13. Februar 2015
Stellungnahme zur Bauleitplanung der Großen Kreisstadt Dippoldiswalde: Ergänzungssatzung „Weg zur Eichleite“ Ulberndorf
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Zusendung der Planungsunterlagen zum oben genannten Vorhaben.
Wir begrüßen zunächst, dass neue Baugrundstücke innerhalb der Siedlung erschlossen werden sollen. Wie in den Unterlagen dargestellt, befindet sich der Satzungsbereich in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet gemäß § 76 Abs. 1 WHG. Leider können wir der Argumentation des Planungsbüros in folgenden Punkten nicht folgen:
Es wird dargelegt, dass die in den Gefahrenkarten dargestellten überschwemmten Flächen nicht gleichzusetzen sind mit den nach § 100 SächsWG festgesetzten Überschwemmungsgebieten (Begründung Entwurf vom 21.11.2014, S. 6). Zudem wird auf die Gefahrenkarten der Landestalsperrenverwaltung verwiesen, aus der letztendlich für das Gebiet eine niedrige Gefährdungshöhe von 0,5 m eingeschätzt wird (Begründung Entwurf vom 21.11.2014, S. 6). Welche Gefahrenkarten sollen demnach unrealistische Werte enthalten?
Wir sind den angegebenen Quellen gefolgt. Laut der Internetseiten von umwelt.sachsen.de liegt das Gebiet komplett im § 72 Abs. 2 Satz 2 SächsWG, wie in Abb. 1 dargestellt. Damit handelt es sich um
„Gebiete, die bis zu einem Hochwasserereignis, wie es statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, überschwemmt werden, soweit diese Gebiete in Karten der Wasserbehörden dargestellt sind“. Aus den zur Verfügung gestellten Geodaten auf der Homepage des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie kann darüber hinaus abgelesen werden, dass der geplante Bereich bereits ab einem HQ20/25 durch Überschwemmungen betroffen ist (vgl. Abb. A bis C im Anhang).
Handelt es sich hierbei um die den Planungsvorhaben zugrunde gelegten Überschwemmungsabgrenzungen? Falls nicht, welche Kartengrundlage wurde dann verwendet?
Auf selbiger Internetseite werden zudem die Überschwemmungshöhen angegeben. Abb. 2 zeigt, dass für das Gebiet eine Überschwemmungshöhe von 0,5 bis 2 m und nicht wie im Erläuterungstext von bis zu 0,5 m angegeben wird. Wie ist dieser Unterschied zu erklären?
Wurde eine andere Kartengrundlage verwendet, so ist die Quelle eindeutig anzugeben bzw. sind entsprechende, belegte Abbildungen in den Erläuterungstext aufzunehmen. In der dargelegten Form ist es nicht zu verstehen, dass die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Karten einen solch gravierenden Unterschied zu den behördenintern verwendeten Hochwasserkarten aufweisen sollen.
Abbildung 1: Abgrenzung des HQ100-Überschwemmungsgebietens für den Satzungsbereich, Quelle: www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/weboffice101/synserver
Abbildung 2: Überschwemmungshöhe für den Satzungsbereich mit einer angegebenen Wassertiefe von >0,5 bis < 2 m; Quelle: www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/weboffice101/synserver
Das Argument, dass derzeitig vorgenommene Maßnahmen zum Hochwasserschutz im OT Ulberndorf dazu führen sollen, dass „der Bereich der Satzung außerhalb des Überschwemmungsgebietes liegen wird“ (Begründung Entwurf vom 21.11.2014, S.7), ist spekulativ und kann nicht zur Genehmigung des Antrages aufgrund der derzeitig vorliegenden Untersuchungen verwendet werden. Wenn es künftig dennoch bei einem HQ 100-Ereignis erneut zu einem Überströmen der durch die vorliegenden Planung betroffenen Flächen kommen sollte, würde sich das Hochwasserrisiko durch die Neubau-induzierte Verkleinerung des abflusswirksamen Querschnitts im Hochwasserfall auch für die umliegende Bebauung im Bestand erhöhen. Es käme zu einem Ansteigen der Überflutungshöhe und zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit aufgrund von Querschnittsverkleinerung.
Wie dargelegt ist der Bauherr für eine Vermeidung bzw. Verminderung des Risikos von Sachschäden selbst verantwortlich und sollte sich bewusst sein, dass bei einem Neubau in diesem Bereich eine Versicherung gegen Hochwasserschäden sehr teuer bis nicht möglich wäre. Auch werden in den kommenden Jahrzehnten Starkregenereignisse in Ostsachsen gemäß aktueller wissenschaftlicher Prognosen zunehmen. Es liegt damit durchaus im Bereich des gut möglichen, dass Neubauten in diesen Bereichen in absehbarer Zeit wieder weitgehend zerstört werden.
Darüber hinaus sollte sich auch eine Gemeinde bzw. Behörde ihrer Pflicht für eine nachhaltige Planung bewusst sein. Es geht nicht nur um Schäden am Grundstück selbst, sondern die Folgewirkungen durch die schleichende Verkleinerung von natürlichen Überschwemmungsflächen mit Folgewirkungen für die Unterlieger sowie eine erhebliche Vergrößerung des Hochwasserrisikos für die unmittelbar angrenzende Bebauung. Die Formulierung, dass „aufgrund der Größe von 1.400 m² des Flurstücks“ davon auszugehen ist, „dass im Verhältnis durch ein Einfamilienhaus der Hochwasserabschluss [vermutlich ist „-abfluss“ gemeint] nicht nachteilig beeinflusst wird“ (Begründung Entwurf vom 21.11.2014, S.7), ist bekanntermaßen eine Verharmlosung. In jedem Grundstück werden neben dem Hauptgebäude weitere Flächen zumindest teilversiegelt und in der Regel Nebengebäude kleinerer Ausprägung errichtet, alles im Rahmen der zulässigen Bebauung durch das BauGB. Just durch die kleinteilige Versiegelung und Bebauung von Auen kleinerer bis größerer Gewässer geht der Retentionsraum verloren und führt zu Erhöhung von Hochwasserspitzen und schnelleren, gefährlicheren Abflüssen. Eine Aussage, dass keine nachteilige Beeinflussung erfolgt, wäre nur dann valide zu treffen, wenn als Grundlage für dieses planerische Werturteil alle seit der letzten Modellierung der Überflutungshöhen im Einzugsgebiet umgesetzten und geplanten Versieglungsmaßnahmen sowie die am Gewässer umgesetzten, abflussbeschleunigend wirkenden Maßnahmen kumulativ bewertet werden würden – und wenn dann im Ergebnis keine nachteilige Beeinflussung erkannt werden könnte. Da das aber derzeit noch nicht möglich ist, ist die Aussage spekulativ und möglicherweise schlicht falsch.
Aufgrund der oben dargelegten Widersprüche zwischen 0,5 m Überschwemmungshöhe laut Ergänzungssatzung und den Angaben von bis zu 2 m Überschwemmungshöhe nach Quelle des LfULG, sind die Festsetzungen zur hochwasserangepassten Bauweise ab Kap. 6, S. 11 fragwürdig. Im Überschwemmungsfall würde demnach auch bei einer Höhe des Erdgeschossfertigfußbodens ab 0,8 m das unterste Geschoss überflutet werden. Eine planerisch sinnvolle Lösung für diesen Standort könnte eine verbindlich festgesetzte Hausbauweise auf Pfeilern oder streifenförmigen Fundamenten und Mauern parallel zur Fließrichtung der Roten Weißeritz sein.
Ergänzend ist anzumerken, dass das Gebiet der Ergänzungssatzung innerhalb eines regionalplanerisch als „regionaler Schwerpunkt für Fließgewässersanierung“ ausgewiesenen Gewässerabschnitts liegt sowie unmittelbar an ein regionalplanerisch ausgewiesenes „Vorranggebiet Arten- und Biotopschutz“ angrenzt. Dadurch ergeben sich erhöhte Anforderungen an die Planung, diesem regionalplanerischen behördenverbindlichen Planungsauftrag nachzukommen – diesen aber zumindest nicht durch gegenläufige Planungen zu verhindern.
Anmerkungen zum Grünordnungsplan
Auf Seite 1 der Begründung zur Grünordnung wird dargelegt, dass es sich um intensiv genutztes, relativ artenarmes Dauergrünland handelt. Gleichzeitig wird angegeben, dass derzeit keine landwirtschaftliche Nutzung vorliegt. Da es sich um einen von Siedlung umschlossenen Bereich handelt, ist davon auszugehen, dass auch in vergangener Zeit keine Eutrophierung wie auf den ehemaligen LPG-genutzten Flächen stattfand. Ob es sich daher tatsächlich um ein artenarmes Grünland handelt, sollte vor Ort durch einen erfahrenen Kartierer nachgeprüft werden. Häufig sind es gerade die kleinteiligen Grünländer innerhalb einer Siedlung, die noch ein letztes Potential für die regionstypische Artenvielfalt aufweisen, z.B. Flachlandmähwiesen (LRT 6510) oder submontane Bergwiesen mit Vorkommen von Margerite, Glockenblume etc. Die Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung wird daher angezweifelt, da ein höherer Ausgangswert der Fläche anzunehmen ist.
Fazit
Aus den dargelegten Punkten können wir der Ergänzungssatzung nur unter folgenden Auflagen zustimmen:
Eine nachvollziehbare Begründung und Darstellung der Überschwemmungslage des zu beplanenden Satzungsbereiches: Auf welche Quelle wird sich bei der Abgrenzung des HQ100-Bereiches bezogen? Welche Überschwemmungshöhe ist aufgrund des aktuell berechneten Hochwasserpegels für das Gebiet anzunehmen? Falls es sich tatsächlich um Überschwemmungshöhen von bis zu 2 m handelt, fordern wir eine nachvollziehbare Aufschlüsselung möglicher alternative Bebauungsflächen in Ulbersdorf bzw. Dippoldiswalde und deren Überschwemmungsgefährdung.
Sollte auch künftig ein Hochwasserrisiko für den Satzungsbereich bei einem HQ 100-Ereignis bestehen, fordern wir eine Bauweise, die Schäden an den geplanten Neubauten weitgehend minimiert und keine Erhöhung des Hochwasserrisikos für die umliegende und unterliegende Bebauung mit sich bringt. Das würde unseres Wissens nach eine technisch durchaus machbare Bauweise auf Pfeilern oder streifenförmigen Mauern bedeuten.
Wir fordern eine Nachkartierung des in Anspruch genommenen Grünlandes und eine Anpassung der Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung falls es sich um eine kräuterreiche Wiese des Typ LRT 6510 handelt. Entsprechende Nachweise sind vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Stratmann
BUND-Landesvorstand
Anhang
Abbildung A: Gefährdungshöhe bei HQ20/25, Quelle: WMS-Server zur Verfügung gestellt von http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/8843.htm#article9001
Abbildung B: Gefährdungshöhe bei HQ50, Quelle: WMS-Server zur Verfügung gestellt von http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/8843.htm#article9001
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