27. November 2014
Stellungnahme zum Befreiungsverfahren für das Vorhaben "Errichtung und Betrieb einer Wasserkraftanlage an der Zschopau in Erdmannsdorf, Flusskilometer 59,651" – Wiederinbetriebnahme
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt nachfolgend Stellung:
Dem Antrag auf Befreiung von den Schutzvorschriften des LSG „Augustusburg-Sternmühlental wird nicht zugestimmt.
Da erhebliche Zweifel hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Vorhabens sowie hinsichtlich seiner FFH-Verträglichkeit bestehen, wird die verfahrensführende Behörde aufgefordert, entsprechende Prüfungen nach UVPG und BNatSchG einzuleiten und die Beteiligung entsprechend zu wiederholen.
Begründung:
Der Antragsteller beabsichtigt, die ehemalige an der Zschopau gelegene WKA Erdmannsdorf wieder in Betrieb zu nehmen und beantragt dafür die Befreiung von den Schutzvorschriften des LSG „Augustusburg-Sternmühlental“.
Fehlende Unterlagen zur Einschätzung des Befreiungsantrages
Dem Befreiungsantrag liegt neben dem Anschreiben der untere Naturschutzbehörde mit Unterlage 4.1 der Werner Baubetreuungsgesellschaft eine 5-seitige Beschreibung des Vorhabens nebst eines Übersichts- und Bestandsplans M 1 : 2.000 sowie einer Übersichtskarte bei. Schwerpunkt der Ausführungen ist die Darstellung der geplanten Minimierungs- und Ausgleichsmaßnahmen zum Vorhaben. Weitergehende Informationsquellen wie die Verordnung des LSG, die Würdigung (bzw. zumindest ein Auszug daraus) sowie jegliche Angaben zu den Umweltauswirkungen der geplanten WKA fehlen. Es ist daher aus den ausgereichten Unterlagen keine fachlich belastbare Einschätzung des Vorhabens bezüglich der Schutzgebietsverordnung ableitbar. Wir fordern hiermit die verfahrensführende Behörde auf, die gesetzlich geforderte Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände nach § 33 (1) SächsNatSchG dahingehend mit Leben zu erfüllen, dass diesen entsprechend § 63 (2) Nr. 8 BNatSchG alle für die Stellungnahme notwendigen fachlichen Informationen („einschlägigen Sachverständigengutachten“) auszureichen sind.
Da zur Inbetriebnahme der WKA Erdmannsdorf bisher keinerlei Informationen/Anhörungen/ Beteiligungen im bisher gelaufenen Verwaltungsverfahren ausgereicht bzw. unternommen wurden, ist dieses Begehren nach weitergehenden Umweltinformationen legitim und zu erfüllen, sollte nicht der Geist des Naturschutzgesetzes hinsichtlich der Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände konterkariert werden.
Unabhängig davon wird nachfolgend aus den Vor-Ort-Erfahrungen der Mitglieder des Verbandes, den seit dem Jahr 2010 laufenden Bemühungen zum Abriss der Wehranlage und öffentlich zugänglichen Informationen eine Einschätzung zum Vorhaben abgegeben, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.
Mögliche Umweltauswirkungen des Vorhabens
Ist-Zustand
Im zu betrachtenden Abschnitt der Zschopau gab es vormals drei Wasserkraftanlagen, welche die Industrieanlagen in Erdmannsdorf mit Wasserkraft versorgten. Die Wasserrechte sind seit 1967 erloschen, dazugehörige Betriebsanlagen zurückgebaut. Laut Wehrdatenbank des Freistaates Sachsen gibt es seit 1991 ein Recht auf Ausleitung für das „Wehr Forelle Erdmannsdorf“. Es diente der Zuführung von Zschopauwasser über einen Betriebsgraben in die Forellenzuchtanlage Erdmannsdorf. Eine Wasserkraftnutzung (Turbinenanlage) gab es nicht, ein entsprechendes Recht wurde auch nicht erteilt. Das Wehr besteht aus einer 2,20 m hohen und 65 m breiten Wehrschwelle. Der Ausleitungsbereich beträgt 810 m, die Rückstaulänge ca. 300 m. Eine Fischtreppe ist nicht vorhanden. Die Zschopau ist im Bereich der Wehranlage sowie im Rückstaubereich technisch durch die Errichtung von Ufermauern überprägt. Die bisherige Nutzung der WKA für Forellenzucht ist seit einigen Jahren aufgegeben. Der größte Teil des Wassers fließt über die Wehrschwelle und verbleibt im Hauptbett.
Die bestehende Wehranlage (ohne Wasserrecht) greift im Ist-Zustand folgendermaßen in das Ökosystem der Zschopau ein:
Beeinträchtigung der Fließgewässerdynamik durch Anstau und geringfügige Ausleitung (insgesamt über 1 km Länge),
Beeinträchtigung der Gewässerstruktur durch Befestigung der Böschungen und der Sohle,
Beeinträchtigung der Gewässergüte durch übermäßige Erwärmung im Sommer und Zufrieren im Winter und durch Nährstoffakkumulation (Algen- und Bakterienwuchs) im Staubereich
Beeinträchtigung der Hydromorphologie des Flusses durch Rückhalt von Geschiebe
Beeinträchtigung der Sohlverhältnisse durch Sedimentation von Schwebstoffen vor dem Wehr (Schlammablagerungen), dadurch Beeinträchtigung des Wasser-Sauerstoffgehalts
Beeinträchtigung der standorttypischen Lebensgemeinschaften des Fließgewässers (standortgerecht wären strömungsliebende Kieslaicher) im Rückstaubereich
Behinderung bzw. Unterbindung der Kompensationswanderungen der aquatischen Fauna (Durchgängigkeit) durch Zerschneidung des Fließgewässerkontinuums durch das Wehr
Direkte Verluste fließgewässerbewohnender Arten durch Tötung in rotierenden Anlagen (Turbinen) gibt es nicht. Dennoch ist der Ist-Zustand des Fließgewässers und seiner Ufer ökologisch unbefriedigend. Nach Aufgabe der Nutzung (Forellenzucht) wäre daher vom Gesetzgeber durchzusetzen gewesen, das Anstauhindernis zurückzubauen, nicht zuletzt aufgrund seiner Lage innerhalb des LSG sowie des FFH-Gebietes „Zschopautal“. Diesbezüglich wurden durch mehrere Naturschutzverbände seit dem Jahr 2009 Aktivitäten eingeleitet, einen Rückbau der Wehranlage zu veranlassen. Die verfahrensführende Behörde hat diese Anregungen ohne Begründung nie aufgegriffen.
Planung
Den vorliegenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass nunmehr durch eine Baubetreuungsgesellschaft die Wasserkraftanlage wieder in Betrieb genommen werden soll. Die Unterlagen geben keinerlei technische Angaben preis. Es ist lediglich zu erfahren, dass am Wehr ein Umgehungsgerinne unbekannter Größe mit eingebauter Restwasserturbine unbekannter Art angeblich die Durchgängigkeit für fließgewässerbewohnende Arten gewährleisten und ein Turbinenhaus mit einer unbekannten Turbine am Ende eines ca. 410 m langen Betriebsgrabens errichtet werden soll. Da die Stauwurzel des Wehres nicht verändert werden soll, wird der Gedanke suggeriert, dass die Wehrhöhe die gleiche bleibt, das ist aber nicht sicher. Zahlen zu Mindestwasserfestsetzungen finden sich nicht.
Unabhängig von den unbekannten technischen Angaben ist zu prognostizieren, dass nach Umsetzung des Vorhabens in der vorgestellten Art mindestens die folgenden Umweltauswirkungen zu verzeichnen wären:
der Anstau des Flusses bleibt auch weiterhin in mindestens der gleichen Länge – die entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Hydromorphologie und das Ökosystem (siehe Ist-Zustand, Anstriche 1 bis 5) sind weiterhin zu verzeichnen
durch den Einbau einer Turbinenanlage wird ein großer Teil der wanderwilligen Fische sowohl innerhalb der Leiteinrichtungen, am Feinrechen als auch während der Turbinenpassage letal verletzt, hinzu kommen Verletzungen aufgrund von Druckschwankungen im Turbinenkanal
die Zerschneidung des Fließgewässerkontinuums bleibt weiterhin bestehen, da eine wie auch immer geartete Mindestwasserfestsetzung die natürlichen ökologischen Bedingungen des Fließgewässers nicht gewährleistet (da der größte Teil des Wassers in den Betriebsgraben ausgeleitet wird, hat das Hauptbett zu wenig Wasser, damit eine zu geringe Strömung und Wassertiefe. Das Umgehungsgerinne ist aufgrund seiner Lage, geringen Größe und zu geringen Wasserbeaufschlagung nicht in der Lage, die Wanderungsbewegungen fließgewässerbewohnender Arten verlustfrei zu ermöglichen).
Die Nicht-Gewährleistung der Durchgängigkeit für die fließgewässerbewohnenden Arten durch das geplante Umgehungsgerinne ist bereits dadurch erkennbar, dass
das Gerinne nicht an der Stauwurzel platziert ist, sondern erst an der Wehrschwelle – strömungsliebende Arten mit höherem Sauerstoffbedarf also bei ihren Wanderungen weiterhin den Rückstaubereich des Wehres mit seinem geringem Sauerstoffgehalt durchqueren müssen, um überhaupt an das Umgehungsgerinne zu gelangen – die ökologische Kontinuität des Fließgewässers ist weiterhin nicht gegeben
die Dimension des Umgehungsgerinnes nicht den natürlichen Standortverhältnissen entspricht – bereits in der ausgereichten Unterlage im Maßstab 1 : 2.000 ist erkennbar, dass das technisch ausgebaute Gerinne mit einer Breite von ca. 3 bis 4 m einen Fluss mit einer durchschnittlichen Breite von 20 m nicht adäquat „ersetzen“ kann
das Umgehungsgerinne unterhalb der Ausleitung in den Betriebsgraben platziert ist – die durch den ca. 8 m breiten und bei WKA-Betrieb auch die Hauptmenge des Flusswassers führenden Betriebsgraben verursachte Strömung lockt einen großen Teil der Fische bei ihrer flussabwärts gerichteten Wanderung in den Betriebsgraben, so dass diese den Einstieg in das Umgehungsgerinne verfehlen
durch Mindestwasserführung im Hauptbett auf einer Länge von 410 m und zu gering dimensioniertem und beaufschlagtem Umgehungsgerinne auch ein großer Teil der aufstiegswilligen Fische das Gerinne nicht findet
Abgesehen davon, dass uns keine Unterlagen zu Fischschutzmaßnahmen an der Turbine vorliegen (Fischaufstiegsanlage?, Bypass für den Fischabstieg?, Rechenstab-Weite?), sind die vorgestellten Maßnahmen (Umgehungsgerinne und Restwasserturbine am Wehr) nicht geeignet, einen verlustfreien Fischauf- und –abstieg zu gewährleisten. Aber auch wenn alle nach dem Stand der Technik möglichen Fischschutzmaßnahmen sowohl am Wehr als auch bei der Turbine installiert werden, ist die ökologische Durchgängigkeit der Anlage für Fische und Rundmäuler (selbstredend auch für Wasserinsekten) immer noch nicht gewährleistet, da bei jeder Wehrpassage erhebliche Mengen an Fischen (oftmals letal) verletzt werden. Dies konnte nunmehr in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen belegt werden, von denen zwei nachfolgend zitiert werden, die sich insbesondere dem Fischabstieg widmen.
Aus den Unterlagen geht hervor, dass das Umgehungsgerinne mit einer Restwasserturbine ausgestattet werden soll. Üblicherweise handelt es sich hierbei um eine sogenannte Wasserkraftschnecke, konkrete Angaben dazu finden sich jedoch in den Beschreibungen nicht. Laut Angaben der Hersteller würden Wasserkraftschnecken angeblich keine Fischverluste verursachen. Um dies zu überprüfen, wurden im Jahr 2010 wissenschaftliche Untersuchungen an der Werra durchgeführt. Diese haben ergeben, dass bei einer ähnlich gearteten Wasserkraftanlage, an deren Wehr der Fischabstieg über eine Wasserkraftschnecke und parallel dazu über eine Fischaufstiegsanlage (Schlitzpass) erfolgt und die am Turbinenhaus neben einem Beckenpass noch einen Bypass besitzt „rund 57 % der 816 auswertbaren Fische im Bereich der Restwasserschnecke abgestiegen sind (rund 14 % über den dort befindlichen Schlitzpass und etwa 43 % über die Restwasserschnecke). 43 % der Fische wanderten weiter in Richtung WKA. Dort gelangten 23,5 % durch die WKA flussabwärts, während 17 % den Beckenpass zum Abstieg und nur etwa 2 % den Bypass nutzten. Bei hohen Abflüssen, welche die Strömung Richtung Wasserkraftanlage erhöhen würden, würden sich die Fischabstiegsanzahlen an der Restwasserschnecke entsprechend verändern“.
Von den Fischen, welche die Restwasserschnecke passierten, verletzten sich ca. 25-30 %. Damit weist die Restwasserschnecke eine ähnliche Verletzungsrate wie die untersuchte Turbine auf. Die meisten Verletzungen entstanden bei der Restwasserschnecke im Spalt zwischen Flügelrad der Schnecke und Gehäuse. Die Verletzungsrate steigt erheblich, wenn die Schnecke nicht richtig gewartet wird. So können Vereisungen eine Unwucht bewirken, welche die Schnecke verdrücken und den Spalt aufweiten.
Insgesamt wurden an der untersuchten Wehranlage ca. 20 % der Fische beim Fischabstieg verletzt – trotz Fischaufstiegshilfen, Bypass und Restwasserschnecke.
Die Brisanz dieser Ergebnisse wird deutlich, wenn man die Vielzahl an Wehranlagen allein in der Zschopau betrachtet, welche auf- und abstiegswillige Fließgewässerbewohner durchwandern müssen, um zu ihren Laichplätzen zu kommen bzw. Kompensationswanderungen durchzuführen.
Dass die Ergebnisse der Untersuchung in der Werra kein Einzelfall sind, belegt der Vortrag „Durchwanderbarkeit der Gewässer, Aktuelle Erkenntnisse zum Abstieg“: „Ein Großteil der Aufstiegsanlagen aus den Jahren 1995 bis ca. 2005 hat sich im Nachhinein als Fehlinvestition erwiesen (Adam und Lehmann 2011), da sie von Fischen nicht angenommen wurden bzw. nicht angenommen werden konnten.“ Es ist darauf hinzuweisen, dass auch damals für diese Anlagen versichert wurde, dass sie die Durchgängigkeit gewährleisten würden.
Damit ist erkennbar, dass sich durch die Wiederinbetriebnahme der WKA die ökologische Situation am Standort trotz Verringerung der Ausleitungsstrecke und dem Einbau eines Umgehungsgerinnes nicht verbessert, wie der Antragsteller behauptet, sondern noch einmal im Vergleich zum Ist-Zustand signifikant verschlechtert. Maßgeblich dafür ist die erhebliche Verringerung der Wasserführung im Hauptbett (Zschopau), welche bei Betrieb einer WKA zwingend eintritt (mit den oben beschriebenen negativen ökologischen Folgen) und das erhebliche Tötungsrisiko für Fische in den Leiteinrichtungen, Turbinen und der Restwasserschnecke. Dieses Tötungsrisiko betrifft i.Ü. auch alle anderen fließgewässerbewohnenden Arten.
Es ist nachgewiesen, dass der Einbau eines Umgehungsgerinnes und einer Restwasserturbine die Durchgängigkeit des Fließgewässers für seine Bewohner nicht gewährleistet.
Befreiung von den Schutzvorschriften des LSG
Gemäß § 26 (1) BNatSchG sind Landschaftsschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist
1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2. wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder
3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung.
Gemäß § 26 (2) BNatSchG sind in einem Landschaftsschutzgebiet unter besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1 und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen.
Bei der vorliegenden Planung sind Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nicht betroffen, so dass § 5 (1) BNatSchG nicht einschlägig ist. Insofern ist der Erhaltungs- und Wiederherstellungsauftrag für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes im LSG uneingeschränktes Schutzziel. Wie bereits unter dem Punkt Umweltauswirkungen ausgeführt, ist der ökologische Zustand des Flussabschnitts bereits im Ist-Zustand beeinträchtigt. Dies wird durch die Zustandsklassifikation nach WRRL (siehe unten) gestützt. Um das Schutzziel zu erreichen, sind daher Maßnahmen erforderlich, den ökologischen Zustand zu verbessern. Zumindest jedoch sind alle Maßnahmen zu unterlassen, um die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts weiter zu verschlechtern.
Mit der vorliegenden Planung wird weder eine Verbesserung des ökologischen Zustandes erreicht, noch wird eine Verschlechterung verhindert. Sie widerspricht daher § 26 (2) BNatSchG.
Aus dem Entwurf der Verordnung des Landratsamtes Mittelsachsen zur Festsetzung des LSG „Augustusburg-Sternmühlental“ (die endgültige Verordnung liegt uns nicht vor) geht aus § 3 (2) Schutzzweck hervor:
Punkt 1: Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, insbesondere die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der gebietsprägenden Landschaftsbestandteile und Biotoptypen mit hohem Biotopwert, der ... naturnahen Bachläufe und Flussabschnitte einschließlich Ufervegetation....
Punkt 7. die Erhaltung und Entwicklung der Lebensraum- und Biotopverbundfunktion der Auenbereiche der Zschopau ...
Punkt 8: die Erhaltung, Verbesserung und gegebenenfalls Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Fließgewässersystems der Zschopau ...
Durch das geplante Vorhaben werden alle drei Punkte des Schutzziels verfehlt. Besonders schwer wiegt, dass mit der Inbetriebnahme der WKA das Durchgängigkeits-Ziel (Punkt 8 der VO) für die Zschopau in absehbarer Zeit – trotz der dafür geplanten Maßnahme Umgehungsgerinne - nicht erreicht werden kann. Damit ist das Vorhaben im Sinne der Schutzgebietsverordnung und damit auch im Sinne von § 26 (2) BNatSchG (besonderer Schutzzweck) nicht genehmigungsfähig.
Sollte der Antragsteller im Übrigen darauf abstellen, dass zur Umsetzung seines Vorhabens keine weitere Errichtung von baulichen Anlagen notwendig wäre, so ist darauf zu verweisen, dass es für die bestehenden Anlagen keine wasserrechtliche Grundlage gibt, so dass Nutzung und Ausbau als Neuerrichtung von baulichen Anlagen zu werten sind, welche entsprechend § 4 Abs. 2 der Verordnung verboten sind.
UVP-Pflicht
Wie im Punkt Umweltauswirkungen ausgeführt, sind jegliche Rechte am Standort auf Anstau, Ausleitung und Wiedereinleitung von Wasser erloschen. Der Vorhabensträger plant daher eine neue Wasserkraftnutzung. Diese ist im Rahmen einer wasserrechtlichen Bewilligung neu zu beantragen. Gemäß UVPG ist die Errichtung und der Betrieb einer Wasserkraftanlage aufgelistet in Liste 1 „UVP-pflichtige Vorhaben“ unter Punkt 13.14 mit dem Zusatz, dass eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist. Laut § 3c bedeutet dies, dass „eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (ist), wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären. ... Bei den Vorprüfungen ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden.“
Bei den in Anlage 2 des UVPG aufgelisteten Kriterien für die Einschätzung von Umweltauswirkungen sind für das vorliegende Vorhaben folgende Punkte bedeutsam:
1.2 Nutzung und Gestaltung von Wasser, Boden, Natur und Landschaft
2.3.1 Lage in einem Natura-2000-Gebiet
2.3.7 Vorkommen gesetzlich geschützter Biotope nach § 30 BNatSchG
2.3.8. Lage in einem Überschwemmungsgebiet
3. Komplexität, Wahrscheinlichkeit, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität von Auswirkungen
Insbesondere die Lage im FFH-Gebiet und die geplante Dauer des Betriebs und damit der Auswirkung auf das Gewässer (es ist von einem Pachtvertrag über 50 Jahre für die Anlagen die Rede) ergeben im Zusammenhang mit den Zielvorgaben der WRRL (siehe unten) hinreichende Gründe für eine UVP, was eine an objektiven und fachlichen Grundsätzen orientierte Vorprüfung bestätigen müsste.
Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht erkennbar, ob eine UVP-Vorprüfung nach § 3c UVPG stattgefunden hat. Auch aus anderen (öffentlichen) Quellen ist den Naturschutzverbänden nicht bekannt, ob eine UVP-Vorprüfung stattfand.
Dies widerspricht ganz klar den Vorgaben von § 3a UVPG. Darin wird ausgeführt, dass die zuständige Behörde spätestens nach Beginn des Verfahrens feststellt, „ob nach den §§ 3b bis 3f für das Vorhaben eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Diese Feststellung ist, sofern eine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c vorgenommen worden ist, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen; soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben, ist dies bekannt zu geben.“
Wir fordern daher die zuständige Behörde auf, für den vorliegenden Vorgang eine UVP-Vorprüfung nach § 3c UVPG vorzunehmen und die Ergebnisse nach § 3a UVPG bekannt zugeben. Wenn die Ergebnisse der Vorprüfung einen weitergehenden Prüfbedarf bestätigen, ist eine UVP vorzunehmen.
WRRL
Das Ziel der EG-Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL) besteht in der Erreichung des guten Zustandes aller Gewässer. Die WRRL wurde in deutsches Recht umgesetzt und findet ihren Ausdruck u. a. in den §§ 25a ff. WHG, in denen ein Verschlechterungsverbot und ein Verbesserungsgebot der Gewässer vorgeschrieben sind. Diese Ziele sind naturgemäß auch im Abschnitt der Zschopau umzusetzen, für welchen vorliegend die Befreiung von Schutzgebietsvorschriften des LSG beantragt wurde. Die Zielerreichung ist bei der Genehmigung von wasserwirtschaftlichen Vorhaben immer zu beachten. Es muss daher gewährleistet sein, dass sich bei Durchführung des Vorhabens nicht nur der Zustand des Oberflächengewässers nicht verschlechtert, sondern – sofern das Gewässer noch keinen guten Zustand aufweist – dieser im Rahmen eines überschaubaren Zeitraums erreicht wird und das Vorhaben dem nicht entgegensteht.
Der betroffene Flussabschnitt der Zschopau wurde bei der Bewertung der Oberflächengewässer im Rahmen der Umsetzung der WRRL in Sachsen hinsichtlich seines ökologischen Zustandes als unbefriedigend eingestuft. Verantwortlich dafür ist die Bewertung zweier biologischer Qualitätskomponenten (Makrophyten und Phytobenthos - mäßig, benthische Invertebraten – unbefriedigend) sowie die signifikante Belastung des Oberflächenwasserkörpers durch Abflussregulierungen und morphologische Veränderungen.
Im Hinblick auf das mögliche Erreichen der Bewirtschaftungsziele der Oberflächenwasserkörper – Ökologie – wird eingeschätzt, dass die Zielerreichung eines guten ökologischen Zustandes bis zum Jahr 2015 nicht gewährleistet werden kann und damit eine Fristverlängerung notwendig ist.
Damit ist erkennbar, dass die Zschopau am betroffenen Flussabschnitt einer erheblichen ökologischen Verbesserung bedarf, um die Zielerreichung des guten Zustandes realistisch erscheinen zu lassen.
Eine der Hauptursachen für den unbefriedigenden ökologischen Zustand der Zschopau liegt in den Auswirkungen zahlreicher Wasserkraftanlagen, deren Betrieb und die dadurch verursachten kumulativen Wirkungen die oben beschriebenen Beeinträchtigungen für Fließgewässer und Ufer verursachen. Bisher gibt es nachgewiesenermaßen keine technischen Lösungen, welche die nachteiligen Folgen der Wasserkraftnutzung auf das Gewässer und seine Bewohner ausschließen können. Dies bestätigen nicht nur wissenschaftliche Untersuchungen, sondern auch die Tatsache, dass trotz Einbaus von „Fischtreppen“ in zahlreichen Wasserkraftanlagen der biologische und morphologische Gewässerzustand des Oberflächengewässers im betroffenen Abschnitt immer noch nicht den guten Zustand erreicht. Es ist deshalb ganz klar festzustellen, dass das Erreichen des guten Zustandes nicht mit der Fortführung der Wasserkraftnutzung vereinbar ist. Mit dem Ablaufen der Betriebserlaubnis für die Forellenzucht ergibt sich daher die Chance und Verpflichtung, durch Rückbau des nun nicht mehr benötigten Wehres Anstau, Ausleitung und Wiedereinleitung am Standort zu beseitigen und damit den guten Zustand im Flussabschnitt herzustellen. Alles andere, insbesondere die Erteilung einer weitern wasserrechtlichen Erlaubnis, welche zu einer dauerhaften Verschärfung der ökologischen Situation führt, entspricht nicht den Zielen der WRRL und ist abzulehnen.
Sollten Antragsteller und Wasserbehörde darauf abstellen, dass das Vorhaben keine Verschlechterung der Zustandsklasse des Gewässers verursacht, da diese ja bereits „unbefriedigend“ ist bzw. sich das Vorhaben im Sinne der Zeile der WRRL „neutral“ wäre, wird auf die folgenden Ausführungen der Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH verwiesen, welche belegen, dass diese Herangehensweise dem Grundgedanken der WRRL widerspricht:
Absatz 58: „Obwohl die Analyse von Art. 4 der WRRL aufgrund seiner Struktur nicht einfach ist, ist folglich die einzige Auslegung, die sowohl seinem Wortlaut als auch seinem Zweck entspricht, die, dass dieser Artikel eine zwingende Verpflichtung der Mitgliedstaaten schafft, alle Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Verschlechterung der Wasserkörper zu erlassen, für die – wie im Fall der Weser – ein Bewirtschaftungsplan mit einem Maßnahmenprogramm aufgestellt wurde, und sich zu bemühen, alle Mittel zu nutzen, um die Wasserkörper zu schützen, zu sanieren und zu verbessern, um schließlich ihren guten Zustand zu erreichen“.
Dass auch sogenannte „neutrale“ Vorhaben zumindest dem Verbesserungsgebot der WRRL im hier betrachteten Abschnitt der Zschopau widersprechen, wird in Absatz 69 dargelegt:
„Im Hinblick auf das allgemeine Ziel der WRRL, bis zum Jahr 2015 einen guten Gewässerzustand zu erreichen, ist die Tragweite des Verbesserungsgebots in Bezug auf einen individuellen Wasserkörper und über die Wirkungen der zu erlassenden Maßnahmen auszulegen. Folglich müsste der aktuelle Zustand des betreffenden Wasserkörpers der Ausgangspunkt sein. Wenn ein einzelnes Vorhaben oder die Planungsmaßnahmen insofern „neutral“ sind, als sie weder zu einer Verbesserung noch zu einer Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers führen, scheint mir ein solcher Ansatz nur dann vom Gesetzgeber zugelassen zu sein, wenn der aktuelle Zustand des in Rede stehenden Wasserkörpers zumindest „gut“ ist. Hingegen entfaltet das Verbesserungsgebot seine vollen Wirkungen, wenn der aktuelle Zustand eines betroffenen Wasserkörpers schlechter als „gut“ ist.
FFH-Gebiet
Das Vorhaben befindet sich im FFH-Gebiet „Zschopautal“. Es berührt unmittelbar die ausgewiesenen LRT 6510 (Flachland-Mähwiese) sowie 6430 (feuchte Hochstaudenfluren) und 91E0* (Erlen-Eschen-und Weichholzauwälder), der betroffene Flussabschnitt ist als Habitat für Bachneunauge und Westgroppe sowie Fischotter gekennzeichnet. Anstaubereich und Ausleitungsstrecke des Wehres unterbrechen zwei Flussabschnitte des LRT 3260, die sich unmittelbar flussober- und -unterhalb anschließen.
Entsprechend der Verordnung der Landesdirektion Chemnitz zur Bestimmung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung „Zschopautal“ vom 28.4.2011 gelten u.a. die folgenden Erhaltungsziele:
Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der im Gebiet vorkommenden natürlichen Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Anhang der FFH-RL, einschließlich der für einen günstigen Erhaltungszustand charakteristischen Artenausstattung sowie der mit ihnen räumlich und funktional verknüpften, regionaltypischen Lebensräume, die für die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Lebensräume des Anhanges I der FFH-RL von Bedeutung sind. Dazu zählen die LRT 3260, 6430, 6510 und 91E0*.
Das FFH-Gebiet besitzt aufgrund der überwiegend naturnahen Fließgewässerabschnitte (LRT 3260) der Zschopau und ihrer Nebenflüsse in großer Zahl und Ausdehnung eine überregionale Verantwortung für den Schutz dieses Lebensraumtyps im Freistaat Sachsen.
Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der im Gebiet vorkommenden Populationen der Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Anhang II der FFH-RL sowie ihrer Habitate im Sinne von Artikel 1 Buchst. f der FFH-RL. Dazu zählen Bachneunauge, Westgroppe und Fischotter.
Wehranlagen sind Hauptverursacher für die Aberkennung des LRT 3260. Sie beeinträchtigen Fließgewässer-, Grundwasser- und Überflutungsdynamik und behindern die Durchgängigkeit des Fließgewässers für seine Bewohner. Es wird vollumfänglich auf die beschriebenen negativen Umweltwirkungen des geplanten Vorhabens auf das Fließgewässers (siehe oben) verwiesen.
Durch Wehre wird insbesondere der Lebensraum von Bachneunauge (Mittelstreckenwanderer) erheblich beeinträchtigt. Zwar passieren Bachneunaugen und Groppen bei ihrem Fischabstieg (vor allem durch Verdriftung) Turbinen offenbar besser und mit geringeren Schäden als andere Fische. Sie können jedoch durch ihre bodennahe Lebensweise die flussaufwärts gerichteten Kompensations- und Ausbreitungswanderungen nicht erfolgreich durchführen, da sie Fischaufstiegsanlagen kaum und Wehre gar nicht überwinden können. Bereits 0,2 m hohe Hindernisse können für das Bachneunauge unüberwindbar sein. Es entwickeln sich dadurch isolierte Vorkommen mit allen entsprechenden negativen genetischen Escheinungen. Hinzu kommt, dass die entscheidende Habitatanforderung des Bachneunauges - die Verfügbarkeit aerober Feinsubstrate als Larvallebensraum - aufgrund der durch Stauhaltungen verursachten Sediment- und Faulschlamm-Ablagerungen über weite Strecken nicht mehr gegeben ist.
Es sind somit hinreichend Anhaltspunkte gegeben, die Verträglichkeit des Projektes hinsichtlich der Erhaltungsziele des FFH-Gebietes „Zschopautal“ anzuzweifeln. Entsprechend § 34 BNatSchG sind Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen.
Aus den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, ob eine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde. Es gibt auch keine Hinweise darauf, ob eine Vorprüfung vorgenommen wurde bzw. ob sich die Behörde überhaupt mit dem Thema FFH-Verträglichkeit auseinandergesetzt hätte. Wir sehen dies als rechtsfehlerhaftes Verfahren an und fordern die verfahrensführende Behörde auf, eine FFH-Verträglichkeitsprüfung für die Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage durchzuführen. Bis zum Beweis des Gegenteils müssen wir davon ausgehen, dass das vorliegende Projekt nicht FFH-verträglich und damit nicht genehmigungsfähig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Weinschenk
i.A. des Landesvorstandes