderen bilden sie das Rückgrat der sogenannten Grünen Infrastruktur. Wenn auf der Elbe ein ganzjähriger, verlässlicher Transport von Gütern ermöglicht werden soll, müsste sie nicht nur in Tschechien, sondern auch auf dem deutschen Abschnitt komplett kanalisiert und gestaut werden. In der Konsequenz würde der Fluss und seine Auen erheblich verändert und zerstört werden. Vor diesem Hintergrund wäre die Güterschifffahrt auf der Elbe im Vergleich zur Schiene nicht als umweltfreundlich anzusehen.

 

Ausstoß von CO2 und anderen „Klimagasen“, sowie Feinstaub

Obwohl die Emissionsbelastung von Schifffahrtsverkehr insbesondere im Hinblick auf den relativ hohen Ausstoß von Stickoxide gemessen am gesamten Emissionsvolumen bedenklich ist (75% der gesamten bei der Schifffahrt emittierten Emissionen sind Stickoxide; vgl. Umweltbericht BVWP 2030, S. 147), wird der Binnenschifffahrt eine – verglichen mit dem Transport auf der Straße und vor allem wegen der geringen CO2-Emissionen – relativ gute Schadstoffbelastung nachgesagt (vgl. BVWP 2030, S.34; Umweltbericht BVWP 2030, S.164). Dennoch hebt der Umweltbericht des BVWP 2030 hervor, dass „Die Abgasemissionen von Schiffsmotoren [...] ein ähnliches Schadstoffspektrum wie die Abgasemissionen von Fahrzeugen auf der Straße [besitzen]. Gegenüber den Emissionen entlang von Straßen spielen bei Schiffsmotoren allerdings Schwefeldioxidemissionen eine etwas größere Rolle.“ (Umweltbericht BVWP 2030, S.11) Folglich sollte der BVWP 2030 die Potentiale des Schienenverkehrs vielmehr ausnutzen. Für den
Streckenabschnitt Halle-Bernburg wurde z.B. von der Deutschen Bahn AG keine Auslastung des Transportpotentials attestiert. 

In der Dokumentation EVU wird immer wieder darauf verwiesen, dass der Bau der Staustufe Děčín zu einer Reduktion der Treibhausgase führen soll auf Grund der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf das Güterschiff (z.B. Seite 58 ff). Unabhängig davon, dass eine Verlagerung vom LKW auf das Binnenschiff nicht realistisch ist (siehe dazu auch weiter oben unter Zuverlässigkeit der Schiene sowie unten in dieser Stellungnahme), ist das Güterschiff auf der Elbe mit einer durchschnittlichen Beladung von 200-300 Tonnen[15] (einschließlich der Leerfahrten) bezogen auf den Energieverbrauch, und folglich auch was den Ausstoß von Klimagasen und Feinstaub betrifft, nicht effizient.

In der Studie von Planco (2007)[16] zum Verkehrsträgervergleich ist davon auszugehen, dass ein beladenes Schiff zugrunde gelegt wurde, wie sie beispielsweise auf dem Rhein verkehren. Auf dem Rhein beträgt die durchschnittliche Beladung eines Schiffes ca. 1500 Tonnen[17].

Planco verweist explizit darauf hin, dass der „Leitungsbedarf bei gegebenen Tiefgang, gegebener Wassertiefe und gegebener Geschwindigkeit mit zunehmender Schiffsgröße sinkt. Somit sinkt auch der Leistungsbedarf je Ladungstonne und damit der spezifische Energieverbrauch.“ (Seite 15). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei geringem Beladung, geringem Tiefgang und Wassertiefe sowie kleinen Schiffen, die auf der Elbe verkehren, der Leistungsbedarf, also der Energieverbrauch erheblich höher liegt.

 

Fazit

 

Folgenden Aussagen unserer Stellungnahmen von 2011 und 2012 wurden im Zuge der Auswertung der Stellungnahmen (Anlage SP13) nicht entkräftet:

Grundsätzlich ist anzumerken, dass auf unsere Hinweise der unzutreffenden Auslegung und Darstellung insbesondere der Studie zum Verkehrsträgervergleich Planco (2007) in der Anlage SP13 nicht eingegangen wurde.

Die in der Dokumentation Staustufe Děčín von 2010/2011– eigentlich als Beleg für die Erreichung der Kapazitätsgrenzen des deutschen Schienennetzes – herangezogene Studie von Planco (2007) zeigt deutlich, dass der relevante Korridor auch bei einem Wachstum der Transporte über ausreichende Kapazitätsreserven verfügt. Kapazitätsengpässe der Schiene im Westen Deutschlands als Begründung für den Bau der Staustufe Děčín heranzuziehen, ist eine unlautere Argumentation.

Nach Aussage des Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in „Stand und Potenziale der Elbe-Binnenschifffahrt und deren wirtschaftliche Wirkun­gen auf die Elbe-Region (2009) auf Seite 29: „Bereits die Bahn könnte sämtliche nach dem BVWP erwarteten Verkehre in dem betreffenden Raum und entlang der Elbe bis in die Tschechische Republik bewältigen...“.

Das Bundesverkehrsministerium sieht in einer Antwort vom 11.03.2010 auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Dorothea Steiner ebenfalls keine absehbaren Engpässe zwischen Dresden und Grenze (siehe Anlage 5 Steiner 11-3-10).

Das Umweltbundesamt kann derzeit ebenfalls keinen Engpass, auch nicht auf ab­seh­bare Zeit auf der Elbestrecke erkennen (Holzhey (2010), S. 52 ff.).

Zudem ist die Bahnstrecke entlang der Elbe nicht die einzige Möglichkeit, Tschechien per Schiene zu erreichen. So kann nach der Fertigstellung der Elektrifizierung der Strecke Leipzig-Hof auch über Eger nach Prag gefahren werden. Die Industrie­regi­on Pilsen wird dadurch ebenfalls erreicht, was ein weiterer Vorteil ist. Diese Strecke verfügt auch nach einer Verdoppelung des Güterverkehrs auf der Schiene über freie Kapazitäten (Holzhey (2010), siehe Abb. 11 unten).

 

 

Abb. 11: Kapazitäten im Schienengüterverkehr bei verdoppelter Netznutzung. Die mit rot gekennzeichneten Strecken weisen fehlende Kapazitäten auf. Die Strecken im Elbekorridor weisen eine Auslastung von ca. 150 Zügen pro Tag und Richtung auf Quelle: Holzhey (2010).

 

Die Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) ermittelt den Neu- und Ausbaubedarf für das deutsche Schienennetz unter der Zielvorgabe der UBA-Strategie, 213 Mrd. tkm im Schienengüterverkehr 2025 transportieren zu können. Zum Vergleich: 2009 wurden eine Leistung von rund 95,8 Mrd. tkm erbracht – es soll also eine Leistungssteigerung bis 2025/2030 um 122 % erfolgen. Das vorliegende Papier ist also eine Ausbaustrategie und zeigt Wege auf, wie die Leistung im Schienengüterverkehr im Deutschland erheblich gesteigert werden kann.

Um nicht unnötig Geld an der falschen Stelle auszugeben, wurden zuerst mögliche Eng­pässe, die die angepeilte Mengensteigerung verhindern könnten, analysiert und dann Lösungsvorschläge gemacht.

Strecken, die nicht in der Lage sind, eine Verdoppelung der Kapazitäten aufzunehmen, befinden sich vor allem entlang des Rheins und zwischen Hamburg und dem Rhein-Main-Gebiet.

Laut telefonischer Auskunft des Umweltbundesamtes als Auftraggeber der Holzhey-Studie wurde die Strecke Berlin – Dresden – Děčín nicht untersucht, da hier kein Kapazitätsengpass erwartet wurde. Zusätzlich kann über eine alternative parallele Strecke (Leipzig – Plauen – Eger – Prag) ebenfalls Tschechien erreicht werden. Diese wird derzeit zwischen Leipzig und Hof ausgebaut und vollständig elektrifiziert. Für diese Strecke weist die Holzhey-Studie selbst nach einer Verdopplung der Güterverkehre eine ausreichende Kapazität (dreistellige Hin- und Rückfahrten) aus.

Zur Studie „Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege“ von BVU & Intraplan (2010)
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erarbeitet. Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (BSchWAG) ist der Bedarfsplan für die Bundesschienenwege spätestens nach Ablauf von jeweils fünf Jahren vom Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) danach zu überprüfen, ob der Bedarfsplan der zwischenzeitlich eingetretenen Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung anzupassen ist. Der aktuelle Bedarfsplan trat am 15. September 2004 in Kraft. Mit der Bedarfsplan­überprüfung wurde im Herbst 2008 begonnen.

Entsprechend einer Forderung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestags sowie des Bundesrechnungshofes sind sämtliche Projekte des Bedarfsplans, die nicht in Kürze fertig gestellt werden, mittels einer Nutzen-Kosten-Analyse gesamt­wirtschaftlich neu zu bewerten, um nicht unnötig Steuergelder in unrentable Ausbauprojekte zu investieren.

In der BVU-Studie (BVU 2010) wurde u.a. auch eine Engpassanalyse durchgeführt. Diese wird in der Ergänzung als Beleg für Kapazitätsprobleme der Bahn in Deutschland im Elbe­korridor angeführt. So ist in der von der BVU-Studie übernommenen Abbildung 2 der Ergänzung die Netzauslastung eines durchschnittlichen Werktags für 2025 einschließlich des erwarteten Güterverkehrswachstums aber ohne Umsetzung neuer Maßnahmen dargestellt. Die roten, nummerierten Streckenabschnitte zeigen Streckenüberlastungen im Tages­durchschnitt.

Als überlastet (rot) gelten alle Strecken, bei denen die Summe aus Personen- und Güter­zügen mehr als 10 % höher ist als die Zugmenge, die noch mit einer befriedigenden Betriebs­qualität abgewickelt werden kann. Diese Überlastung bedeutet nicht, dass Güter­züge gar nicht fahren können. Sie führt vielmehr dazu, dass Güterzüge durch häufigere Überholungen auf dem überlasteten Streckenabschnitt selbst oder durch Umleitung über andere Strecken verzögert werden, also die Qualität und damit die Nachfrage im Schienen­güterverkehr abnimmt.

Als blau werden Strecken dargestellt, auf denen die verkehrliche Nachfrage ohne größere Friktionen abgewickelt werden kann (durchschnittliche Belastung unter 85 %). Auf schwarz eingefärbten Strecken liegt die Belastung im Bereich der wirtschaftlichen Kapazitätsgrenze (zwischen 85 und 110%).

Die Engpässe entstehen insbesondere auf den Nord-Süd-Korridoren von den Nordseehäfen über Hannover und Fulda/Würzburg sowie von den ARA-Häfen über das Ruhrgebiet und den Rhein/Main-Raum, einerseits die Rheintalbahn hinunter Richtung Basel/Schweiz und anderer­seits in Richtung München/Österreich. Im Elbekorridor sind aktuell lediglich einige Teilabschnitte schwarz eingefärbt. Es kann aber im Bedarfsfall auf alternative Strecken ausgewichen werden.

 

Nach Fertigstellung der geprüften Einzelmaßnahmen weist das Zielnetz (siehe Ergänzung Abb. 3 oder Karte 7.7.1 in Kap 7.39 der BVU-Studie 2010) im Jahr 2025 folgende Eigenschaft auf: Es gibt keinerlei Engpässe auf der Relation Tschechien – Hamburg.

Somit ist es für den BUND Sachsen nicht nachvollziehbar, wie aus dem zitierten Gutachten kurzfristige Kapazitätsengpässe auf der Relation Hamburg – Tschechien interpretiert werden können.

 

Es ist im Übrigen selbstverständlich, dass das Netz nicht auf Vorrat ausgebaut wird, sondern sich entsprechend der Nachfrage entwickelt. Deshalb wird der Bundesverkehrswegeplan auch immer wieder überprüft und Ausbauvorhaben bei Bedarf hinzugefügt oder verändert.

Ein großer Teil der Containertransporte von Hamburg nach Tschechien erfolgt per Bahn und wird zu einem großen Teil von der Bahntransportgesellschaft Metrans, einer Tochtergesell­schaft der Hamburger Hafenbahn und der Deutschen Bahn durchgeführt. Dieser Transport­markt ist offensichtlich weiter im Wachsen begriffen. So investiert Metrans zurzeit 20 Mio. € in eine neue Container-Drehscheibe in Ceska Trebova in Tschechien, die 2013 eröffnet wurde (vgl. folgende Quellen: http://www.verkehrsrundschau.de/hhla-baut-neue-container-drehscheibe-in-tschechien-1098919.html und https://hhla.de/de/intermodal/aktuell/2013/05/neue-container-drehscheibe.html).

Diese Mittel würde Metrans sicher nicht investieren, wenn kurzfristige Engpässe auf der Schiene eine Steigerung des Transportvolumens unmöglich machen würden.

Es bleibt festzuhalten, dass eine Verdoppelung der Transportmenge per Bahn offensichtlich möglich ist und dass dies auch vom Hamburger Hafen über seine Bahntochter Metrans im Rahmen der Nachfrage genutzt wird.

Auch auf dem tschechischen Streckenabschnitt Grenze – Děčín – Pardubice gibt es laut einem Schreiben vom 16.2.2007 vom Leiter der Abteilung für die Bahntrans­port­wege, Herrn Ing. Pavel Skála, ausreichend freie Kapazitäten (siehe Anlage 7 Kapa­zitäten der Bahn in Tschechien 16-2-07).

 

Auslastung und Kapazität der Straße im Elbekorridor in Deutschland

Ebenfalls versucht die Dokumentation Staustufe Děčín den Eindruck zu erwecken, dass es in naher Zukunft schon einen für den Elbekorridor relevanten Engpass auf der Straße in Deutschland gäbe, indem die Situation im Westen Deutschlands auf den Elbekorridor übertragen wird. Die Autoren der Dokumentation interpretieren wie schon für die Schiene Aussagen der Planco-Studie (Planco 2007) in einer unzu­lässigen Weise um.

Auch auf der Straße in Deutschland gibt es derzeit keinen Engpass im Elbekorridor.


 

3. Entwicklung der Binnengüterschifffahrt auf in Deutschland und speziell auf der Elbe

Die ökonomische Bedeutung der Binnenschifffahrt wird häufig überschätzt. In Deutschland werden ca. 80 % aller Transporte per Schiff auf dem Rhein abgewickelt (Flusslänge 700 km). Die restlichen 20 % werden auf den rund 6.300 Kilometer des restlichen Wasserstraßennetzes transportiert. Der Anteil der Elbe beträgt daran mit ca. 0,4 Mio. Tonnen in 2014 und 2015 nur noch 0,2 % - siehe Abbildung 6 weiter oben und Abbildung 12.

Auch die erwartete Ver­kehrs­verlagerung vom Lastkraftwagen auf das Binnenschiff ist in Deutschland trotz Milliarden - Investitionen in das Wasser­straßennetz nicht erfolgt. Das Gegenteil ist der Fall: der Anteil der Transporte per Binnenschiff sank von ca. 30 % Anfang der 1960er Jahre auf 6 % im Jahr 2008 (Petschow 2009). Absolut betrachtet stagnieren die Gütermengen seit Jahrzehnten zwischen 230 und 250 Mio. t (www.destatis.de, Statistisches Bundesamt, Statistische Jahrbücher der DDR, Statistische Jahrbücher der BRD)

 

Priorisierung der bundesdeutschen Wasserstraßen und die Auswirkungen auf die Elbe

Kategorisierung der Bundeswasserstraßen und Gesamtkonzept Elbe

Auf Grund der hohen Verschuldung des Staates muss in Deutschland gespart werden. Davon sind auch die Wasserstraßen betroffen. Als Ergebnis eines planlosen Ausbaus aller Verkehrsträger steht Deutschland nunmehr vor einer völligen Unterfinanzierung im Verkehrsbereich und ist derzeit nicht einmal mehr in der Lage, die Instandhaltung aller Wasserstraßen zu finanzieren. Anfang 2013 versagten an der meist befahrenen Wasserstraße der Welt – dem Nord-Ostsee-Kanal – die Schleusen, weil Mittel für deren Erhalt nicht rechtzeitig zur Verfügung standen. Aus diesem Grund ist geplant, einen großen Teil der wenig oder nicht nachgefragten Wasserstraßen nicht oder nur noch geringfügig zu unterhalten.

Im Januar 2011 wurde der erste Bericht des Bundesverkehrsministeriums zur Umstrukturierung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung veröffentlicht. Ein zentraler Baustein dieser Reform ist die Kategorisierung bzw. Priorisierung der Bundeswasserstraßen (nicht zu verwechseln mit der Klassifizierung). Die wichtigen Wasserstraßen mit einer hohen Bedeutung für den Verkehr sollten identifiziert werden. Die Elbe landete aufgrund ihres geringen Güteraufkommens auf den hinteren Rängen.

Inzwischen wurde die Elbe im aktuellen Entwurf des Bundesverkehrswegeplans in die Kategorie C eingestuft. Wasserstraßen in dieser Kategorie werden nicht weiter ausgebaut, sondern nur noch in ihrem Bestand erhalten.

Diese Entwicklung wurde in der aktuellen Dokumentation EVU weder erwähnt noch berücksichtigt. Der BUND Sachsen fordert eine Berücksichtigung dieser wesentlichen Planungsgrundlage bzw. Rahmenbedingung in der Planung zur Staustufe.

 

Gesamtkonzept für die Elbe

Im Rahmen der Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Elbe wird die Nutzung der Elbe als Wasserstraße überprüft. „Zentrales Thema ist die umweltverträgliche verkehrliche Nutzung sowie die wasserwirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der Erhaltung des wertvollen Naturraums in Einklang zu bringen“, wird im Eckpunktepapier von der Bundesregierung und den Landesregierungen formuliert[18].

Doch die größte noch ungelöste Herausforderung für eine ganzjährige verlässliche Güterschifffahrt stellen der Wassermangel und die niedrigen Wasserstände der Elbe dar wie im Kapitel 2 beschrieben wurde – weniger ein angeblicher unzureichender Bauzustand. Der Bau von Staustufen an der deutschen Elbe bleibt weiterhin aus ökonomischen wie ökologischen Gründen kategorisch ausgeschlossen.

 

Entwicklung der Binnengüterschifffahrt in Deutschland

<h6 style="margin-top:0cm;margin-right:0cm;margin-bottom:5.65pt;margin-left: 0cm">Verkehrsverlagerung vom LKW auf das Güterschiff ist unrealistisch</h6>

Der Ausbau wird in der Dokumentation EVU wiederholt mit einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf das Binnenschiff begründet. Doch der Trend in Deutschland spricht eine andere Sprache. Laut dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stagniert seit 50 Jahren das Güteraufkommen, das auf bundesdeutschen Wasserstraße transportiert wird[19], siehe Abbildung 12. In dem gleichen Zeitraum verdoppelten sich die Transporte per LKW. Das Güterschiff konnte von dem wachsenden Transportvolumen nicht profitieren. Der Anteil des Binnenschiffs am Modal Split im Güterverkehr sank laut BGL in diesem Zeitraum stetig. Von fast 30 % im Jahr 1965 ist der prozentuale Anteil der Verkehrsleistung des Binnenschiffs auf unter 10,0 % im Jahr 2013 gefallen und damit mehr als zwei Drittel zurückgegangen – siehe Abbildung 13. Trotz Investitionen von jährlich bis über eine Milliarde € in die Bundes­wasserstraßen konnte das Ziel, eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf das Schiff, in der Bundesrepublik Deutschland nicht erreicht werden.

Auf der deutschen Elbe sind die Transporte in dem gleichen Zeitraum auf ein historisches Tief von weniger als 0,4 Mio. Tonnen eingebrochen. Das entspricht nur 0,2 % aller Güter, die auf Bundeswasserstraßen transportiert werden. Eine belastbare Begründung, warum sich dieser Trend umkehren sollte, wurde in der Dokumentation EVU und ihren Anhängen nicht vorgetragen.

 

Abb. 12: Güteraufkommen der Verkehrsträger im Bundesgebiet von 1950 bis 2014 nach Mio. Tonnen. Quelle BGL

 

Entwicklung der realen Transportmengen im Modal Split

In Deutschland wurde jahrzehntelang mit dem Argument der Verkehrsverlagerung ohne Konzept und nach dem Gießkannenprinzip die Wasserstraßeninfrastruktur für das Binnen­schiff ausgebaut. Durch den Strukturwandel der Wirtschaft und der Veränderung der Güter seit 1990 wurden jedoch verstärkt LKW-Transporte nachgefragt. Der Druck, immer schneller, möglichst ohne teure Umladung und verlässlicher zu transportieren, wie auch die Verschie­bung von binnenschiffsaffinen Massen- und Schüttgütern hin zu kleinteiligeren Transport­mengen erhöhte die Nachfrage nach Transporten mit LKW beträchtlich (IÖW 2009). Das Ergebnis ist der drastische Anstieg des Lastwagenverkehrs und der prozentuale Rückgang beim Schiff (Abbildung 13).

Abb. 13: Modal Split im Güterverkehr von 1950 bis 2013 nach tkm. Quelle BGL www.bgl-ev.de/images/daten/verkehr/modalsplittkm_tabelle.pdf.

 

Der BUND Sachsen übernimmt folgende Aussagen der BUND Stellungnahmen von 2011 und 2012, weil sie von der Auswertung der Stellungnahmen (Anlage SP13) nicht entkräftet wurden:

Seit 1960 wurden in Deutschland zahlreiche Wasserstraßen mit einem erheblichen Kosten­aufwand ausgebaut, so z.B. Ausbau der Mosel und der Saar, Bau des Main-Donau-Kanals, Bau des Elbe-Seiten- Kanals, Ausbau des Mittelandkanals und der Verbindung nach Berlin (Projekt der deutschen Einheit Nr.17). Trotz dieser großen Ausbauvorhaben, die viele Milliarden Euro verschlangen, verbesserte sich die wirtschaftliche Situation und der Transport­anteil der Güterschifffahrt nicht, insgesamt sank der Anteil am Modal Split stetig auf nunmehr 10 % während der Anteil des Lastwagens auf 70 % anstieg.

Damit wird deutlich, dass der Versuch mit teuren Infrastrukturentwicklungs­pro­grammen den Modal Split zu beeinflussen und das Güterschiff zu puschen, nicht erfolgreich war.

Der wirtschaftliche Niedergang der tschechischen Binnenschifffahrt auf der Elbe kann nicht durch den Bau einer einzelnen Staustufe aufgehalten werden. Selbst die in Deutschland eingeführte Autobahnmaut hat bislang nicht zu einer messbaren Verkehrsverlagerung geführt.

Analysiert man die Verkehrsströme der Schifffahrt in Deutschland, so stellt man fest, dass ca. 80 % der vom Binnenschiff transportierten Güter auf dem Rhein mit einer Gesamtlänge von etwa 600 km bewegt werden. Auf den restlichen 6400 km des deutschen Wasser­straßennetzes, die zum großen Teil viel besser als die Elbe ausgebaut sind, mit Fahrrinnen­tiefen bis zu 4 Metern, werden lediglich 20 % transportiert. Der Anteil der Verkehrsleistung der Elbe beträgt dabei weniger als 0,2 %. (Statistisches Bundesamt 2011)

Damit ist erkennbar, dass das politisch gewollte Ziel der Verkehrsverlagerung über den Ausbau der Infrastruktur zu erreichen, gescheitert ist. Zum einen ist der Lastwagen in seiner Flexibilität, Raumerschließung und Schnelligkeit trotz höherer Kosten unschlagbar. Auf kürzeren Strecken (u. U. bis zu 200 Kilometer und mehr) kann der LKW teils günstigere Preise anbieten, auch, weil im Gegensatz zum Schiff ein weiterer Umschlag für den Vor- und Nachlauf entfällt. Das Binnenschiff ist hingegen langsam und hat nur eine geringe Netz­dichte. Außerdem sind z.B. kleinere Schiffstypen, z. B. beim Containertransport gegenüber der Bahn kaum noch konkurrenzfähig (siehe Tab 1).

Transportkosten in % bezogen auf GMS zweilagig für die Relation Hamburg - Berlin

Lkw

Inkl. Maut

172

Güterbahn

 

150

Europaschiff einlagig

27 TEU

161

Europaschiff zweilagig

54 TEU

134

GMS einlagig

27 TEU

114

GMS zweilagig

54 TEU

100

 Tab. 1: Vergleich der Transportkosten in % bezogen auf GMS zweilagig für die Relation Hamburg – Berlin. Quelle: http://www.wupperinst.org/uploads/tx_wibeitrag/flaemig.pdf
Berechnungen Bennecke auf Grundlage: J. Ninnemann: Seehafenwettbewerb in Europa 2006 – ohne Umschlagkosten im Hafen.

 

Wie fragil die Konkurrenzsituation zwischen Bahn, Schiff und LKW derzeit ist, zeigt die von einigen Bundesländern gewollte Zulassung des 60-Tonner-LKW, des sogenannten Gigaliners. Mit dem Gigaliner würde auf sich auf einen Schlag der Konkurrenzvorteil des LKW bei den Kosten zu Ungunsten von Bahn und Schiff erheblich verbessern. Dies würde auch direkt die Annahmen zur Wirtschaftlichkeit der Schleuse Děčín in Frage stellen. Trotz der LKW-Maut würde der Gigaliner auch alle Bemühungen zur Verkehrsverlagerung in Frage stellen. Der Anteil des LKW am Modal-Split würde noch mehr ansteigen. Auch dieser Fakt hätte in einer Verkehrsanalyse Elbekorridor berücksichtigt werden müssen.

Rhein im Vergleich mit der Elbe

Am Beispiel des Rheins zeigt sich, dass Binnenschiffe im europäischen Wirtschaftsraum erst ab einer ganzjährigen Fahrrinnentiefe von mindestens 2,00 m die einen mindestens zwei­lagigen Containertransport ermöglicht, noch wirtschaftlich agieren können. Zu groß ist inzwischen der Preisdruck von LKW und Güterbahn.

Insgesamt geht in Deutschland der Trend zu immer größeren Schiffstypen. Der Vorstand der DBR (Deutsche Binnenreederei), Stanislaw Wittkowski, betonte auf der Fachkonferenz 'Elbe' am 13. April 2011 in Berlin, dass die hauptsächlich in Ostdeutschland verkehrenden kleinen Schiffsgrößen in maximal 10-12 Jahren verschrottet werden müssten. Einen Neubau werde es nicht mehr geben. Für die in Europa üblichen größeren Schiffe müsse die Infrastruktur zwingend ausgebaut werden. Eine durchgehende Fahrrinnentiefe von mindestens 2 m wäre erforderlich (Schifffahrt und Technik, 3/2011, S. 20).

Der weitaus wichtigste Faktor ist jedoch die weitaus größere und vor allem ausgeglichenere Wasserführung des Rheins im Vergleich mit der Elbe, die einen kontinuierlichen fast ganz­jährigen Schiffsverkehr zulässt. So bietet der Rhein bislang auch bei Niedrigwasser immer noch eine Fahrrinnentiefe zwischen 2 und 2,50 m, so dass ein Verkehr möglich ist. Selbst in Niedrigwasserphasen sind Transporte mit zumindest teilbeladenen Schiffen möglich. Dies ist an der Elbe eindeutig nicht der Fall. Bei Fahrrinnentiefen um einen Meter – wie sie in ausge­sprochenen Trockenjahren vorkommen – wird die Schifffahrt eingestellt.

 

Entwicklung der Güterschifffahrt auf der Elbe zwischen Magdeburg und deutsch-tschechischer Grenze

Der Rückgang der Güterschifffahrt auf der Elbe ist ungebrochen. Die Entwicklung der Güterschifffahrt auf der Elbe insbesondere deren kontinuierlicher Rückgang wurde in unserer noch aktuellen Stellungnahme von 2011 dokumentiert. Siehe dazu auch die aktualisierte Darstellung des Transportaufkommens bei Magdeburg.

Eine Erklärung für den Rückgang der Elbegüterschifffahrt ist, dass durchgehende und verlässliche Fahrrinnentiefen von mindestens 2-2,50 Metern erforderlich sind, um konkurrenzfähig transportieren zu können wie aus Kreisen der Binnenschifffahrt immer wieder gefordert wird (Schifffahrt und Technik 3/2011, S. 20).

Im Hamburger Abendblatt vom 13. Mai 2011 konstatierte der Binnenschiffer Manfred Mai­wald: „Die Voraussetzung für mehr Binnenschiffe auf der Elbe wäre allerdings, den Fluss zwischen Bad Schandau in Sachsen und Lauenburg in Schleswig-Holstein dauerhaft schiffbar zu machen“. Dafür würden Staustufen wie die in Geesthacht benötigt, fügt Maiwald hinzu.

Um eine verlässliche Fahrrinnentiefe an der Elbe vorhalten zu können, sei es auch lediglich für die marginale Tiefe von 1,60 Meter müsste die Elbe auf ihrer gesamten Länge mit 20-30 Staustufen verbaut und kanalisiert werden. Das würde Kosten in Milliarden-Höhe verur­sach­en und Jahrzehnte dauern.

Der Kosten-Nutzen-Faktor läge laut Bundesverkehrswegeplan 1992 bei 10:1. Das bedeutet für jeden Euro, der ausgegeben wird, wird ein Nutzen von 10 Cent innerhalb der nächsten 80 Jahre erwirtschaftet. Auf Grund dieser Analyse wurde im Bundesverkehrswegeplan dieser Ausbau der Elbe ausgeschlossen.

Trotz Millionen Investitionen werden immer weniger Güter auf der Elbe transportiert. Hinsichtlich der Nutzung der deutschen Elbe als internationale Wasserstraße ist seit dem Jahr 1990 ein drastischer Rückgang der Tonnagen festzustellen. 1913 wurden noch 18 Mio. t transportiert, 1989 waren es noch 9,5 Mio. t, seitdem sind die Güter­mengen auf ca. ein Zwanzigstel geschrumpft.

Über die Elbe werden nur noch 0,2 % der Gütertransporte der Elbregion befördert (Wlodarski et al. 2008). Damit ist die Elbe als Wasserstraße nahezu bedeu­tungslos geworden, obwohl seit 1995 – mit Ausnahme einer Unterbrechung von 2 Jahren nach dem Hochwasser 2002 – intensiv gebaut wird.

Beträge in zweistelliger Millionenhöhe fließen jedes Jahr in die Wasserstraße Elbe. Doch je mehr investiert wird, desto weniger wird offensichtlich transportiert.

Zu DDR-Zeiten wurde trotz damals wesentlich schlechterem Unterhaltungszustand das Zehnfache - also deutlich mehr - über die Elbe transportiert.

Die Hauptursachen, die zum Rückgang der Güterschifffahrt auf der Elbe geführt haben, sind nach dem Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (Petschow 2009) der Zusammenbruch der Schwerindustrie der ehemaligen DDR seit Anfang der 90er Jahre sowie der grundlegende Umbruch der Wirtschaft und ein damit einhergehender Güterstrukturwandel.

 

Unternehmen an der Elbe nutzen diese kaum als Wasserstraße

Die abnehmenden Transporte der letzten Jahre sind auf den Rückgang der binnen­schiffsaffinen Massen- und Schüttgütern zurückzuführen. Die verbliebenen Unter­nehmen an der Elbe in Deutschland transportieren auf­grund der stark schwan­ken­den Wasserstände der Elbe keine Güter mehr per Schiff.

Dazu gehören z. B.:

·        Elbekies GmbH Mühlberg, Kiestransporte

·        Hülskens Liebersee GmbH, Belgern, Kiestransporte

·        Kieswerk Barby, Kiestransporte

·        Cerestar Barby (größter Getreideverarbeiter Europas) für Getreidetransporte

·        Kali und Salz GmbH bei Zielitz

·        SKW Piesteritz (Düngemittelhersteller) transportiert lediglich 3-4% seiner Güter per Schiff, dies geschieht bevorzugt im Winter, wenn der Wasserstand ausreicht. Ansonsten transportiert SKW Piesteritz seine Produkte per Güterbahn zum Mittel­landkanal, um sie dort auf das Binnenschiff zu verladen. Der Mittellandkanal bietet eine konstante Tiefe von 4 m und lässt damit den fahrplanmäßigen Einsatz der Standard-Großmotorgüterschiffe mit 2.000 Tonnen Ladung zu. Diese Verläss­lichkeit bietet die Elbe nicht. Die extra Kosten für diesen zusätzlichen Umschlag nimmt die Firma für verlässliche Transporte in Kauf.

Dazu schreibt das Bundesamt für Güterverkehr (BAG 2007) in dem Sonderbericht zur Ent­wicklung des Seehafen-Hinterlandverkehrs 2007: „Die natürlichen Rahmen­beding­ungen sowie der scharfe Wettbewerb zur Eisenbahn veranlasst deutsche und tschechische Binnenschiffsunternehmen zunehmend, der Elbschifffahrt den Rücken zu kehren und Schiffe vom Elbegebiet in andere Wasserstraßengebiete, vorrangig in das Rheingebiet, zu verlagern.“

 

Anforderung an eine rentable Güterschifffahrt

Das offizielle Unterhaltungsziel für die deutsche Elbe mit einer Fahrrinnentiefe von 1,60 bzw. 1,50 m basiert nicht auf Überlegungen der Wirtschaftlichkeit. Diese Tiefen wurden als absolute Untergrenze des Machbaren an der Elbe festgelegt (siehe dazu auch Kapitel Fahrbedingungen und Ausbauzustand der Elbe). Wirtschaftlich ist die Güterschifffahrt laut den Aussagen zahlreicher Unternehmer erst bei einer Fahr­rinnen­­tiefe ab 2-2,50 m. Bei der Containerschifffahrt ist eine Ladung von min­destens 100-200 Containern rentabel. Häufig geht man aber auch erst bei einem dreilagigen Transport von einer Rentabilität und Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen Verkehrsträgern aus.

 

Dazu sollen drei Beispiele zitiert werden:

„Vollschiffig ist die Elbe ab 2,50 m. Ab 2,30 m und weniger ist Kleinwasserzuschlag fällig… Eine Fahrrinnentiefe von 1,60 m ist nicht rentabel.“ Deutsche Transport­gesell­schaft Magdeburg, Herr Bunger vom 27.11. 2005.

„1.000 Tonnen müssten die Kähne laden können, um den Transportweg rentabel zu gestalten.“ Schwenk Zement, Werkleiter Uwe Müller im Super Sonntag Bernburg vom 18.03.2007.

„Angesichts der „Unberechenbarkeit der Elbe“ setzen die Reedereien eher auf Straße und Schiene“, Diana Lang, Sprecherin Sächsischen Binnenhäfen in der, Sächsischen Zeitung vom 7.4.2006.

Doch wichtigstes Kriterium ist die Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und damit Plan­barkeit der Schiffstransporte, worauf in der Dokumentation EVU Staustufe Děčín immer wieder hingewiesen wird und was auch von Vertretern der Wirtschaft gefordert wird. Doch diese Verlässlichkeit bietet die frei fließende deutsche Elbe nicht.

 

Güterschifffahrt in Tschechien

Aktuell sind die Schiffstransporte auf der Elbe innerhalb Deutschlands und nach Tschechien in einem kontinuierlichen Rückgang begriffen. Die per Schiff nach Tschechien transportierten Gütermengen sind so gering, dass sie seit 2008 nicht mehr vom deutschen Amt für Statistik geführt werden (Abbildung 14).

 

Abb.: 14: Rückgang der Güteraufkommen auf der Elbe am Grenzübergang Schmilka. Eigene Darstellung – Datenquelle: WSD Ost, Bundesamt für Statistik


Abb. 15: Veränderungen des Güterumschlags im Modal Split der Häfen Děčín und Lovosice von 2007 bis 2011. Eigene Darstellung – Datenquelle: SBO GmbH, Jahrespressemitteilungen 2007-2011.
Der Schiffsumschlag in den Häfen Děčín und Lovosice nimmt kontinuierlich ab.

 

Eine Datenquelle für den weiteren Rückgang der Schifffahrt in Tschechien sind die Jahrespresse­mitteilungen der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, der Eigentümerin der Häfen in Děčín und Lovosice – siehe Abb. 15. Sogar im wasserreichen Jahr 2010 ist der Transport per Güterschiff in Tschechien weiter gesunken. Hingegen sind die Transporte per LKW und Bahn von Děčín und Lovosice im Steigen begriffen.

 

Ursachen des Zusammenbruchs der tschechischen Güterschifffahrt

Auch innerhalb Tschechiens steht die Binnenschifffahrt vor einem erheblichen Struktur­wandel und einer immer geringer werdenden Nachfrage. Dies belegt ein Blick in die jüngste Vergangenheit.

1977 wurde unmittelbar nach vorläufiger Fertigstellung der Modernisierung der staugeregel­ten Wasserstraße der innerstaatliche Transport von Kohle von Ústi n.L. zum Kraftwerk Chvaletice (oberhalb der Moldaumündung) aufgenommen. Weiteres wichtiges Transportgut war Baumaterial vor allem in Richtung Prag. Das Transportvolumen stieg an der Schleuse Dolni Berkovice (Elbe-Schleuse unterhalb der Moldaumündung) von 907.000 to im Jahr 1977, auf 4,3 Mio. to im Jahr 1980 und 1984 auf 5,2 Mio. to, davon waren 4,4 Mio. to Kohle. Damit war die Spitze erreicht und das Transportvolumen sank allmählich auf nur noch 3,1 Mio. to im Jahr 1992 an dieser Schleuse.

Ursache war die auf 60–70 % gefallene Stromproduktion im Kraftwerk Chvaletice und die verringerte Investitionstätigkeit, wodurch nicht mehr so viele Baumaterialien benötigt wurden. Im Durchschnitt wurde die Wasserstraße zwischen Strekov und Dolni Berkovice an 335 Tagen ausgenutzt. Die noch fehlenden Tage schlüsseln sich wie folgt auf: 15 Tage für die planmäßige Unterbrechung der Schifffahrt, 11 Tage für Hochwasser, 3 Tage für Vereisungen und 1 Tag auf Grund technischer Unregelmäßigkeiten an Einrichtungen der Wasserstraße (Zidek 1993).


Abb. 16: Transportmengen der Schifffahrt der CR in 1000 to Datenquelle: aus: VODOHOSPODÁŘSKÝ, 1996, 2000, 2005, 2010

Somit begann die Krise der tschechischen Schifffahrt mit dem Zusammenbruch des tschechischen innerstaatlichen Transports.

Die Entscheidung des Kraftwerkbetreibers, den Kohletransport ab 1996 weitgehend mit der Bahn abzuwickeln, führte mit zur heutigen Existenzkrise der tschechischen Binnen­schiff­fahrt. Die entstandenen Überkapazitäten in der Flotte mussten und müssen noch immer abgebaut werden. Bisher sind keine Pläne bekannt geworden, Kohletransporte trotz wesentlich besserer wirtschaftlicher Lage und somit höherem Stromverbrauch wieder auf das Binnenschiff zu verlagern, obwohl die Elbe nach wie vor in einem ausgebauten Zustand gehalten wird.

Aus den statistischen Jahresangaben bis 2010 (Abb. 16) lässt sich nicht erkennen, dass ein erneuter Aufschwung der Schifffahrt abzusehen wäre. Eher im Gegenteil. Die Verlagerung der Transportkapazitäten in Drittstaaten spricht dafür, dass sich die Reeder umorientiert haben. Die Programme der EU zur Modernisierung der Schifffahrtsflotte werden kaum genutzt, da die Reeder sich mit 51 % an den Kosten beteiligen müssten. Durch die Konkur­renz mit Straße und Bahn sind die Gewinne derart gering, dass der Transport kaum lohnt. Mit anderen Worten die Flotte veraltet und auch die Schiffsbaukapazitäten werden abgebaut (Aster 2011).

 

Zur Ökonomie der Binnenschifffahrt und der Wasserstraßen in Tschechien

Der Verkehr trägt etwa 7,6 % zur inländischen Bruttomehrwertschöpfung bei, die Schifffahrt den verschwindend geringen Teil von durchschnittlich 0,012 %. Dieser Anteil sank von 0,035 % im Jahr 2000 auf 0,009 % im Jahr 2009, also um rund 25 % (Tab. 2). Nichtsdestotrotz wurden intensive Investitionen in die Infrastruktur der Wasserstraßen getätigt (Tab. 3), während die Instandhaltungsausgaben ebenso deutlich zurückgingen (Tab. 4). 

Demnach hat die Güterschifffahrt in Tschechien so gut wie keine Bedeutung mehr für die gesamte tschechische Wirtschaft. Vom Ausbau und Unterhalt der Wasserstraßen profitieren lediglich  einzelne Unternehmen, die die Aufträge zum Ausbau und Instandhaltung der Wasserstraßen ausführen.

 

2000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Bruttomehrwert in Mrd.

1 983,5

2 343,0

2 529,7

2 675,3

 

2 907,7

3 178,0

3 321,4

3 258,0

Verkehr Gesamt

137 809

195 986

194 573

189 397

226 472

243 431

255 769

251 381

Davon:

Eisenbahn

 

13 039

 

26 949

 

17 258

 

20 861

 

23 401

 

24 594

 

25 255

k.A.

Straßenverkehr

52 903

73 434

82 341

75 623

102 481

108 729

110 411

k.A.

Schifffahrt

701

305

153

119

236

292

300

k.A.

Luftfahrt

6 490

10 616

7 723

5 336

8 194

8 416

8 122

k.A.

k.A.: keine Angabe

Tab. 2: Bruttomehrwertschöpfung in Tschechien in laufenden Preisen (Mill. Kč) (Ročenka dopravy České Republiky 2007 - 2010)

 

 

2000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Bahn

13200,3

13244,0

13136,6

14428,1

13177,5

17002,5

22954,0

19593,1

14244,9

Straßen

10988,0

19921,8

32901,8

42137,0

42267,5

41460,6

50962,0

52524,0

43494,0

Wasserstraßen

402,2

365,8

367,4

303,0

526,7

389,7

538,4

1557,1

1462,1

Luftfahrt

992,8

1652,9

4803,2

7045,4

2013,8

2137,0

8108,3

2440,9

2058,6

Pipeline

399,2

587,0

506,3

164,3

709,7

801,1

433,4

210,2

230,7

Gesamt

25982,5

35771,5

51715,4

64077,7

58695,2

61790,9

82996,1

76325,3

61490,3

 Tab. 3: Investitionsausgaben in die Verkehrsinfrastruktur in laufenden Preisen (Mill. Kč) (Ročenka dopravy České Republiky 2007 - 2010)

 

 

2000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Bahn

9134,7

7164,8

6798,0

7023,6

7254,8

7016,8

8816,4

9845,0

9083,0

Straßen

7209,0

8413,6

9461,5

10435,7

15423,2

16369,5

15257,2

15300,4

16941,9

Wasserstraßen

153,0

830,6

334,4

66,0

29,0

79,4

47,6

47,4

39,2

Luftfahrt

455,8

350,0

436,5

431,2

231,5

362,1

308,1

331,6

349,0

Pipeline

47,3

37,6

34,3

40,1

39,9

42,5

40,6

50,7

230,7

Gesamt

16999,8

16796,5

17064,7

17996,7

22978,4

23870,3

24469,9

25575,1

26643,8

Tab. 4: Instandhaltungsausgaben in die Verkehrsinfrastruktur in laufenden Preisen (Mill. Kč) (Ročenka dopravy České Republiky 2007 - 2010)

 

Saldo

2000

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Summe 2003 - 2008

Schifffahrt

146

-891,4

-548,8

-250

-319,7

-177,1

-286

-2327

Tab. 5: Bilanz Bruttowertschöpfung - Gesamtausgaben (Mill. Kč) (eigene Berechnung)

 

Bei der Analyse der hier vorgelegten Zahlen drängt sich die Frage auf, warum auch auf den gut ausgebauten innertschechischen Wasserstraßen Elbe und Moldau der Güterverkehr derart eingebrochen ist.

Eine gründliche Analyse dieses Tatbestands verbunden mit zukunftsfesten Prognosen der Entwicklung fehlt in den Unterlagen zur Staustufe völlig.

 

Förderung der Entwicklung der Freizeitschifffahrt

Diese hat so geringe Tiefgänge, dass dazu kein Bau eines Wehrs notwendig ist. Für die Freizeit- und Personenschifffahrt wird die Staustufe (Zeitverbrauch) vermutlich eher hinderlich sein. Die Tauchtiefe ist für die meisten Sportboote kaum relevant.

 

 

4. Zur Begründung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit des Vorhabens Staustufe Děčín (Ökonomische Analyse)

In der Dokumentation EVU ist es nicht gelungen, die Wirtschaftlichkeit und die Notwendigkeit des Staustufenbaus bei Děčín und damit das überwiegende öffentliche Interesse zu begründen oder einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Projekts Staustufe Děčín zu belegen. Eine wesentliche Zunahme des Gütertransports per Elbe-Schiff wäre auch nach dem Bau der Staustufe nicht zu erwarten. Eine Ausnahmegenehmigung nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie kann daher nicht gewährt werden.

 

Allgemeines zur Datengrundlage und den herangezogenen Studien

Die Datengrundlage war lückenhaft und demzufolge viele Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar sowie zum Teil auch widersprüchlich (u.a. Studie zu den Einsparungen SP12 Seite 6 und 26).

Teilweise wurden die Daten durch Befragungen von einzelnen Unternehmen (CSPL, die größte Reederei Tschechiens) erhoben, die ein Eigeninteresse an dem Bauvorhaben haben. Da nicht erläutert wurde, wie die erhobenen Daten validiert und auf ihr Verwertbarkeit überprüft wurden, ist davon auszugehen oder zu befürchten, dass dieser Erhebung die nötige Wissenschaftliche Objektivität fehlt.

Studien und Kosten- und Ertragsanalysen (CBA), auf die sich bezogen wird, sind der Dokumentation bzw. der EIA nicht beigefügt und damit nicht verfügbar. Dazu gehören

Hinzu kommt, dass bei Verfassern der Studien, wie beispielsweise die Gesellschaft Mott MacDonald, eine international agierende Beratungsfirma für die Bewertung von Bauprojekten mit den Schwerpunkten „investment, resilience, and innovation“, u. U. eine gewisse Voreingenommenheit für die Realisierung von Bauprojekten zugrunde liegt. Daher muss bei solchen Beraterfirmen auch die Befangenheit der Analyse bedacht werden.

Überdies sind Vergleiche der Gutachten nur bedingt möglich, da unterschiedliche Indikatoren, Zeiträume und Varianten des Projekts betrachtet worden sind. Die teilweise Ausdehnung der Betrachtung auf weitere Vorhaben an Moldau und Elbe in Bezug auf die Ökonomische Analyse ist nicht deutlich erklärt oder abgegrenzt.

Die in der Dokumentation EVU beschriebenen Ergebnisse stellt der BUND Sachsen daher in Frage.

 

Begründung der Wirtschaftlichkeit bzw. Notwendigkeit

Die Begründung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit des Vorhabens Staustufe Děčín, hat sich seit der letzten Dokumentation aus dem Jahr 2012 teils geändert bzw. verschoben, liefert aber keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Die Begründung, wie sie in der Dokumentation EVU auf Seite 53 und 54 dargestellt ist, ist kaum nachvollziehbar. Das liegt zum einen in der Kürze der Ausführungen und der sich nicht selbsterklärenden Tabellen sowie der mangelhaften bis unverständlichen Übersetzung.

Der gesamtgesellschaftliche Nutzen soll sich nach der Dokumentation EVU und der den Unterlagen beigefügten Studie zur Reduzierung der Transportunfallhäufigkeit und Einsparungen aus der Verlegung von einem Teil des Gütertransports auf die Wasserstraße bei Ausführung der Staustufe Děčín (Anlage SP12) – im folgenden „Studie zu den Einsparungen“ genannt – insbesondere aus folgenden Faktoren ergeben:

 

Zur Kosten- und Ertragsanalyse (Seite 53 und 54 der Dokumentation EVU)

Weil die angeführten Studien nicht vorliegen, kann nicht nachvollzogen werden, was diskontiert wird oder wie sich der Amortisierungsgrad herleitet. Üblicherweise wird letzteres in Jahren angegeben (Dauer der Tilgung der Investition). Ein Kosten-Ertrags-Verhältnis von 17,29 % erscheint enorm, insbesondere vor dem Hintergrund der – wie in dem Kapitel 1 dieser Stellungnahme dargestellt – unzuverlässigen Schiffbarkeit der 550 Kilometer langen deutschen Elbe. Es fehlt der Zugriff auf die Studie, um diese Aussagen nachvollziehen zu können.

Ein Ökonomischer Binnenertragswert ERR von 17,012 % ist enorm hoch und sollte fundiert nachgewiesen werden, wie es zu diesem Ergebnis kam, um nicht den Anschein zu erwecken, das hier Phantasiezahlen genannt werden.

Die zwei tabellarischen Darstellungen (Tabelle 2 und 3) beruhen auf vollkommen unterschiedlichen Szenarien. Sie sind nicht vergleichbar und daher nicht aussagekräftig.

 

Zukünftiger Anstieg der Gütertransporte ist unrealistisch

Die vorgelegten Daten zur Erhöhung des Transportaufkommens sind aus folgenden Gründen nicht belastbar:

Zu der Erhöhung des Transportaufkommens ist zu fragen, inwiefern das potentielle und tatsächliche Transportaufkommen verwechselt werden. Es ist anzunehmen, dass die Studien allein das Potential zur Kalkulation heranziehen, was aber in Zeiten ökonomischer Rezession zur Überschätzung der erzielten Erträge führt. Die Berechnung Transportmenge ist nicht belastbar, da keine objektiven Daten zur Produktionsmenge der anliegenden Unternehmen vorliegen. Die schlechte Datenlage kommt schon in dem lückenhaften Vorhandensein der Daten in den 2000er Jahren zum Ausdruck (siehe Studie zu den Einsparungen, S. 6).

Selbst wenn Unternehmen verlässliche Zahlen liefern – und nicht zu befürchten wäre, dass die Transportmenge im Eigeninteresse überschätzt werden würde, da ein Ausbau der Wasserwege eine Quersubventionierung von Transportkosten bedeutet – ist die Fähigkeit der einzelnen Unternehmen valide Prognosen zur Absatzmarktentwicklung (und damit schlussendlich über die Produktionsmenge) auf einen sehr kleinen Zeitraum beschränkt. Für die Jahre 2020-2040 sind die Angaben nicht aussagekräftig.

Nimmt man weitaus validere Daten wie das geringere Wachstum des BIP und die Demographie (niedriges Wachstum) mit in die Schätzung auf (anstatt die Aussagen der Reedereien und Frächter, wie es in der Studie zu den Einsparungen getan wurde), dann würde ein gegenläufiger Trend deutlich: Es wurde zwar erwähnt, dass diese Entwicklung zum „erwarteten Rückgang der Nachfrage nach der Transportschifffahrt im Jahr 2020 um bis zu 5 bis 10 % führt“, aber es wurde dieser negativ Trend ohne Begründung nicht weiter berücksichtigt.

In Tabelle 3 und 4 der Studie zu den Einsparungen wird allein auf Basis von Aussagen der größten inländischen Reederei und potentiellen Frächter ein plötzlicher Anstieg der Transportmengen bis 2020 abgeleitet. Des Weiteren wird keine pessimistische Variante zitiert. Der BUND Sachsen hält diese Vorgehensweise für inakzeptabel und fordert eine fachlich-methodisch valide Neuerstellung einer unabhängigen Prognose.

Die eklatanten Unterschiede zwischen den beiden Gutachten (so genannte Marketingstudie und Modell SESTRA II überarb.) zeigen, wie willkürlich und unpräzise die Prognosen sind.

 

Schifffahrt in Tschechien

In der Studie zu den Einsparungen wird wiederholt auf die Probleme der Schifffahrt in Tschechien hingewiesen. „Die Branche der Binnenschifffahrt hat in der Tschechischen Republik in den vergangenen 25 Jahren sehr schwierige Zeiten durchgemacht.“ Begründet wurde diese Entwicklung wegen des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft.

Jedoch sieht man an den vorgelegten Daten, dass nicht nur die Schifffahrt massiv in den letzten Jahren an Transportmenge eingebüßt hat, sondern auch alle anderen Verkehrsträger (Tabelle 1 der Studie zu den Einsparungen). Hier wird ein kontinuierlicher Rückgang der transportierten Menge ersichtlich, der sich auch noch in den 2000er Jahren fortsetzt und deshalb nicht allein auf die Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft zurückzuführen ist.

(Weitere Ausführungen zur Schifffahrt in Tschechien siehe auch Kapitel 3 in der BUND-Stellungnahme, Güterschifffahrt in Tschechien.)

 

Zur Güterverlagerung vom LKW auf das Binnenschiff

Richtig wird in der Studie zu den Einsparungen auf Seite 8 festgestellt:

„Der wesentliche Faktor der die Menge der transportierten Tonnen und die Tarife bei den grenzübergreifenden Transporten beeinflusst ist die Unzuverlässigkeit des Wasserweges Elbe in Folge der Unzuverlässigkeit der Bedingungen für die Schifffahrt. Vor allem die Unmöglichkeit den Kunden eine Kapazität der notwendigen Transporte zu garantieren, eventuell die unmögliche Erfüllung der zeitlichen Bedingungen der einzelnen Auftraggeber verursachen einen schrittweisen Rückgang der Warenströme zu Gunsten anderer Transportarten.“

Diese Analyse trifft auch auf die deutsche Elbe zu. Daher gehen auch auf dem deutschen Abschnitt der Elbe seit über zwanzig Jahren die Transporte immer weiter zurück (siehe Ausführungen in der BUND-Stellungnahme Kapitel 3). Immer wieder wird auf die Unsicherheit des Transportweges hingewiesen und die daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf den Gütertransport per Schiff (Studie zu den Einsparungen, S.24). Auch in der Studie zu den Einsparungen wird die Erkenntnis formuliert, dass selbst wenn nur ein Streckenabschnitt nicht schiffbar ist, die gesamte Wasserstraße nicht für den Transport in Anbetracht gezogen wird. Doch mit dem Bau der Staustufe Děčín wird eben nur auf einer Strecke von 9 Kilometern eine verlässliche Befahrbarkeit hergestellt. Auf den restlichen 330 Elbkilometern bis nach Magdeburg bleibt die Schifffahrt unzuverlässig und damit die genannten Prognosen unrealistisch. Der daraus folgende Schluss, dass es keine Verlagerung auf das Elbegüterschiff geben wird, wird jedoch nicht gezogen.

Der BUND Sachsen stellt fest: Eine Verlagerung vom LKW auf das Binnenschiff wird nicht stattfinden. Die Prognosen zur Wirtschaftlichkeit sind unzutreffend.

Doch selbst Wasserstraßen, die ganzjährig vollschiffbar sind – wie das Beispiel Mittellandkanal weiter zeigt (Abb. 17) - sind kein Garant, dass mehr Güter auf das Schiff verlagert werden.

 

Abb. 17: Vergleich der Transporte im Ost-Westverkehr vor dem Bau der Trogbrücke (vor 2003, grüne Säulen) und danach (nach 2003, blaue Säulen).

Angaben in Mio. Tonnen. 1995 – 2002 Zählstelle Schleuse Niegripp – Aussagekräftig für den West-Ostverkehr ohne Trogbrücke. 2004 – 2012 Zählstelle Schleuse Hohenwarthe – Aussagekräftig für den West-Ostverkehr mit Trogbrücke. 2008 war die Trogbrücke für fünf Wochen wegen Wartungsarbeiten geschlossen. Quelle: WSD Ost

Erläuterung: Vor der Fertigstellung des Wasserstraßenkreuzes bei Magdeburg durch den Bau der Trogbrücke musste die Schifffahrt eine Schleife durch die Elbe fahren und war damit abhängig von den Wasserstandschwankungen des freifließenden Flusses. Seit dem Bau der Trogbrücke ist ganzjährig eine Tiefe von 4 m vorhanden und die Schiffe könnten 1500 Tonnen laden. Doch stiegen die in Ost-Westrichtung transportierten Gütermengen kaum.

 

Externe Kosten: Schiene vs. Güterschiff

Leider wurde in der Auswertung der Stellungnahmen in der Anlage SP13 nur unzureichend auf die Hinweise eingegangen.

Kosten für Infrastruktur
Die Binnenschifffahrt beteiligt sich kaum an den erheblichen Kosten für Infrastruktur, Betrieb und Unterhaltung. Auf der Elbe werden keine Wegekosten, Trassengebühren oder Maut erhoben, wie es bei der Bahn oder beim LKW der Fall ist.

Umwelt- und Ressourcenkosten
Flusslandschaften sind die am stärksten veränderten und bedrohten Lebensräume. Gleichzeitig gehören sie – im frei fließenden Zustand – zu den artenreichsten Lebensräumen und sind damit die Hot-Spots der Biodiversität (Artenvielfalt). Zum anderen bilden sie das Rückgrat der sogenannten gründen Infrastruktur. Wenn auf der Elbe ein ganzjähriger, verlässlicher Transport von Gütern ermöglicht werden soll, müsste sie nicht nur in Tschechien, sondern auch auf dem deutschen Abschnitt komplett kanalisiert und gestaut werden. In der Konsequenz würde der Fluss und seine Auen erheblich verändert und zerstört werden. Vor diesem Hintergrund wäre die Güterschifffahrt auf der Elbe im Vergleich zur Schiene nicht als umweltfreundlich anzusehen.

Ausstoß von CO2 und anderen Klimagasen, sowie Feinstaub
In der Dokumentation EVU wird immer wieder darauf verwiesen, dass der Bau der Staustufe Děčín zu einer Reduktion der Treibhausgase führen soll auf Grund der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf das Güterschiff (z. B. Seite 58 ff). Unabhängig davon, dass eine Verlagerung vom LKW auf das Binnenschiff nicht realistisch ist, ist das Güterschiff auf der Elbe mit einer durchschnittlichen Beladung von 200-300 Tonnen[20] (einschließlich der Leerfahrten) energetisch, und folglich auch was den Ausstoß von Klimagasen und Feinstaub betrifft, nicht effizient. In der Studie von Planco (2007)[21] zum Verkehrsträgervergleich ist davon auszugehen, dass ein beladenes Schiff zugrunde gelegt wurde, wie sie beispielsweise auf dem Rhein verkehren. Auf dem Rhein beträgt die durchschnittliche Beladung eines Schiffes ca. 1500 Tonnen[22].

Planco verweist explizit darauf hin, dass der „Leistungsbedarf bei gegebenen Tiefgang, gegebener Wassertiefe und gegebener Geschwindigkeit mit zunehmender Schiffsgröße sinkt. Somit sinkt auch der Leistungsbedarf je Ladungstonne und damit der spezifische Energieverbrauch.“ (Seite 15). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei geringem Beladung, geringem Tiefgang und Wassertiefe sowie kleinen Schiffen, die auf der Elbe verkehren, der Leistungsbedarf, also der Energieverbrauch erheblich höher liegt.

 

Prognosen in der Dokumentation und der Studie zu den Einsparungen

Unverständlich ist, warum für das Jahr 2020 ein Ansteigen der Transporte auf 2,7 Mio. Tonnen prognostiziert wurde zu einem Zeitpunkt, wo die Staustufe Děčín noch gar nicht in Betrieb ist. Die ist ein weiterer Beleg für die vollständige Ungeeignetheit der bislang vorliegenden „Ökonomischen Analyse“.

Weiterhin wird davon ausgegangen, dass auch aus der weiteren Umgebung Waren zur Elbe transportiert werden, um sie dort auf das Schiff umzuschlagen. Diese Annahme ist unrealistisch, da zum einen Umschläge kostenintensiv sind, die Logistik verkomplizieren und zum anderen die Wasserstraße Elbe unsicher ist und keine verlässlichen Fahrtiefen bietet.

Die Prognose der betriebs- und volkswirtschaftlichen Kostenersparnisse stehen und fallen mit der auf das Schiff verlagerten Menge und der Verlässlichkeit der Schiffbarkeit – beides sind Komponenten, die von schwer vorhersagbaren ökonomischen und klimatischen Bedingungen abhängen.

Nicht thematisiert werden die extremen und häufigen monatelangen Niedrigwasser der deutschen Elbe.

 

Der BUND Sachsen zieht folgendes Fazit

Daher wäre eine wesentliche Zunahme des Gütertransports per Elbe-Schiff auch nach dem Bau der Staustufe nicht zu erwarten. Eine Ausnahmegenehmigung nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie kann daher nur als nicht gerechtfertigt bewertet werden.

 

 

5.  Internationale und Europäische Dokumente und
     Richtlinien

Vereinbarkeit des Staustufenprojektes mit dem europäischen Recht der Wasserrahmenrichtlinie

Die rechtliche Zulässigkeit und Genehmigungsfähigkeit der Staustufe Děčín richtet sich nach den Anforderungen des gemeinschaftlichen Wasserrechts, in Form der WRRL (RL 2000/60/EG) und ihrer Tochterrichtlinien (u.a. RL 2008/105/EG). Die WRRL enthält in Art. 4 WRRL die Umweltziele für oberirdische Gewässer und für Grundwasser. Danach ist zum einen eine Verschlechterung des Zustands aller Gewässer durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verhindern (sog. Verschlechterungsverbot) und zum anderen die Erreichung eines guten Zustands zum maßgeblichen Zeitpunkt (22.12.2015) zu erreichen (sog. Zielerreichungsgebot bzw. Verbesserungsgebot). Bei der Auslegung und Anwendung der rechtlichen Vorschriften der WRRL ist das Urteil vom 1.07.2015 des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rs.  C-461/13 („Weservertiefung“) sowie das Urteil des EuGH vom 11.09.2012 in der Rs. C-43/10 (Acheloos) zu beachten. Der EuGH hat in seinem Urteil zur Weservertiefung ausdrücklich klargestellt, dass die Genehmigung eines Vorhabens (vorbehaltlich einer Ausnahme) zu untersagen ist, wenn das Vorhaben zu einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers führen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands zu dem nach der WRRL maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet (Verstoß gegen Verschlechterungsverbot und Zielerreichungsgebot). Von einer Verschlechterung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. i WRRL ist auszugehen, wenn sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente des Anhang V WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn die Verschlechterung nicht zu einer Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Dies bedeutet, dass es nicht auf eine Änderung des gesamten ökologischen Zustandes um eine Klasse ankommt, entscheidend ist die Herabstufung einer biologischen Qualitätskomponente des Anhangs V. Ist eine jeweilige Qualitätskomponente bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, so stellt jede negative Veränderung dieser Komponente einer Verschlechterung des Zustands dar. Für die Bewertung eines Vorhabens ist somit der Status Quo einer Gewässerqualität maßgeblich, so dass das der gegenwärtige Zustand eines Gewässers fehlerfrei und angemessen im Sinne der WRRL dokumentiert werden muss, um eine Bewertung des Vorhabens vornehmen zu können.

Das richtungsweisende Urteil des EuGH wird in den gesamten Planunterlagen zur Staustufe Děčín mit keinem Wort erwähnt. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens maßgeblich nach der vom EuGH vorgenommenen Auslegung der Umweltziele aus Art. 4 WRRL richtet. Generell ist festzustellen, dass die geplante Staustufe dem Regelungszweck der WRRL entgegenläuft. Der Regelungszweck der WRRL besteht darin, die anthropogenen Einflüsse und Belastungen der europäischen Gewässer zu senken und so einen guten Zustand herbeizuführen, der dem natürlichen Zustand der Gewässer ohne anthropogene Einflüsse entspricht. Die Realisierung einer Staustufe mit weiteren Eingriffen (Baggerung, Anlegen von künstlichen Barrieren und Buhnen, Uferbefestigungen usw.) ist ein Paradebeispiel für einen anthropogenen Einfluss auf ein Gewässer, der dem Regelungszweck der WRRL zu wider läuft (vgl. Art. 1 WRRL). Im Folgenden soll dargelegt werden, dass das Vorhaben nicht mit den Zielen der WRRL vereinbar ist und auch die Genehmigungsplanung in dieser Hinsicht defizitär ist. Die Ausführungen beziehen sich auf die Variante 1b der Staustufe, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Auswirkungen grundsätzlich analog zu der Variante 1 sind (somit die Ausführungen für beide Varianten gelten).

 

1. Verschlechterung des Zustands und Verhinderung der Zielerreichung von Oberflächenflächengewässerkörper

Ob das Vorhaben zu einer Verschlechterung des Zustands und/oder zur Verhinderung der Zielerreichung eines guten Zustands führt, ist in Hinsicht auf den gegenwärtigen Zustand (Status-Quo) der Qualitätskomponenten der betroffenen Oberflächenwasserkörper zu beurteilen. Bezugspunkt der Umweltziele (Art. 4 WRRL) ist der Oberflächenwasserkörper (OWK), der von dem Vorhaben beeinflusst wird. Die Ausführungen Dokumentation der Umweltauswirkungen zur Beeinträchtigungen beziehen sich auf Oberflächenwasserkörper, in diesem Punkt wird den Vorgaben der WRRL entsprochen. Folgende Oberflächenwasserkörper sind hinsichtlich ihrer Beeinträchtigung durch das Staustufenvorhaben untersucht worden:

Oberflächenwasserkörper

 

ID des Wasserkörpers

Zustand des

Wasserkörpers

natürlicher / stark

beeinflusster OWK

Elbe vom Jílovský potok bis zu der Staatsgrenze

OHL_1150

Unzureichend

natürlich

Elbe von dem Fluss Bílina bis Jílovský potok

OHL_0940

Unzureichend

natürlich

Jílovský potok von der Quelle bis zu der Mündung in die Elbe

OHL_0930

Unzureichend

natürlich

Ploučnice von Robečský potok bis zu der Mündung in die Elbe

OHL_1110

Unzureichend

natürlich

Diese Darstellung wurde der Dokumentation der Umweltauswirkungen auf S. 193 entnommen.

 

Insgesamt sind vier OWK auf ihre Beeinträchtigung durch das Vorhaben untersucht worden und hinsichtlich ihres gegenwärtigen biologischen und chemischen Zustands dargestellt worden. Es fehlen in der Untersuchung jedoch die OWK auf deutscher Seite. Flussabschnitte auf deutscher Seite und die zu erwartenden Auswirkungen werden pauschal abgehandelt. An einer Untersuchung der Auswirkungen von OWK, die auf deutscher Seite liegen (bspw. OWK Elbe 1), fehlt es. Grundlage der Bewertung einer Gewässereinwirkung ist der gegenwärtige Zustand eines OWK. Die Planunterlagen sind in Bezug auf Beeinträchtigungen von OWK auf deutscher Seite defizitär, da es schon an einer Grundlage für die Bewertung fehlt. Der gegenwärtige Zustand der OWK auf deutscher Seite wird nicht wiedergegeben bzw. auch nicht berücksichtigt, so dass die Auswirkungen des Vorhabens nicht entsprechend der WRRL bewertet werden können. Hierin ist ein Defizit der vorgenommenen Umweltverträglichkeitsprüfung zu sehen, die daher nicht dazu fähig ist, eine fehlerfreie Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Schutzgut Wasser) zu ermöglichen.

Ungeachtet der Tatsache, dass die vorgenommene Prüfung der Auswirkungen auf OWK auf deutschem Staatsgebiet fehlerhaft ist, sind weitere Mängel bei der Untersuchung der Auswirkungen auf die OWK, die auf tschechischem Staatsgebiet liegen, festzustellen.

Wie oben ausgeführt, sind die Auswirkungen eines Vorhabens auf den ökologischen Zustand in Hinsicht auf die Qualitätskomponenten des Anhang V WRRL zu beurteilen. Dies erfordert eine ausreichende Kenntnis und Ermittlung des gegenwärtigen Zustands der Qualitätskomponenten der betroffenen OWK. Die Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens, also die Frage danach, ob eine Verschlechterung des Zustands zu erwarten ist oder die Erreichung eines guten Zustands verhindert wird, ist ohne eine Berücksichtigung der Kompensationsmaßnahmen vorzunehmen. Der Erfolg einer Kompensationsmaßnahme gilt als nicht gesichert, daher ist die Bewertung einer Zustandsverschlechterung grundsätzlich ohne eine Berücksichtigung der Kompensationsmaßnahmen festzustellen. Kompensationsmaßnahmen sind hingegen erst bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von dem Verschlechterungsverbot (vgl. Art. 4 Abs. 7 WRRL) zu berücksichtigen, nämlich bei der Voraussetzung, ob alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen eines Vorhabens zu mindern (vgl. Art. 4 Abs. 7 lit. a WRRL). Im Gegensatz dazu werden im Rahmen der Genehmigungsplanung der Staustufe Děčín die vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen bei der Bewertung berücksichtigt, ob das Vorhaben zu einer Verschlechterung des Zustands der betroffenen OWK führt. Somit mangelt es an einer fehlerfreien Bewertung einer Verschlechterung des Zustands, worin ein Gegensatz zu den Bestimmungen der WRRL zu sehen ist. Des Weiteren können Kompensationsmaßnahmen selbst Verschlechterungen des Zustands bewirken und damit unzulässig sein. Ein Beispiel hierfür stellt die vorgesehene Anlage neuer Laichplätze für die Fischfauna an der Mündung der Elbnebenflüsse „Jílovský potok“ und „Plouniče“ dar. Die zum jetzigen Zeitpunkt (Status-Quo) vorhandenen kiesigen Ufer, die bedeutende Laichplätze für verschiedene geschützte Arten (Fische und Makrozoobenthos) darstellen und eine besondere Funktion in dem Ökosystem haben, sollen mit anfallendem Baggergut zugeschüttet werden und die Flussmündungen neugestaltet werden, um neue Laichplätze anzulegen, die durch die Erhöhung des Wasserspiegels verloren gehen würden. Dies stellt auch ohne die Realisierung der Staustufe für sich genommen eine Verschlechterung des Zustands der oben gennannten OWK dar.

Bei der Bewertung des Staustufenvorhabens unter Berücksichtigung der Vorgaben der WRRL und der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich folgende Bewertung der Auswirkungen auf die Oberflächenwasserkörper:

Alle vier untersuchten OWK werden in mindestens einer Qualitätskomponente des biologischen Zustands stark beeinträchtigt, so dass eine Herabstufung der Klassifikation der betreffenden Qualitätskomponente zu erwarten ist. Damit liegt eine Verschlechterung des Zustands im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. Ziff. i WRRL für vier OWK vor. Zudem ist zu beachten, das OWK, die nicht auf tschechischem Staatsgebiet liegen, nicht hinreichend in der Untersuchung beachtet worden sind. Auch für diese OWK ist eine Verschlechterung des Zustands anzunehmen, da sie aufgrund des zusammenhängenden Flusssystems gleichermaßen betroffenen sind. Ein Beispiel hierfür sind die Auswirkungen der Staustufe als Wanderbarriere für Fischarten, die sich gleichermaßen auf den Erhaltungszustand der Fischarten im Unterlauf der Elbe auswirkt.


Für folgende Qualitätskomponenten des biologischen Zustands nach Anhang V WRRL werden durch die Staustufe und damit zusammenhängende Maßnahmen stark beeinträchtigt:

Biologische Qualitätskomponenten

Phytoplankton

Das Vorhaben führt zu einer Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit der Elbe und ihrer Nebenflüsse oberhalb der Staustufe. Dadurch wird sich ein erhöhter Algenwuchs einstellen. Im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand ist diese Veränderung als negativ zu bewerten, da sich die Artenvielfalt und die Menge des Phytoplanktons ändern wird. Zudem steigt die Gefahr einer übermäßigen Algenblüte, was wiederum zu einer verstärkten Sauerstoffzehrung und zu einer Zunahme der Biomasse führt und somit die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten nachhaltig negativ beeinflusst. Die Auswirkungen auf die Qualitätskomponente Phytoplankton können nicht gemäß den Anforderungen der WRRL und des EuGH-Urteils zu Weservertiefung bewertet werden, da eine negative Auswirkung auf die Klassifikation der Qualitätskomponente nicht geprüft wurde.

 

Makrozoobenthos

Das Vorhaben führt zu einer Vertiefung des Flussbettes und zum Verlust der Strömungsumgebung, sowie zur Erhöhung bzw. Vertiefung der Wassertiefe und zur Reduzierung der Heterogenität der Habitate, was die Biozönosen des Makrozoobenthos negativ beeinflusst. Durch die Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit oberhalb des Wehrs erhöht sich die Sedimentation, was Makrozoobenthos ebenfalls negativ beeinflusst, da sich eher feinere Partikel ablagern. Zudem stellen auch die Verringerung der Sauerstoffanreicherung sowie erhöhte Schadstoffwerte durch den Sedimentaushub Beeinträchtigungen dieser Qualitätskomponente dar. Das Vorhaben wird durch Baggerarbeiten und Veränderung der Ufer auch zur direkten Tötung wirbelloser Arten führen. Auch die Artenzusammensetzung und Artenvielfalt wird in Folge der völligen Änderung der hydrologischen Gegebenheiten sehr wahrscheinlich reduziert. Einer der größten negativen Auswirkungen ist die Wirkung der Staustufe als Barriere. Diese führt zur Unterbindung der Wanderbewegungen von Makrozoobenthos, weswegen eine Verschlechterung des Zustands nicht nur vorübergehend ist. Es ist aufgrund dieser zahlreichen negativen Auswirkungen nicht ausgeschlossen, dass die Biozönose des Makrozoobenthos vollständig zerstört wird. Ein Klassenwechsel der Qualitätskomponente Makrozoobenthos von derzeit „unbefriedigend“ auf „schlecht“ kann entgegen den Aussagen in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung erwartet werden.

 

Fischfauna

Das Vorhaben beeinflusst die Artenzusammensetzung und Artenhäufigkeit nachhaltig negativ. Zum einen reduziert sich die Fließgeschwindigkeit oberhalb der Staustufe, so dass dort der Rückgang von rheophilen Arten zu erwarten ist. Des Weiteren wirken sich die geringere Sauerstoffkonzentration und die erhöhte Schadstoffbelastung (durch Freisetzung bei Vertiefungsarbeiten) negativ auf die Fischfauna aus. Die gegenwärtig vorhandenen Laichplätze am Ufer gehen in Folge der Änderung des Wasserspiegels auf beiden Seiten der Staustufe vollständig verloren. Zudem ist die Aufschüttung mit dem Aushub der Flusssohle vorgesehen, welche ebenfalls zum Verlust dieser Laichplätze führt (vor allem an den Mündungen der Nebenflüsse). Unbestreitbar dauerhafte negative Auswirkungen stellt die Barriere der Staustufe für die Migrationswirkung der Fischfauna dar. Vom Vorhabenträger werden zwar verschiedene Fischaufstiegsanlagen geplant, allerdings stellt die Umweltverträglichkeitsprüfung (S. 333) richtigerweise fest, dass diese eine völlige gegenströmige störungsfreie Wanderung nicht im vollen Umfang gewährleisten können. Gleichzeitig wird natürlich auch die flussabwärts gehende Migration der Fischfauna nicht frei, wie zum gegenwärtigen Zustand, möglich sein. Im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand ist daher eine Verschlechterung der Durchgängigkeit der Elbe zu erwarten, die sich nicht nur auf einzelne OWK erstreckt, sondern die Fischpopulationen des gesamten Flusssystems nachhaltig negativ beeinflusst (vor allem Aal, Stör, Lachs). Daher ist die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung getroffene Feststellung, dass nur zwei Elbe-OWK betroffen wären, unzutreffend. Vielmehr wirkt sich die künstlich verhinderte Migration der Fischfauna auch stromaufwärts und stromabwärts als auch in den OWK der Nebenflüsse aus, da wandernde Fische aufgrund der Barriere nicht die höher gelegenen Elbebereiche und ihre Nebenflüsse erreichen können.

Zudem wird das vorgesehene Wasserkraftwerk die Tötung von Fischen bedingen. Die angenommene Turbinenmortalität von 5 % ist viel zu gering angenommen, stellt jedoch auch bei angenommenen 5 % eine massive Gefahr für Fische dar, getötet zu werden. Auch Rechen vor den Turbinen können eine Tötung nicht ausschließen. Dies wird sich negativ auf die Artenvielfalt und Artenhäufigkeit auswirken, wobei die Ausmaße größer anzunehmen sind, als in der Umweltverträglichkeitsprüfung beschrieben. Aufgrund dieser zahlreichen negativen Auswirkung der Staustufe kommt die Umweltverträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass sich die Qualitätskomponente Fischfauna von derzeitigem „mäßigem“ Zustand auf „beschädigt/unzureichend“ für die untersuchten Elbe-OWK fällt. Fehlerhaft ist diese Annahme in der Hinsicht, dass nur die Elbe-OWK (OHL_1150, OHL_0940) betroffen sein sollen. Wie bereits dargelegt, wird sich Staustufe grundlegend negativ auf das ganze Ökosystem Elbe auswirken, weil der Austausch von verschiedenen Fischpopulationen (vor allem migrierender Fischarten) verhindert wird, so dass eine Verschlechterung der Qualitätskomponente Fischfauna auch für andere Wasserkörper zu erwarten ist.

 

Makrophyten und Phytobenthos

Für die Bewertung der Einwirkungen des Vorhabens auf die biologische Qualitätskomponente Makrophyten und Phytobenthos fehlt es an einer geeigneten Datengrundlage. Die biologische Qualitätskomponente Makrophyten wurde in beiden untersuchten Wasserkörpern auf der Elbe nicht klassifiziert (Dokumentation S. 335). Auch für den Wasserkörper des Nebenflusses Jílovský potok fehlt es in Hinsicht auf Makrophyten an einer Datengrundlage. Dementsprechend kann eine Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf Makrophyten gemäß den Anforderungen der WRRL nicht vorgenommen werden (Dokumentation EVU S. 335). Hierin ist ein Defizit der Genehmigungsplanung zu sehen. Es kann aufgrund einer fehlenden Datengrundlage nicht festgestellt werden, ob durch das Vorhaben sich die Einstufung dieser Qualitätskomponente verändert. Hier trägt der Vorhabenträger die Verantwortung, prüffähige Genehmigungsunterlagen bereitzustellen, die eine Überprüfung und Bewertung der Auswirkungen möglich machen. Daran fehlt es vorliegend. Die möglichen, in der Dokumentation diskutierten Auswirkungen, sind reine Spekulation, wenn es an einer geeigneten Datengrundlage fehlt. Fehlt es an einer Datengrundlage, die vom Vorhabenträger nicht erbracht werden kann, so sind die Auswirkungen auf Makrophyten im Sinne einer Worst-Case-Betrachtung abzuschätzen. Auch diese Worst-Case-Betrachtung wurde jedoch nicht im Rahmen der Dokumentation vorgenommen. Generell lässt sich sagen, dass aufgrund des erheblichen Verlustes von Strömungshabitaten durch den Stau und durch den erhöhten Nährstoffgehalt oberhalb der Staustufe, sich auch negative Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung und auf die Anzahl der einzelnen Arten ergeben. Des Weiteren wird die Bautätigkeit an der Staustufe sowie das Anlegen von Uferbefestigungen und neuen Uferbänken zu einem direkten Verlust des bestehenden Makrophyten-Vorkommens führen und beeinflusst diese Qualitätskomponente negativ. In der Dokumentation findet sich die Behauptung, dass sich diese negativen Auswirkungen nicht auf die Klassifikation der Qualitätskomponente Makrophyten auswirken. Eine ausreichende Begründung anhand der bestehenden Datenlage fehlt jedoch. Hierbei ist zu beachten, dass Daten in Hinsicht auf die Qualitätskomponente Makrophyten für den OWK des Elbenebenflusses Plouniče

vorliegen. An der Plouniče befindet sich die Qualitätskomponente Makrophyten in einem sehr guten Zustand, d. h. sie entspricht den Referenzbedingungen. Da sich die Qualitätskomponente in einem sehr guten Zustand befindet, stellt jede negative Veränderung des gegenwärtigen Zustands eine Verschlechterung des Zustands dar.

Ebenfalls an einer Bewertungsgrundlage fehlt es für die Qualitätskomponente Phytobenthos. Die Ausführungen zur Qualitätskomponente Makrophyten gelten daher auch für die Qualitätskomponente Phytobenthos.

 

Hydromorphologische Qualitätskomponenten

Wasserhaushalt

Die Hydromorphologische Qualitätskomponente wird durch die geplante Staustufe erheblich beeinträchtigt. Die Dynamik der Strömung wird oberhalb der Staustufe maßgeblich reduziert, so dass sie keinesfalls mehr der natürlichen Strömungsdynamik entspricht. Es ist darauf hinzuweisen, dass die betreffenden OWK der Elbe hinsichtlich der Strömungsdynamik den natürlichen Gegebenheiten entsprechen, sich also gegenwärtig in einem guten Zustand befinden. Die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt durch die geplante Staustufe sind so gravierend, dass der Vorhabenträger die betroffenen Elbe-OWK als erheblich verändert einstufen will (was in diesem Fall jedoch rechtlich unzulässig ist). Des Weiteren wird die Verbindung der OWK mit den Grundwasserkörpern erheblich gestört. Die im gegenwärtigen Zustand neben der Elbe fließenden Grundwasserkörper werden durch die Staustufe abgesenkt und beeinträchtigen somit die Verbindung der OWK zu den parallel verlaufenden Grundwasserkörpern. Es ist mit der anthropogenen Überprägung der gesamten hydrologischen und hydraulischen Verhältnisse in dem betreffenden Gebiet zu rechnen, die auch Infiltrations- und Exfiltrationsprozesse maßgeblich verändern. Es kann daher auch nicht vom Vorhabenträger bezweifelt werden, dass diese hydrologische Qualitätskomponente sich eindeutig um mindestens eine Klasse durch die geplante Staustufe verschlechtert.

 

Durchgängigkeit des Flusses

Wie bereits im Rahmen der Auswirkungen auf die Fischfauna beschrieben, wird die geplante Staustufe die Durchgängigkeit der Elbe enorm verschlechtern. Eine ungestörte Migration aquatischer Organismen wird auch durch die geplanten Fischaufstiegshilfen nicht gewährleistet, zum anderen wird sie die Tötung von aquatischen Organismen bedingen (durch Wasserkraftwerk). Die Durchgängigkeit der Elbe ist zu diesem Zeitpunkt in diesem Gebiet gegeben, so dass unzweifelhaft eine Verschlechterung dieser hydromorphologischen Qualitätskomponente anzunehmen ist. Weiterhin wird sich die Störung der Durchgängigkeit auf die aquatischen Organismen auswirken und somit Auswirkungen auf alle Abschnitte der Elbe von der Quelle bis zur Mündung bedingen. Der Verlust der Durchgängigkeit ist auch für den Transport von Sedimenten in der Elbe von Bedeutung. Durch die geplante Stauung werden sich Sedimente oberhalb der Staustufe ablagern und fehlen somit im weiteren Verlauf der Elbe unterhalb der Staustufe. Dies wird verheerende Folgen nicht nur für die zwei untersuchten OWK der Elbe haben, sondern führt zu einer Verschlechterung aller OWK unterhalb der Staustufe, da der natürliche Transport der Sedimente unterbunden wird. Auswirkungen des fehlenden Sedimenttransports sind eine erhöhte Erosion und die Vertiefung des Flussbetts der Elbe, da sich die Elbe aufgrund fehlenden Sedimenttransports immer tiefer in sein Flussbett gräbt. Zugleich ergeben sich dadurch Wechselwirkungen auf die von der Elbe abhängigen Landökosysteme (Auen), da sie durch eine Vertiefung der Elbe sukzessiv trockengelegt werden und verloren gehen. Auch die geplante Absenkung der Staustufe im Hochwasserfall kann keinesfalls einen ungehinderten und gleichmäßigen Transport der Sedimente sicherstellen, da es sich um einen einmaligen Vorgang handelt und dieser nicht dem natürlich gegebenen gleichmäßigen Sedimenttransport entspricht.

 

Morphologie

Durch die geplante Staustufe wird die Morphologie des Flusses beeinträchtigt, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt anthropogenen Einflüssen unterliegt (bspw. Uferbereiche in der Stadt Děčín), jedoch dadurch nicht als erheblich verändert anzusehen ist. Die Auswirkungen der Staustufe werden sich auf diese Qualitätskomponente besonders eindeutig zeigen. Zum einen wird der Pegel der Elbe nachhaltig verändert. Oberhalb der Staustufe wird sich entsprechend des Ziels der Stauung der Pegel erhöhen. Unterhalb der Staustufe wird sich der Pegel um mindestens 60 cm senken. Auch wesentlich weiter unterhalb der Staustufe ist mit einer erheblichen Senkung des Pegels zu rechnen. Entgegen den Darstellungen in der Dokumentation der Umweltauswirkungen wird sich der Pegel der Elbe nicht wenige Kilometer unterhalb der Staustufe wieder auf sein bisheriges Niveau normalisieren. Eine Senkung des Pegels um 60 cm bzw. 40 cm direkt unterhalb der Staustufe wird auch Auswirkungen auf OWK der Elbe, die auf deutschen Staatsgebiet liegen. Die Änderung der Pegel unterhalb und oberhalb der Staustufe wird sich negativ auf die Breite der Elbe und seiner Nebenflüsse auswirken. Zum einen werden dadurch Ufer unterhalb der Staustufe freigelegt und trocknen somit aus. Zum anderen werden Uferbereiche oberhalb der Staustufe dauerhaft überschwemmt und gehen somit verloren. Zugleich wird auf die Uferbereiche negativ durch den Bau von Betonmauern und durch Aufschüttungen von ausgehobenen Sedimenten negativ eingewirkt, so dass diese in ihrer natürlichen Ausprägung vollständig verloren gehen. Zugleich ändern sich die Uferbereiche (und Laichplätze) in ihrer Zusammensetzung, da sich durch die Staustufe eher feinere Sedimente ablagern. Alle negativen Einflüsse auf Uferbereiche betreffen auch die Mündungsbereiche der Nebenflüsse Plouniče und Jílovský potok.

Besonders negativ ist die Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit. Die zwei untersuchten Elbe-OWK stellen in ihrem gegenwärtigen Zustand einen Gewässerabschnitt dar, der hohe Fließgeschwindigkeiten aufweist. Da die Elbe flussabwärts natürlich bedingt die Fließgeschwindigkeit reduziert und auch flussaufwärts durch vorhandene Staustufen die Fließgeschwindigkeit erheblich reduziert wurde, kann man davon ausgehen, dass es sich um einen der letzten frei fließenden Abschnitte der Elbe handelt, der hohe Fließgeschwindigkeiten aufweist. Dementsprechend angepasst und einzigartig ist die biologische Vielfalt dieses Abschnittes. Mit der Reduzierung der Fließgeschwindigkeit, bedingt durch die Aufstauung, ist mit einem Verlust der Flora und Fauna zu rechnen, die an die hohe Fließgeschwindigkeit angepasst sind. Das Gleiche bedingt auch die Änderung der Wassertiefe, die oberhalb der Staustufe erhöht und unterhalb erheblich gesenkt wird. Diese negativen Auswirkungen ändern die Morphologie der Elbe und ihrer Nebenflüsse so stark, dass sich die Klassifikation der Qualitätskomponente auf „stark beeinflusst“ verschlechtert (siehe Dokumentation S. 332). Die Morphologie wird durch die Staustufe und die geplanten weiteren Maßnahmen völlig anthropogen überformt und führt in der Folge zum Verlust der natürlich gegebenen Morphologie. Die Verschlechterung betrifft vorwiegend und eindeutig die zwei untersuchten Elbe-OWK und die der Nebenflüsse, kann jedoch durch Folgewirkungen auch die Morphologie der flussabwärts gelegenen OWK negativ beeinflussen.

 

Physikalisch-chemische Qualitätskomponenten

Temperatur, Sauerstoffkonzentration, Schadstoffe

Es ergeben sich durch die geplante Staustufe mehrere nachteilige Einwirkungen auf die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten der Elbe-OWK sowie der Nebenflüsse Plouniče und Jílovský potok. Die Temperatur wird durch die Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeit erheblich steigen. Auch die Verringerung des Wasserpegels unterhalb der Staustufe wird zu erhöhten Temperaturen führen. Zu bedenken ist, dass sich die Temperatur der Elbe auch ohne die Staustufe in der Zukunft erhöhen wird, da die Auswirkungen des Klimawandels auch die Gewässertemperaturen in Europa erhöhen. Es ist daher möglich, dass die Erhöhung der Temperatur durch die Staustufe und durch die klimatische Entwicklung in besonderen niederschlagsarmen Monaten so drastisch zunimmt, dass problematische Gewässertemperaturen für die Fischfauna und Makrozoobenthos häufiger auftreten. Diese kumulativen Wirkungen werden in der Dokumentation der Umweltauswirkungen nicht berücksichtigt. Neben der Temperaturerhöhung wird sich als weitere Folgewirkung der Staustufe die Sauerstoffkonzentration in der Elbe verringern. Die Dokumentation der Umweltauswirkungen geht hierbei von einer Senkung des gelösten Sauerstoffs von 0,6 mg/l im Vergleich zum ursprünglichen Zustand aus. Dies sind entspricht einer Senkung von 10 %. Mit bedacht werden muss, dass diese angenommene Senkung einem Durchschnittswert für ein ganzes Jahr entspricht. In trockenen und niederschlagsarmen Sommermonaten kann sich die Senkung der Sauerstoffkonzentration drastischer auswirken, da in diesen Monaten das Flusswasser natürlich bedingt eine geringe Sauerstoffkonzentration aufweist. Die Folgewirkung dieser Verringerung der Sauerstoffkonzentration wirkt sich auf alle biologischen Qualitätskomponenten negativ aus. Die Verringerung der Sauerstoffkonzentration wird sich vor allem auf die Bereiche der Elbe oberhalb der Staustufe negativ auswirken. Unterhalb der Staustufe soll das Elbwasser künstlich belüftet werden, um die nachteiligen Auswirkungen der verringerten Sauerstoffkonzentration zu kompensieren. Inwieweit die künstliche Belüftung ausreicht, um Konzentrationsverringerung zu kompensieren, wird jedoch in der Dokumentation der Umweltauswirkungen nicht thematisiert bzw. begründet. Es ist aber anzunehmen, dass die Sauerstoffkonzentration bei Nichtrealisierung der Staustufe den natürlichen Bedingungen im gegenwärtigen Zustand (Status Quo) entspricht und sich im Vergleich dazu, durch die Realisierung der Staustufe verschlechtert.

Innerhalb der Untersuchung der Auswirkungen auf die physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten, sind spezifische Schadstoffe zu berücksichtigen. Hier kann es zu einer Verschlechterung der Schadstoffbelastung kommen. Da spezifische Schadstoffe auch im Rahmen der Untersuchung der Auswirkungen auf den chemischen relevant sind, soll an dieser Stelle auf die Ausführungen zum chemischen Zustand verwiesen werden.

 

Chemischer Zustand

Die beabsichtigte Errichtung der Staustufe wird sich auch auf den chemischen Zustand der Elbe-OWK auswirken. Zum einen ist mit erhöhten Schadstoffwerten durch den Aushub des Bodenmaterials an dem geplanten Standpunkt der Staustufe zu rechnen. Auch durch die beabsichtigten Vertiefungs- und Baggerarbeiten im Schifffahrtshafen werden Schadstoffe freigesetzt, die den chemischen Zustand der Fließgewässer negativ beeinflussen. Die Untersuchung der Sedimente aus dem Jahr 2003 (hier handelt es sich eine veraltete und 13 Jahre alte Bestandserfassung) zeigt eindeutig, dass die Sedimente mit Schadstoffen überwiegend anthropogenen Ursprungs belastet sind. Folgende Stoffe wurden festgestellt: Schwermetalle (Ag, Al, As, Ba, Be, Cd, Co, Cr, Cu, Fe, Hg, Mn, Mo, Ni, Pb, Sb, Se, Sn, V, Zn), NEL, AOX, BTEX, PAU, PCB, Chlorbenzene, Di- und Trichlorbenzene, chlorierte organische Pestizide, DDT, Phenole und anorganische Ionen (Chloride, Sulfate, Nitrite, Nitrate, Zyanide, Ammoniumionen u. ä.) (Aufzählung wurde der Dokumentation auf S. 381 entnommen). Erhöhte Werte sollen sich vor allem für die Stoffe PCB und Xylenen und DDT bei den Proben ergeben haben. Damit steht fest, dass das Flussbett der Elbe mit einer Vielzahl von giftigen und gesundheitsschädigenden Schadstoffen belastet ist. Durch den Aushub des Bodenmaterials werden diese Schadstoffe freigesetzt und werden flussabwärts mit der Strömung getragen. Zudem reichern sich die Schadstoffe in Organismen am Ende der Nahrungskette an und haben somit verheerende Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Neben dem mit Schadstoffen belasteten Flussbett, sind entlang der Ufer der Elbe illegale Mülldeponien und Erdaufschüttungen anzutreffen. Auch hier ist von einer Schadstoffbelastung auszugehen, so dass selbst der Vorhabenträger davon ausgeht, dass diese Bodenmaterialien nicht weiterverwendet werden können und einer legalen Deponie zugeführt werden müssen. Insgesamt sollen bei der Vorzugsvariante ca. 1.102.200 m³ des ausgehobenen Erdreichs auf Deponien abgelagert werden, was wohl eine ganze Deponie füllen würde. Daneben ist das Sediment des Elb-Nebenflusses Plouniče radioaktiv belastet. Welchen Ursprung die radioaktive Substanz hat und wie hoch die Werte der radioaktiven Belastung sind, ergibt sich aus der Dokumentation nicht. Allerdings muss befürchtet werden, dass durch den Rückstau der Staustufe und durch die Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit sich die radioaktiv belasteten kleineren Sedimentpartikel an der Mündung der Plouniče ablagern, also an einem der herausragenden Laichplätze von verschiedenen Fischarten.

Ein weiteres hohes Risiko für eine negative Beeinträchtigung des chemischen Zustands der Oberflächengewässer besteht durch die zahlreichen Altlasten in dem Gebiet in und um Děčín. Es handelt sich zumeist um alte Industriestandorte, die noch nicht saniert wurden. Das Risiko einer Kontamination der Elbe und ihrer Nebenflüsse mit Schadstoffen dieser Altlasten entsteht durch die beabsichtigte Erhöhung des Wasserspiegels. Hierdurch und durch die Barriere der Staustufe erhöht sich auch der Grundwasserspiegel auf dem Gebiet der Stadt Děčín, die oberhalb der Staustufe liegt. Auf diese Weise steigt das Risiko der Anreicherung des Grundwassers mit Schadstoffen aus den oberen Gesteinsschichten an Standorten mit Altlasten. Durch Infiltrationsprozesse gelangt das vermehrt mit Schadstoffen angereicherte Grundwasser dann in die Elbe und beeinflusst somit auch den chemischen Zustand der Elbe negativ. Diese Auswirkungen des Vorhabens bleiben in der Dokumentation EVU unberücksichtigt, so dass auch das Ergebnis der Auswirkungen auf den chemischen Zustand fehlerhaft ist. Um zu verdeutlichen, welch eine Vielzahl an Altlasten in Děčín vorhanden sind und um zu zeigen, dass das Risiko nicht zu vernachlässigen ist, ist nachstehend eine Karte der ökologischen Altlastenstandorte aus der Dokumentation EVU dargestellt:

 


Neben der bestehenden Schadstoffbelastung der Elbe und ihrer Nebenflüsse ist mit einer weiteren Beeinträchtigung durch den Schadstoffeintrag durch die Bauarbeiten während der Errichtung der Staustufe zu rechnen. Durch den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Kontamination der Fließgewässer, die sich auf das ganze Flusssystem auswirkt. Gerade der Eintrag von Beton- und Zementgemischen u. ä. bewirkt ein massenhaftes Fischsterben, da sie stark alkalisch und ätzend wirken.

Die Ausführungen der Dokumentation der Umweltauswirkungen in Hinsicht auf die Auswirkungen auf den chemischen Zustand sind defizitär und genügen nicht den Anforderungen, die die WRRL und die RL 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik sowie die RL 2013/39/EU (die zur Änderung der beiden vorgenannten Richtlinien erlassen wurde).

Hier bedarf es an einer Darstellung und Bewertung, für welche prioritären Stoffe die Umweltqualitätsnormen eingehalten werden bzw. nicht eingehalten werden. So dann ist zu untersuchen, welche Schadstoffe durch das Vorhaben (Realisierung der Staustufe) voraussichtlich freigesetzt werden und ob dadurch eine Umweltqualitätsnorm überschritten wird. Diese Untersuchung und Bewertung der Einhaltung der Umweltqualitätsnormen fehlt den Genehmigungsunterlagen bzw. der Dokumentation EVU. Ohne diese Untersuchung und Bewertung ist es jedoch ausgeschlossen, die Auswirkungen des Vorhabens auf den chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu überprüfen. Hierin ist ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben der WRRL, RL 2008/105/EG, RL 2013/39/EU zu sehen. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei den prioritären Stoffen nach Anhang X der WRRL (zu denen auch prioritär gefährliche Stoffe zählen) um Schadstoffe und Schadstoffgruppen handelt, die ein erhebliches Risiko für die aquatische Umwelt darstellen. Einige sind bioakkumulierbar, d. h. sich reichern sich im Organismus von Wasserlebewesen an. Aus diesem Grund gibt die RL 2008/105/EG vor, dass zur Bewertung der Konzentration eines Stoffes vorrangig der Biota-Wert (also bspw. in Muscheln oder Fischen gemessene Wert) zu messen ist.

Letztlich werden die Auswirkungen des Vorhabens auf den chemischen Zustand der betroffenen Oberflächengewässer verharmlost und als vernachlässigbar dargestellt. Angesichts der dargestellten Risiken für eine Verschlechterung des chemischen Zustands ist dies nicht nachzuvollziehen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der chemische Zustand aller in der Dokumentation EVU untersuchten OWK als „schlecht“ bewertet wurde bzw. die OWK den guten Zustand bis heute nicht erreicht haben. Dies bedeutet, der schlechte chemische Zustand wird durch das Vorhaben voraussichtlich weiter verschlechtert. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der chemische Zustand in der Vergangenheit verbessert hat und bei weiterer Emissionsbegrenzung von relevanten Schadstoffen auch die Erreichung eines guten chemischen Zustands nicht ausgeschlossen ist. Allerdings wird die Realisierung des Vorhabens einer Verbesserung des chemischen Zustands entgegenstehen und diese positiven Entwicklungen umkehren.

 

Zusammenfassung der Auswirkungen auf Oberflächengewässer

Es ergibt sich folgendes Bild der Auswirkungen auf die Elbe und ihrer Nebenflüsse: Die Errichtung der Staustufe sowie das Anlegen von Buhnen und Uferbefestigungen sowie der Aushub von Bodenmaterial stellt unzweifelhaft eine Verschlechterung des Zustands i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. a WRRL dar. Wie aufgezeigt, wird die Klassifikation von mehreren Qualitätskomponenten des Anhang V WRRL negativ beeinflusst. Negative Auswirkungen sind jedoch auch auf alle Qualitätskomponenten des biologischen Zustands zu erwarten. Dies wird auch vom Vorhabenträger nicht bestritten, allerdings ist das Ausmaß der Umweltauswirkungen auf das Schutzgut Wasser viel größer anzunehmen, als dies aufgrund defizitärer Untersuchungen in der Dokumentation EVU vermittelt und festgestellt wird. Zudem wird auch der chemische Zustand der Oberflächengewässer negativ beeinflusst, der bisher schon schlecht ist.

Neben einer Verschlechterung des Zustands wird weiterhin die Erreichung eines guten Zustands der Elbe-OWK gefährdet. Die Darstellung innerhalb der Dokumentation EVU belegen klar, dass sich der biologische und chemische Zustand in vergangenen Jahren erheblich verbessert hat, auch wenn derzeit noch Defizite vorhanden sind. Die innerhalb der Dokumentation EVU untersuchte Variante 0 (also die Nichtrealisierung des Vorhabens) gibt eine Prognose darüber, welche Entwicklung die Elbe und ihre Nebenflüsse ohne den Bau der Staustufe nehmen werden. Sie ist aus ökologischer Sicht klar die Vorzugsvariante, da sich zum einen keine Verschlechterung des Zustands ergibt und zu erwarten ist, dass ein guter ökologischer und chemischer Zustand erreicht werden kann. Die Realisierung des Vorhabens hingegen gefährdet die Erreichung eines guten Zustands nicht nur, sondern sie schließt sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nach der WRRL vollständig aus, da durch die Realisierung der Staustufe irreversible Schädigungen des Ökosystems eintreten werden. Nach WRRL sollte bis zum Jahr 2015 ein guter Zustand erreicht werden. Da durch eine Realisierung der Staustufe und der damit verbundenen Auswirkungen eine Verbesserung des Zustands verhindert und gefährdet bzw. ausgeschlossen wird, verstößt das Vorhaben nicht nur gegen das Verschlechterungsverbot aus Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. i WRRL, sondern auch gegen das Verbesserungsgebot bzw. Zielerreichungsgebot aus Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. ii WRRL. Es lässt sich somit feststellen, dass das Vorhaben den Umweltzielen der WRRL widerspricht und nicht genehmigungsfähig ist. Der EuGH hat ausdrücklich klargestellt, dass die Genehmigung für ein Vorhaben zu versagen ist, wenn dieses zu einer Verschlechterung des Zustands führen kann oder die Erreichung eines guten Zustands zum maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. Von dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot kann im vorliegenden Fall auch keine Ausnahme gewährt werden, da hierfür die Voraussetzungen nicht vorliegen (siehe B. 3.).

 

2. Verschlechterung und Verhinderung der Zielerreichung von Grundwasserkörpern

Das Vorhaben ist auf seine Vereinbarkeit mit den Umweltzielen der WRRL für Grundwasser zu prüfen. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b ist für Grundwasserkörper eine Verschlechterung ihres mengenmäßigen und chemischen Zustands zu verhindern und ein guter Zustand zu erreichen. Das Vorhaben hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf Oberflächenwasserkörper, sondern beeinflusst auch die Grundwasserkörper massiv in ihrem Zustand. Insgesamt wurden fünf Grundwasserkörper in der Dokumentation EVU auf ihre Einwirkungen untersucht. Alle befinden sich in einem unzureichenden chemischen Zustand, zudem erfüllen nur drei den guten mengenmäßigen Zustand. Die Staustufe beeinflusst das Grundwasser dadurch, dass die links und rechts der Elbe fließenden Grundwasserkörper oberhalb der Staustufe erhöht werden und unterhalb der Staustufe abgesenkt werden. Es ist ein hydraulischer Sturz des Grundwassers an der Staustufe zu erwarten, der die Richtung des Strömungskanals ändert. Durch die Erhöhung des Wasserpegels der Elbe oberhalb der Staustufe kommt es zu einer Verringerung der Infiltration des Grundwassers in die Elbe und beeinflusst so den mengenmäßigen Zustand der betroffenen Grundwasserkörper links und rechts der Elbe. Durch die Stauung der Grundwasserkörper erhöht sich der Grundwasserspiegel oberhalb der Staustufe erheblich und das Grundwasser steigt in Erd- und Gesteinsschichten, die bisher nicht dauerhaft erreicht werden. Hiervon erfasst werden auch die unzähligen ökologischen Altlasten, die sich links und rechts der Elbe befinden (siehe Abbildung oben). Die Steigerung der Grundwasserkörper führt so auch zu einer negativen Beeinträchtigung des chemischen Zustands der Grundwasserkörper, da durch Auswaschung die Schadstoffe aus den Altlasten in das Grundwasser gelangen. Richtig ist, dass das Grundwasser auch bei Elbhochwässern steigt und in dieser Situation auch die Gefahr einer Verunreinigung besteht. Allerdings werden sich durch den Bau der Staustufe die Grundwasserpegel im Stauungsbereich dauerhaft erhöhen, was die Gefahr einer Verunreinigung im Vergleich zu vorübergehenden Hochwassersituationen erheblich steigert. Das mit Schadstoffen angereicherte Grundwasser gelangt zu dem durch Infiltration in die Elbe, beeinflusst somit wiederum den chemischen Zustand der Elbe negativ. Zu beachten ist, dass die betroffenen Grundwasserkörper bisher nicht den guten chemischen Zustand erreichen. Durch die Realisierung des Vorhabens wird die chemische Belastung jedoch weiter verstärkt und es ist zu erwarten, dass der chemische Zustand sich weiter verschlechtert und somit eine Verbesserung ausgeschlossen wird. Dass die gesteigerte Gefahr der Auswaschung der Schadstoffe aus den Altlastenstandorten durch die Grundwasserpegelerhöhung besteht, kann der Vorhabenträger nicht widerlegen und wird in der Dokumentation EVU vernachlässigt.

Nicht nur durch die Erhöhung des Grundwasserpegels oberhalb der Staustufe wird der quantitative Zustand der Grundwasserkörper geändert, sondern es kommt auch zur Verringerung des quantitativen Zustands der Grundwasserkörper unterhalb der Staustufe. Durch den hydraulischen Sturz an der Staustufe wird der mengenmäßige Zustand unterhalb der Staustufe erheblich verringert. Die Folge ist eine Störung der Infiltrations- und Exfiltrationsprozesse zwischen den parallel zur Elbe verlaufenden Grundwasserkörpern und der Elbe. Von der Grundwasserabsenkung unterhalb der Staustufe sind besonders die abhängigen Landökosysteme betroffen. Es handelt sich hierbei um Auwaldbereiche, die besonders sensibel auf dauerhafte Veränderungen des Grundwasserdargebots reagieren und in ihrem Bestand bedroht sind, da sie durch die Absenkung sukzessiv trockengelegt werden. Zugleich ist mit einer Änderung des chemischen Zustands zu rechnen, da durch Baggerungen Schadstoffe in den Sedimenten freigesetzt werden und durch die fehlende schützende Gesteinsschicht ungehindert in die Grundwasserkörper gelangen. Auch die Kontamination der Grundwasserkörper oberhalb der Staustufe durch Flutung der ökologischen Altlasten wird sich auf die Grundwasserkörper unterhalb der Staustufe auswirken, da sie trotz des hydraulischen Sturzes mit einander in Verbindung stehen.

Der Vorhabenträger geht davon aus, dass die negativen Wirkungen der Staustufe auf den mengenmäßigen Zustand durch eine Regulierung der Staustufe kompensiert werden können. Wie diese Regulierung erfolgen soll, bleibt in den Genehmigungsunterlagen völlig unklar. Hierbei ist zu beachten, dass die Staustufe gerade für die Zeiten errichtet werden soll, in denen das natürliche Wasserdargebot der Elbe nicht ausreicht, um den Schifffahrtsverkehr zu ermöglich. In diesen Zeiten oder Situationen ist eine Regulierung der Grundwasserabsenkungen und -erhöhung also gerade nicht möglich, da die Staustufe geschlossen ist und nicht abgesenkt werden kann. Negative Auswirkungen können daher gerade dann nicht reguliert werden, wenn die hydraulische Situation angespannt ist und sich die größten Grundwasserabsenkungen in Folge der Stauung ergeben.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass entgegen den unzureichenden Darstellungen in der Dokumentation EVU, sich der mengenmäßige und chemische Zustand der Grundwasserkörper im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand (Status-Quo) verschlechtert. Vor allem ist keine Verbesserung des gegenwärtigen mengenmäßigen und chemischen Zustands der betroffenen Grundwasserkörper zu erwarten, die nach der WRRL anzustreben ist. Folglich liegt eine Verschlechterung des Zustands nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Ziff. i WRRL sowie die Gefährdung der Zielerreichung nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Ziff. ii WRRL für Grundwasserkörper vor. Das Vorhaben führt auch zu einem Verstoß gegen diese europarechtlichen Zielbestimmungen, da eine Ausnahme aufgrund der fehlenden Voraussetzungen nicht gewährt werden kann. Eine Ausnahme von dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot für Grundwasserkörper wurde zu dem in den Genehmigungsunterlagen nicht in Betracht gezogen, weil aus Sicht des Vorhabenträgers keine Verschlechterung oder Verhinderung der Zielerreichung vorliegen soll. Wie aufgezeigt, fehlt für diese Feststellung eine Begründung und das Ergebnis der Untersuchung der Auswirkungen auf Grundwasserkörper ist somit fehlerhaft. 

 

3. Ausnahmen von den Umweltzielen nach der WRRL

Ein Verstoß gegen die Umweltziele (Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot) aus Art. 4 WRRL liegt nicht vor, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme vorliegen. Grundsätzlich kommt im vorliegenden Fall nur eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 7 WRRL in Betracht. Der Vorhabenträger geht jedoch von der irrigen Annahme aus, dass Vorhaben könne auch durch eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 WRRL genehmigungsfähig sein. Hier ist klar ein Verstoß gegen die Bestimmungen der WRRL gegeben. Nach Art. 4 Abs. 3 WRRL können Mitgliedstaaten der Europäischen Union Oberflächengewässer als künstlich oder erheblich verändert einstufen, wenn die zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands erforderlichen Veränderungen der hydromorphologischen Merkmale dieses Körpers signifikante Auswirkungen u. a. auf die Umwelt im weiteren Sinne oder auf die Schifffahrt hat. Eine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 WRRL betrifft daher Fälle, in denen Oberflächenwasserkörper aufgrund vergangener Änderungen der hydromorphologischen Eigenschaften den guten ökologischen Zustand nicht erreichen. Vorliegend handelt es sich bei allen betroffenen Oberflächenwasserkörpern um natürliche und nicht erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper. Dies bedeutet, die Erreichung des guten ökologischen Zustands ist möglich und es ist keine Änderung der hydromorphologischen Merkmale der Elbe und ihrer Nebenflüsse notwendig, um den guten ökologischen Zustand zu erreichen. Daher sind auch keine hydromorphologischen Änderungen notwendig, die negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Schifffahrt haben können. Vielmehr führt die Realisierung der Staustufe zu einer Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper, die gerade die Schifffahrt ganzjährig ermöglichen sollen und betrifft somit nicht den Fall, dass die Erreichung eines guten Zustands zu Gunsten der Schifffahrtstauglichkeit nicht angestrebt werden soll. Anders formuliert, ist der Anwendungsfall von Art. 4 Abs. 3 WRRL dann gegeben, wenn hydromorphologische Eigenschaften zu Gunsten der Schiffbarkeit in der Vergangenheit erfolgt sind und die Erreichung eines guten Zustands durch Maßnahmen aufgrund der negativen Folgen für die Schifffahrt nicht in Betracht gezogen werden. Vorliegend ist es jedoch geplant, die hydromorphologischen Eigenschaften nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Erreichung eines guten Zustands zu ändern, um die Schifffahrt ganzjährig zu ermöglichen und dies durch eine Verschlechterung des Zustands. Der Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 3 WRRL ist demnach vorliegend gar nicht eröffnet, d. h. die Anwendung dieser Vorgabe ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Der Vorhabenträger geht fehlerhaft davon aus, er könne die betroffenen Oberflächenwasserkörper einfach als erheblich verändert einstufen und somit die Schifffahrtsbedingungen ganzjährig herstellen. Diese Vorgehensweise widerspricht dem Regelungszweck der WRRL diametral. Dafür spricht auch der Erwägungsgrund 31 der WRRL, der aussagt, dass weniger strenge Umweltziele in Fällen gerechtfertigt sein können, in denen sich menschlichen Tätigkeiten auf einen Wasserkörper so auswirken, dass die Erreichung eines guten Zustands unmöglich oder äußerst kostspielig ist, jedoch nur, wenn alle praktikablen Vorkehrungen getroffen werden, um einer weiteren Verschlechterung des Gewässerzustandes vorzubeugen. Entgegen den Ausführungen in der Dokumentation EVU ist es also nicht möglich, die von einer Zustandsverschlechterung betroffenen Oberflächenwasserkörper als erheblich verändert zu deklarieren, um die Bedingungen für die Schifffahrt erst herzustellen.

Die einzige Grundlage für die Gewährung einer Ausnahme für die Genehmigung der Staustufe ist demnach Art. 4 Abs. 7 WRRL. Danach können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot sowie Verbesserungsgebot von Oberflächenwasserkörper und Grundwasserkörper gewähren, wenn die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 7 lit. a – d WRRL vorliegen. Zum einen müssen alle praktikablen Vorkehrungen getroffen werden, um die negativen Auswirkungen des Vorhabens auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern. Dies ist vorliegend nicht geschehen, da bspw. durch die Planung der Staustufe ohne Wasserkraftwerk die Verschlechterung der biologischen Qualitätskomponente Fischfauna erheblich gemindert werden könnte. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Gründe für die Änderung der betroffenen einzelnen Wasserkörper in dem Bewirtschaftungsplan dargelegt werden. Dies muss vor Genehmigung des Vorhabens vorgenommen werden, was vorliegend nicht der Fall ist. Der Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet der Elbe wurde bisher nicht geändert und dementsprechend finden sich die Gründe für die Änderung der Wasserkörper durch die Staustufe nicht im Bewirtschaftungsplan. Daneben ist eine weitere Voraussetzung für eine Ausnahme, dass die Gründe für die Änderungen von übergeordnetem Interesse sind und/oder der Nutzen, den die Verwirklichung der Umweltziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit oder die nachhaltige Entwicklung übertroffen wird. Vorliegend droht der Verlust eines einzigartigen Flussökosystems mit seiner einzigartigen Artenvielfalt. Daneben stellen die Elbe sowie das Grundwasservorkommen die natürliche Lebensgrundlage der Menschen, Tiere und Pflanzen in diesem Gebiet dar, die nachhaltig durch die Staustufe geschädigt wird. Es besteht somit ein gesteigertes öffentliches Interesse daran, eine effektiven Umwelt- und Naturschutz zu ermöglichen. Der Nutzen der Staustufe ist ein ca. 20 km langer Elbabschnitt, der ganzjährig Schiffbar gemacht werden soll. Jedoch hat die verbesserte Schiffbarkeit keinen Nutzen, wenn der anschließende 550 Kilometer lange frei fließende Abschnitt der Elbe nicht ganzjährig schifffahrtstauglich ist und auf absehbare Zeit auch nicht ganzjährig schiffbar wird. Hier steht unzweifelhaft fest, dass der Nutzen der Staustufe nicht den Nutzen der Umweltziele aus Art. 4 Abs. 1 WRRL übersteigt. Auch eine nachhaltige Entwicklung wird durch die Staustufe nicht verwirklicht. Die letzte Voraussetzung, die für die Gewährung einer Ausnahme vorliegen muss, besteht darin, dass die nutzbringenden Ziele der Staustufe, nicht aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten durch andere Mittel erreicht werden können, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen. Hier kann auf die Darstellungen in Kapitel 2 verwiesen werden, die klar belegen, dass die Ziele der Staustufe auch durch die Auslastung der Kapazitäten der Schienen- und Straßenverkehrswegen vollumfänglich verwirklicht werden können und hierdurch auch geringere Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Es ist somit eine bessere Umweltoption vorhanden, die die nutzbringenden Ziele gleichsam verwirklicht und nicht durch unverhältnismäßige Kosten erreicht werden kann. Zudem ist diese Umweltoption technisch durchführbar und hat wesentlich geringere Umweltauswirkungen.

Zusammenfassend stellt der BUND Sachsen fest, dass die für die Genehmigung der Staustufe erforderliche Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und auch des Verbesserungsgebot nach der WRRL für die beeinträchtigten Oberflächenwasser- und Grundwasserkörper nicht gewährt werden kann. Die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 7 WRRL, die kumulativ erfüllt sein müssen, liegen alle nicht vor, so dass das Vorhaben gegen die europarechtlichen Bestimmungen der WRRL verstößt und nicht genehmigungsfähig ist.

 

 

TEN-T

Es bestehen keine verbindlichen Verpflichtungen gegenüber der EU, etwaige Engstellen zu beseitigen, auch wenn die Elbe Teil des TEN-T-Netzes ist, da es sich hierbei nur um Empfehlungen handelt.

 AGN-Vertrag

 Ähnliches gilt für die Ausführungen zum AGN-Vertrag. In der Dokumentation EVU wird ausgeführt: „Die europäischen Staaten verpflichten sich, ihre Wasserstraßen und Häfen entsprechend anzupassen, welche zu diesem Netz gehören“, (Seite 58). Dies ist falsch wie schon in der BUND Stellungnahme von 2011 ausgeführt wurde. In der Dokumentation EVU wird der Eindruck erweckt, dass der AGN-Vertrag allgemein für die „europäischen Staaten“ gelten würde. Der AGN-Vertrag muss von den einzelnen Staaten ratifiziert werden. Neben anderen europäischen Staaten hat Deutschland diesen Vertrag nicht ratifiziert. Überdies ist die Verbindlichkeit dieses Vertrages zu hinterfragen.

 

 

Auswirkungen der Staustufe Děčín auf die Elbe und ausgewählte, geschützte Arten

Das Wasserkraftwerk als ökonomische Priorität des Projektes

Die groß dimensionierte Wasserkraftanlage mit einer Leistung von 7,9 MW lässt vermuten, dass die Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts durch den Stromverkauf erreicht wird. Wie wir bereits weiter oben gezeigt haben, wird der Güterlastverkehr auf der Elbe durch das Projekt nicht zunehmen, ein wirtschaftlicher Bau und Betrieb der Staustufe ist somit unmöglich. Vielmehr wird die Refinanzierung des Projekts hauptsächlich durch den Betrieb der Wasserkraftanlage erreicht. Somit muss auch in der Bewertung des Projektes das Hauptaugenmerk eher auf der Stromerzeugung als auf der Verbesserung der Schiffbarkeit liegen. Dies ist jedoch erheblich in der Abwägung, da ein derartig gravierender Eingriff in den Naturhaushalt nicht mit der Errichtung eines Wasserkraftwerks gerechtfertigt werden kann.

Die eingereichten Unterlagen lassen weiterhin eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse des Gesamtprojektes vermissen. Laut Aussage von Jiří Aster, Präsident der Kammerunion Elbe/Oder und Befürworter des Staustufenprojektes am 9.7.2015, finanziert sich das Staustufenprojekt vollständig aus den Erlösen der Wasserkraftanlage. Betrachtet man diesen ökonomischen Aspekt, muss der Hauptzweck des Projektes eher in der Errichtung einer Wasserkraftanlage als in der Verbesserung der Schiffbarkeit der Elbe gesehen werden. Grundsätzlich lehnen wir die Erzeugung von Elektroenergie aus Wasserkraft nicht ab. Doch im vorliegenden Fall stehen die ökologischen Schäden in keinem sinnvollen Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen. Es ist in den Unterlagen weder dargelegt, dass es einen dringenden Bedarf für die Errichtung eines Wasserkraftwerkes gibt, noch ist eine Alternativenprüfung zu einer anderweitigen Energieerzeugung vorhanden. Selbst im nicht dargelegten Fall eines dringenden Kapazitätsbedarfes wären ausreichend Alternativen denkbar:

Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Errichtung einer Wasserkraftanlage kann nicht hergeleitet werden, welches eine Ausnahmeregelung im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie begründen würde.

 

Mindestwasserabfluss

Die Wasserkraftanlage ist mit 2x 125 m³/s sehr groß dimensioniert. In Niedrigwasser-Perioden, wie sie seit 1990 häufig aufgetreten sind, betrug der Gesamtdurchfluss in Děčín wochen- oder gar monatelang weit weniger als 120 m³/s, wie beispielsweise 2015. Die geplanten Kaplan-Turbinen haben im Teillastbereich einen stark abfallenden Wirkungsgrad. Somit steht über einen längeren Zeitraum des Jahres voraussichtlich nicht genug Wasser für einen wirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung. Es ist zu befürchten, dass in diesen Zeiten die Fischauf- und Abstiegshilfen nicht genug Wasser erhalten.

Es ist nach unserem Kenntnisstand nicht dargelegt, wie hoch der Mindestwasserabfluss bemessen ist und wie er gesichert und garantiert werden soll.

 

Beabsichtigter Verzicht auf einen Feinrechen

Auf den Seiten 122 ff. der Dokumentation werden die vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz der Wirbeltiere bei Abwärtsmigration behandelt. Als Vorzugsvariante wird dort eine Ausrüstung des Wasserwerkes mit zwei sog. „fischfreundlichen“ Kaplan-Turbinen, einem Grobrechen von 90 mm Stababstand. sowie die Fischtreppen, der Aalpass und der Biokorridor genannt und sind auch so in den Planungen für die Variante 1b des Projektes enthalten.

Als völlig inakzeptabel bewertet der BUND Sachsen den beabsichtigten Verzicht auf einen Feinrechen vor dem Wasserkraftwerk. Ein solcher Feinrechen wäre erforderlich, um den rechtlichen Regelungen über geschützte Fischarten Genüge zu tun.

 

Die geplanten fischfreundlichen Kaplanturbinen sind eine vergleichsweise neue Entwicklung. Dementsprechend fehlen noch ausreichende Erfahrungen und Studien zu deren Wirksamkeit zu möglichen Auswirkungen auf Wasserlebewesen.  Es wird lediglich auf eine Modellstudie über die Abwärtsmigration von erwachsenen Aalen verwiesen. Grundsätzlich ist die Entwicklung derartiger Turbinen zu begrüßen. Wenn allerdings vor dem Zulauf nur ein Grobrechen von 90 mm Stababstand vorgesehen ist, so werden alle positiven Ansätze konterkariert. So können fast alle größeren Flussfische, Wasservögel bis hin zu jungen Bibern und Ottern ungehindert in die Laufräder der Turbinen geraten. Dabei ist nichts anderes als eine sehr hohe Mortalitätsrate vorstellbar.

In der Dokumentation werden als Gegenargument gegen einen Feinrechen die Energieverluste, die Wartung und die möglichen Beschädigungen genannt. Dies sind jedoch Grundprobleme eines jeden Wasserkraftwerkes und deren Handhabung ist schon seit Jahrzehnten Standard. Selbst der in der ersteren Variante auf Seite 122 beschriebene Feinrechen von 15 mm Stababstand genügt nicht den aktuellen Ansprüchen. Ein Feinrechen von 10 mm Stababstand ist derzeit Stand der Technik und ist deshalb zwingend in die Planungen aufzunehmen und hier haben Überlegungen zu Wirkungsgrad- und Gewinnmaximierung aufgrund der zu erwartenden hohen ökologischen Schäden zurückzustehen.

 

Artenschutz

Schwarzstorch (Ciconia nigra)

Das Vorkommen des Schwarzstorches findet in den Planungsunterlagen zu wenig Beachtung. Er ist im Gebiet als regelmäßiger Brutvogel mit mehreren Horsten auch auf deutscher Seite nachgewiesen. Die Art ist im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie der EU (Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009) aufgeführt und verdient besondere Beachtung und Schutzmaßnahmen.

Schwarzstorch am Elbufer zwischen Decin und Schöna am 9.7.2015

Seine Nahrung findet er u. a. am Ufer der Elbe im Planungsgebiet. Er ist angewiesen auf unverbaute Ufer, Kiesbänke und Ruhezonen. Mit seiner großen Fluchtdistanz ist er besonders empfindlich für Störungen. Die Anzahl der aufgezogenen Jungen ist in großem Maße abhängig vom Nahrungsdargebot. Durch das Bauvorhaben werden seine Nahrungseinstandsgebiete direkt betroffen und es ist eine Beeinträchtigung des Bestandes zu befürchten.

 

Europäischer Stör (Acipenser sturio)

Seit 2008 werden an der Mittelelbe Jungstöre in die Freiheit entlassen und die Wiederansiedlung des Europäischen Störes hat begonnen. Das Projekt wird intensiv betrieben und es ist mit einer Wiederansiedlung des Störes in naher und mittlerer Zukunft zu rechnen. Da der Stör erst mit 12 bis 16 Jahren geschlechtsreif wird, ist mit den ersten flussaufwärts wandernden adulten Tieren ab 2020 zu rechnen. Die Staustufe Geesthacht, die einzige Barriere in der Elbe auf deutscher Seite ist mit großzügigen Fischaufstiegshilfen versehen, u.a. mit Europas größer Fischtreppe und es ist zu erwarten, das adulte Tiere auf der Suche nach Laichplätzen die Elbe aufwärts wandern bis ins Projektgebiet.

Der Stör braucht zum Laichen Kiesbänke in stark strömendem Wasser. Dort kleben die Weibchen ihre Eier an Steine, die Larven schlüpfen und verstecken sich so lange zwischen den Kieseln, bis ihr Dottervorrat aufgezehrt ist. Gerade die Elbe oberhalb der Staatsgrenze mit ihrer starken Strömung, die Mündungsgebiete der Nebenflüsse „Jílovský potok“ und „Plouniče“ sowie der Abschnitt zwischen Děčín und der Staustufe Schreckenstein könnten potentielle Laichgebiete sein und sind für die Art von herausragender Bedeutung.

Durch das Vorhaben werden bedeutende potentielle Laichplätze unwiederbringlich zerstört. Aufgrund der niedrigen Fließgeschwindigkeit im Staubereich entfällt dieser Flussabschnitt komplett als mögliche Reproduktionsstätte und ist auch nicht ausgleichbar.

Die in der Dokumentation geplanten Fischaufstiegshilfen sind für geschlechtsreife Störe wesentlich zu klein dimensioniert.  So ist die Beckengröße des Schlitzpasses für die aufwärts-Migration des Störes anzupassen. Aber selbst dann wird das Projekt ein Migrationshindernis bleiben und die Variante 0 ist dem Bau der Staustufe vorzuziehen.

 

 

Zusammenfassung

 

Durch die schweren Eingriffe in die Flussökologie ist eine signifikante Verschlechterung der Elbe zu einem erheblich veränderten Gewässer zu erwarten.

Grundsätzlich verbietet die Europäische Wasserrahmenrichtlinie eine Ver­schlech­terung des bisherigen Gewässerzustandes, wenn kein über­geord­netes Inter­esse der Öffentlichkeit vorhanden ist (Artikel 4 (7) WRRL).

Mit den vor­liegen­den Unterlagen konnte jedoch kein Nachweis erbracht werden, dass hier ein derartiges, übergeordnetes Interesse vorliegt.

Die Schifffahrts­beding­ungen verbessern sich lediglich auf einer, wenige Kilo­meter langen Ausbaustrecke im Vorhabenbereich; unterhalb und oberhalb bleiben die ungünstigen Schifffahrtsbedingungen auf der frei fließenden Elbe in Deutschland bzw. Tschechien erhalten.

Das Ausbauvorhaben ist damit nicht sinnvoll und wird durch den BUND Sachsen aufgrund der schweren Eingriffe in die Flussökologie abgelehnt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 


Lars Stratmann
Stellv. Landesvorsitzender

 

Quellen und Literatur

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Zídek, J. (1993):  Plavebni komory na Dolním Labi (Schleusen an der unteren Elbe). Vodni cesty a plavba.  S. 13-15.

 

 

 

 


[3]     Errechnet auf Basis der Antwort der Bundesregierung vom 28.1.2016, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/073/1807398.pdf

[11]      Prager Zeitung, 23.4.2015

[13]      Errechnet auf Basis der Antwort der Bundesregierung vom 28.1.2016, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/073/1807398.pdf

[14]      Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Fragen des Abgeordneten Dr. André Hahn, Drucksache 18/4139, Fragen 15 und 16

[15]     Statistischer Verkehrsbericht 2014, Güterverkehrsströme zwischen Elbe und Oder, WSD, eigene Berechnung auf Basis der Tabelle zur Stadtstrecke Magdeburg auf Seite 27; wsv.de/wsd-o/service/Downloads/index.html

[16]     Planco Consulting GmbH 2007: Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße. Studie im Auftrag der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Schlussbericht. Essen.

[20]      Statistischer Verkehrsbericht 2014, Güterverkehrsströme zwischen Elbe und Oder, WSD, eigene Berechnung auf Basis der Tabelle zur Stadtstrecke Magdeburg auf Seite 27; wsv.de/wsd-o/service/Downloads/index.html

[21]      Planco Consulting GmbH 2007: Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße. Studie im Auftrag der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Schlussbericht. Essen.


Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/lv_stellungnahmen/detail/browse/16/artikel/stellungnahme-zur-staustufe-decin/