18. September 2014
Stellungnahme zum Entwurf der Förderrichtlinie Natürliches Erbe - RL NE/2014, Stand: 28.07.2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir halten unsere in der Stellungnahme zum EPLR vom 02. April 2014 gemachten Aussagen zur Gestaltung der Förderung weiterhin aufrecht.
Im Folgenden weitere Aspekte.
0. Vorbemerkung
Grundsätzlich muss hervorgehoben werden: Die Erhaltung der Biologischen Vielfalt ist Verpflichtung für alle Bürger und ihre Regierung - u.a. festgelegt in der Verfassung des Freistaates Sachsen. Der sächsische Staat verfügt nach zahllosen Strukturreformen und Personalkürzungen kaum noch über Kapazitäten, selbst für die Bewahrung des Natürlichen Erbes praktisch tätig zu werden. Stattdessen überlässt er das denjenigen Bürgern, die diese höchst wichtige Daseinsvorsorge auch als eigene ethische Verpflichtung gegenüber der Mitwelt und gegenüber künftigen Generationen betrachten. Eine attraktive Förderung, die dieses gemeinnützige Engagement unterstützt und möglich macht, ist demzufolge das Mindeste, was der BUND Sachsen sowie die Aktiven Im Naturschutz von einer verantwortungsbewussten Regierung erwarten können.
I. Inanspruchnahme von GAK-Mitteln: speziell Streuobstwiesenpflege
Der Bund hat signalisiert, dass er sich im Rahmen der GAK künftig u.a. an der Förderung der Anlage und Pflege von extensiven Obstbeständen wie Streuobstwiesen beteiligen wird, die die Länder bis 2013 allein bzw. mit Co-Finanzierung der EU gefördert haben.
Sachsen sollte diese Möglichkeit wahrnehmen und im neuen Sächsischen Agrarumwelt- und Naturschutzprogramm (AUNaP) eine solche Streuobstwiesenpflegemaßnahme neu aufzunehmen. Streuobstwiesenpflege incl. Gehölzschnitt als nicht-wiederkehrende, rein investive Maßnahme ist nicht akzeptabel, mitunter ist der Schaden sogar größer als der Nutzen – zur Begründung verweise ich auf die o.g. Stellungnahme zum EPLR.
Auch weitere dort angebotene Maßnahmen sollten in das Sächsische Förderportfolio aufgenommen werden. Es ist nicht vermittelbar, dass die Staatsregierung sich einerseits gern damit brüstet, keinen EURO „aus Brüssel“ ungenutzt zu lassen und gleichzeitig Mittel des Bundes nicht beanspruchen möchte.
II. Naturschutzförderung auch für kleine Vereine und Einzelpersonen wieder attraktiv machen!
Wirkungsvolle Naturschutzmaßnahmen sind oft sehr kleinteilig und werden von kleinen, lokalen Akteuren (finanzschwache Naturschutzvereine und existenzgefährdete Naturschutzstationen, ehrenamtliche Naturschutzhelfer und andere engagierte Einzelpersonen) getragen. Da von denen die staatlichen Gelder mit besonders hoher Zielgenauigkeit von engagierten Naturschützern eingesetzt werden, ist hier eine besonders große Förderwürdigkeit gegeben. Doch waren in der abgelaufenen Förderperiode gerade die "kleinen Akteure" kaum noch in der Lage, die komplizierten Antrags- und Abrechnungsprozeduren durchzustehen. Oft fallen die Vorhaben auch unter die festgesetzten Bagatellgrenzen. Absehbar wird sich an diesen sehr ungünstigen Bedingungen mit der neuen Richtlinie wohl nichts ändern.
- keine Vorfinanzierung!
Viele wichtige Naturschutzmaßnahmen können trotz prinzipieller Förderfähigkeit nicht umgesetzt werden, weil von den Akteuren verlangt wird, nachweisbar die Leistungen vorzufinanzieren. Dies kann oftmals nicht geleistet werden.
Die gegen Ende der letzten Förderperiode angebotene Möglichkeit, bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) einen "zinsvariablen" Kredit aufzunehmen, wird von den meisten Akteuren abgelehnt. Dies liegt zum einen sicher an den oft sehr schlechten Erfahrungen, die sie im Zusammenhang mit anderen Fördermaßnahmen (z.B. ZIEL3) mit der SAB machen mussten. Vor allem aber wäre damit noch mehr bürokratischer Beantragungsaufwand verbunden.
Dass die frühere Förderpraxis, etwa der Landschaftspflegerichtlinie, durchaus auch unter heutigen Rahmenbedingungen noch möglich ist, zeigt die Förderung Biologischer Vielfalt auf Bundesebene (z.B. Programm des BMEL - Hier ist es möglich, die bewilligten Gelder abzufordern und innerhalb von acht Wochen auszugeben und anschließend die Verwendung nachzuweisen).
- Managementkosten am realen Aufwand berechnen anstatt auf 10% zu beschränken!
Zu begrüßen ist, dass mit der neuen NE-Richtlinie offenbar bei allen Maßnahmen auch Management- und Planungsleistungen als förderfähig gelten. Wichtig ist, dass das SMUL nicht im weiteren Verfahren deren Höhe auf 10% begrenzt. Besonders dann, wenn ein Naturschutzverein oder privater Antragsteller von der Fördermittelbehörde zur Prüfung auserkoren wurde, übersteigt der Managementaufwand nicht selten den eigentlichen Aufwand für die Maßnahme!
-keine Bagatellgrenzen!
Wirkungsvoller Naturschutz muss nicht immer groß und teuer sein. Doch kann die Regierung nicht davon ausgehen, dass die "billigen" Maßnahmen ganz selbstverständlich von den lokalen Akteuren aus eigener Tasche bezahlt werden. Eine Bagatellgrenze von EUR 500 ist jedenfalls eindeutig deutlich zu hoch. Hier ist es dem Freistaat offenbar wichtiger, Arbeit von seinen geschrumpften Behörden fern zu halten, als dass für geschützte Tiere Nisthilfen installiert oder kleine Habitate gefährdeter Pflanzenart offengehalten werden. Gegenbeispiel sind die Abwehrmaßnahmen gegen Wolfsschäden, die ohne Bagatellgrenzen auskommen.
- bürokratischen Aufwand deutlich reduzieren (zumindest für "kleine Antragsteller"!)
Es zeichnet sich ab, dass auch in der nächsten Förderperiode Einzelaktive und kleine Naturschutzgruppen vor der Förderbürokratie kapitulieren werden müssen. Wichtig wäre, für Projekte bis zu einer bestimmten Höchstgrenze (Vorschlag: EUR 2.000) ein stark vereinfachtes Förderverfahren einzuführen, bei dem z.B. auf einen Finanzierungsplan und die Einholung von Kostenangeboten im Vorfeld der Beantragung verzichtet wird.
Kleine Maßnahmen zu unterschiedlichen Fördergegenständen sollten auch in einem Antrag gebündelt werden dürfen (v.a. dann, wenn sonst die Einzelmaßnahmen unter die o.g. EUR 500-Bagatellgrenze fallen).
Für die Beantragung von Naturschutzmaßnahmen durch Naturschutzpraktiker sollte der Freistaat zudem unterstützendes Behördenpersonal bereitstellen - bis hin zum gemeinsamen Ausfüllen der unverzichtbaren Formulare in ortsnahen Amtsstuben. Sinnvoll wären dafür regelmäßige Sprechtage von Mitarbeitern der Förderbehörde in den Büros der Unteren Naturschutzbehörden.
III. Mehr Flexibilität und Zielgenauigkeit!
Die Regierung des Freistaates Sachsen setzt offenbar auch bei der Naturschutzförderung die Maxime an, Landesgeld allenfalls dann einzusetzen, wenn damit gleichzeitig EU-Co-Finanzierung möglich ist. Folge davon ist eine ziemlich starre Vorgabe von Fördertatbeständen - und der Verzicht auf nicht EU-förderkonforme Naturschutzmaßnahmen. Für echten Vertragsnaturschutz wäre ein ergänzendes, rein landesfinanziertes Förderprogramm – oder die Verknüpfung mit GAK-Mitteln, s.o. – nötig. Dieses sollte den Unteren Naturschutzbehörden (als die besten behördlichen Kennern der lokalen Erfordernisse und Möglichkeiten) die finanziellen Mittel an die Hand geben, mit den Akteuren der Naturschutzpraxis überall dort zielgenaue Vereinbarungen abzuschließen, wo die Förderkriterien der Richtlinie NE nicht greifen.
- Wahlmöglichkeit zwischen Festkostensätzen und Beantragung auf Basis tatsächlicher Aufwandskalkulation ermöglichen!
Die Ausweitung der Beantragungsmöglichkeit von Naturschutzmaßnahmen auf der Basis von Festkostensätzen reduziert zweifelsohne den bürokratischen Aufwand für die Antragsteller und ist daher zu begrüßen. Andererseits aber ist Steinrücke nicht gleich Steinrücke und Kopfweide nicht gleich Kopfweide - der tatsächliche Aufwand für die Naturschutzmaßnahmen variiert erheblich. Die Festkostensätze verleiten dazu, vorrangig solche Maßnahmen in Angriff zu nehmen, wo der Einsatz an Arbeit und Material gering ist.
- Grünmasseverwertung aus der Biotoppflege fördern
Nach wie vor ungelöst ist das Problem: wohin mit nicht heutauglichem Grünschnitt aus der Landschaftspflege, insbesondere von seggen- und binsenreichen Nasswiesen? Nach aufwendiger Machbarkeitsstudie ist im SMUL sicherlich bekannt, dass die vor wenigen Jahren von Ministeriumsmitarbeitern empfohlene Mitvergärung in Biogasanlagen nicht realisierbar ist (zumindest nicht zu vertretbaren Kosten). Bleibt die ebenfalls bisher praktizierte Kompostierung. Diese ist oft ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. Kosten, mit denen die Biotoppflegeeinrichtungen allein gelassen werden.
IV. Mehr Vertrauen in die Kompetenzen der Naturschutzvereine und -stationen!
Die neue Richtlinie scheint recht weitreichende Möglichkeiten für die Finanzierung naturschutzfachlicher Arbeiten durch Naturschutzvereine und von Kooperationen mehrerer Akteure bei anspruchsvollen Aufgaben zu eröffnen. Beim genaueren Lesen ergeben sich allerdings Zweifel, was das SMUL damit bezweckt - da genau diese Akteure nicht oder nur eingeschränkt befugt sein sollen, diese Mittel in Anspruch zu nehmen.
- Naturschutzfachplanungen nicht nur für Landkreise fördern!
In den meisten Landkreisen sind die Unteren Naturschutzbehörden nahezu bis zur Handlungsunfähigkeit zusammengespart worden. Oft unterliegen sie darüber hinaus den politischen Vorgaben von Landräten, denen Naturschutz häufig nicht wichtig ist. Wirklich wichtige, wertvolle Naturschutz-Fachplanungen sind in erster Linie von Naturschutzverbänden, Naturschutzinstituten, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zu erwarten. Auch kleine Naturschutzakteure könnten ihre praktische Arbeit erheblich wirksamer gestalten, wenn für die von ihnen betreuten Biotope und Habitate fachlich fundierte Planungen vorlägen.
- Kooperationen nach C3 auf Initiative der Akteure selbst
Verwunderlich stimmt die Bestimmung 5i)dd) (S. 13): "Das Vorhaben entspricht der im Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen vorgegebenen thematischen Zielstellung." Dies klingt danach, als ob Förderung für die "Zusammenarbeit zum Schutz der biologischen Vielfalt" nur dann gefördert werden soll, wenn sich zuvor in einer unbestimmten staatlichen Stelle jemand überlegt, dass es für ein bestimmtes Projekt günstig wäre, wenn zwei oder mehr Akteure zusammenarbeiten würden (oder gar: zur Zusammenarbeit genötigt werden könnten?). Von einer solchen Entmündigung sollte besser abgesehen und den Vereinen das Recht eingeräumt werden, selbstständig zu entscheiden, wo und wann eine Kooperation sinnvoll ist. Unberührt davon bleiben ergebnisoffene Gesprächs- oder Moderationsangebote.
V. Ausblick
Wie auch schon beim Entwurf der neuen Förderrichtlinie AUNaP ist abzusehen, dass es mit der Richtlinie Natürliches Erbe nicht gelingen wird, die besorgniserregenden Verluste der Biologischen Vielfalt im Freistaat Sachsen signifikant abzubremsen. Mit der nächsten Förderperiode fällt aber die Verpflichtung der EU-Biodiversitätsstrategie zusammen, genau dieses Ziel bis 2020 zu erreichen. Die Finanzierung praktischer Naturschutzmaßnahmen kann und darf deshalb nicht diesen unzulänglichen Förderinstrumenten überlassen werden.
Aus unserer Sicht notwendig wäre ein dreistufiges Modell:
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| fördermittelunabhängige Naturschutzmaßnahmen auf besonders wertvollen Biotopen und Habitaten stark gefährdeter/vom Aussterben bedrohter Arten durch staatlich finanzierte Naturschutzstationen. (nicht nur einzelner Umweltverbände) |
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| landesfinanzierter, zielgenauer Vertragsnaturschutz für Schutzgebiete, FFH-LRT und Biotopverbund-Kernflächen |
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EU-co-finanzierte Förderrichtlinien für "normale", groß- und mittelflächig wirkende Maßnahmen |
Mit freundlichen Grüßen
Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer