12. Juni 2014

Stellungnahme zum Bebauungsplan „Sondergebiet Freizeit“ der Stadt Rötha

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Vorhaben und nimmt nachfolgend Stellung.

Das Vorhaben wird abgelehnt.

Begründung:

Aufgrund von Sondergenehmigungen wurde in den vergangenen 10 Jahren auf dem sogenannten Holzplatz bei Rötha Motorsport betrieben. Aus den Unterlagen ist der Umfang der bisher genehmigten Motorsportveranstaltungen nicht zweifelsfrei zu entnehmen (2 Wochenenden im Jahr lt. Umweltbericht, ca. 6 Renntage im Jahr lt. SPA-Erheblichkeitsabschätzung). Geplant ist nunmehr, an 12 Renntagen im Jahr derartige Veranstaltungen sowie Autocrossveranstaltungen auszutragen und die dafür erforderliche Genehmigung mittels eines Bebauungsplanes für ein Sondergebiet zu erlangen. Bereits damit ist eine erhebliche Ausweitung der Störungen im Gebiet verbunden. Durch einfachen Bauantrag einschließlich Schallschutzgutachten können künftig auch weitere Veranstaltungen wie Übungen der Feuerwehr, Schlittenhunderennen, Scaterwettbewerbe oder Cross- oder Mountainbikerennen genehmigt werden. Ungeregelt bleibt, ob und wie diese Veranstaltungen naturschutzfachlich genehmigt werden müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass künftig auch über den jetzt beantragten Umfang Störungen im Gebiet zugelassen werden können.

Umweltverträglichkeitsprüfung

Aufgrund der Größe des Vorhabens von 14,1 ha gehen wir davon aus, dass das Vorhaben gemäß Anlage 1 Nr. 18.7.1 des UVPG allgemein UVP-pflichtig ist.

Regionalplanung

Entsprechend den Festsetzungen des Regionalplanes Westsachsen (2008) liegt das Plangebiet in einem ausgewiesenen Regionalen Grünzug (Ziel der Raumordnung). Regionale Grünzüge können sich mit Vorrang- und Vorbehaltsgebieten überlagern, die in diesem Fall die Zielrichtung der Freiraumnutzung bestimmen. Das Plangebiet liegt weiterhin gemäß Sanierungsrahmenplan Tagebau Espenhain (Originärausweisung des Braunkohlenplanes innerhalb des Regionalplanes) in einem Vorranggebiet Forstwirtschaft (Erhöhung Waldanteil und Waldumbau). Damit ist die Zielrichtung bestimmt. Sie deckt sich nicht mit der geplanten Nutzung als Motocrossstrecke. Unserer Meinung nach ist dieser Konflikt nur über ein Zielabweichungsverfahren nach § 16 SächsLPlG lösbar.

Natura-2000, Artenschutz

Das Plangebiet grenzt unmittelbar an das SPA-Gebiet „Rückhaltebecken Stöhna“. Innerhalb des Plangebietes und zwar teilweise direkt in der geplanten Rennstrecke wurden 2012/2013 neben zahlreichen weiteren europäisch geschützten Vogelarten folgende für das SPA-Gebiet wertbestimmende Arten bzw. Erhaltungsziel-Arten (Arten der Anhangs I der VSRL) kartiert: Heidelerche, Feldlerche und Steinschmätzer, unmittelbar daneben ein Brutplatz des Wendehalses. Es besteht lt. SPA-Vorprüfung eine hohe Wahrscheinlichkeit, durch die geplanten Veranstaltungen die Tötungs- bzw. Störungstatbestände des § 44 BNatSchG zu erfüllen. Weiterhin wurde ein Vorkommen der europäisch geschützten Zauneidechse innerhalb des Plangebietes kartiert.

Die aus diesem Grund geplanten artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahmen sind nicht geeignet, den Verboten des § 44 BNatSchG wirksam zu begegnen. Dazu einige Beispiele:

 

  • V1 (Beschränkung der Anzahl der Renntage) eröffnet die Möglichkeit, zwölfmal im Jahr derartige Veranstaltungen durchzuführen. Eine Bündelung von 2 Renntagen an einem Wochenende, so dass nur 6 Wochenenden im Jahr gebraucht werden, ist eine freiwillige Absichtsbekundung. Inwieweit weitere Veranstaltungen (durch einfachen Bauantrag) über die genehmigten 12 Tage hinaus Störungen in das Gebiet einbringen, ist offen.

  • Ein freiwilliger Verzicht des Motorsportvereins auf Rennveranstaltungen zwischen 31.3. und 31.5. (V2) gilt nicht für das Pfingstrennen. Es sind somit (möglicherweise sehr gut besuchte) Veranstaltungen auch innerhalb der Brutzeit der Vögel geplant. Insbesondere für den Steinschmätzer sind auch Veranstaltungen nach Ende Mai brutgefährdend, da die Art erst spät im Jahr brütet (Anfang Mai bis Juli). Für diese wertgebende Art ist also die sogenannte Vermeidungsmaßnahme nutzlos. Für weitere, durch einfachen Bauantrag genehmigungsfähige Veranstaltungen (siehe oben) gilt die Zeiteinschränkung ebenfalls nicht.

  • V3 (Prüfung der Fläche auf Vorhandensein von Bodenbrütern sowie ggf. geringfügiges Versetzen gefundener Nester) ist lebensfremd und zudem nicht von den Artenschutzbestimmungen gedeckt. Ein Versetzen von Nestern ist im klassischen Sinn eine Störung, ein Brutverfolg steht damit in Frage. Ein „geringfügiges“ Versetzen würde zudem bedeuten, dass das Nest, sollte es sich vielleicht direkt auf oder neben der Strecke befinden, auch weiterhin im direkten Störungsbereich der Motocrossstrecke (Lärm, Bewegungsunruhe) liegt. Es ist ebenfalls nicht gewährleistet, dass diese (kompliziert umzusetzende) Vermeidungsmaßnahme auch für weitere, durch einfachen Bauantrag zu genehmigende Veranstaltungen gilt.

  • Der Vorhabensträger möge darlegen, wie es ihm gelingen soll, die in Maßnahme V7 formulierte strukturelle Vergrämung von bodenbrütenden Vögeln dauerhaft und erfolgreich durchzuführen. Sicher ist es möglich, Flächen außerhalb der Motorcross-Fahrbahnen z.B. flächig zu bepflanzen, um eine Brut von Heidelerche, Feldlerche und Steinschmätzer zu unterbinden (das ist aber nicht vorgesehen), die Fahrspuren bzw. –bahnen wären damit aber immer noch offen und sind i.d.R. durch den entstandenen Rohboden besonders attraktiv für die genannten Bodenbrüter. Gleiches gilt für die Parkplätze und Zufahrten. Ein bloßes Umsetzen eines Steinhaufens jedenfalls ist keine erfolgversprechende Maßnahme.

Der Vorhabensträger möge darlegen, wie es ihm gelingen soll, die in Maßnahme V7 formulierte strukturelle Vergrämung von bodenbrütenden Vögeln dauerhaft und erfolgreich durchzuführen. Sicher ist es möglich, Flächen außerhalb der Motorcross-Fahrbahnen z.B. flächig zu bepflanzen, um eine Brut von Heidelerche, Feldlerche und Steinschmätzer zu unterbinden (das ist aber nicht vorgesehen), die Fahrspuren bzw. –bahnen wären damit aber immer noch offen und sind i.d.R. durch den entstandenen Rohboden besonders attraktiv für die genannten Bodenbrüter. Gleiches gilt für die Parkplätze und Zufahrten. Ein bloßes Umsetzen eines Steinhaufens jedenfalls ist keine erfolgversprechende Maßnahme.


Um Vermeidungsmaßnahmen zur Abwendung der Tötungs- und Störungsverbote des § 44 BNatSchG anzuerkennen, ist notwendig, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind. Mit den genannten Maßnahmen ist dies nicht zu erreichen.

Schallschutzgutachten

Das Schallschutzgutachten wurde leider ausschließlich unter dem Aspekt des Lärmschutzes für Menschen (Anwohner) erstellt. So fehlen grundsätzlich Betrachtungen für Immissionsorte (IO) im westlich angrenzenden SPA-Gebiet unter dem Aspekt der Lebensraumbeeinträchtigung für Tiere, insbesondere Vögel (lediglich IO 09 ca. 3000 m entfernt). Aber auch so ist erkennbar, dass für alle näher gelegenen Immissionsorte (Espenhain, Rötha) der für die Lebensraumeignung von geschützten Vögeln bedeutsame Beurteilungspegel Leq von 52 dB(A) überschritten wird. Das bedeutet, dass auch das SPA-Gebiet in einer unbestimmten Flächengröße mit mehr als 52 dB(A) beschallt wird (so ist es schon für den gesunden Menschenverstand erkennbar, dass der bei Massenstarts von Motorrädern verursachte Spitzenschallpegel von 130 dB(A) zu Dauerschallpegeln von deutlich über 52 dB(A) liegend weit in das SPA-Gebiet hinein wirkt – dies gilt erst recht für die noch näher gelegenen Ausgleichsmaßnahmen A 1und A2). Im Übrigen ist zu sehen, dass ein Dauerschallpegel von 52 dB(A) jedenfalls dann als zu hoch erscheint, wenn es sich um Verkehrslärm handelt, bei dem insbesondere die hohen Spitzenpegel eine besondere Störqualität aufweisen. So wird beim Fluglärm für die Vermeidung von Störungen für die Avifauna ein Leq von 47 dB(A) zugrunde gelegt. Der hier in Rede stehende Motorradlärm steht in der Plötzlichkeit seines Auftretens und der Bedrohungswirkung des Fahrzeugs auf die Tiere dem Fluglärm in nichts nach. Unter dem Aspekt des effektiven und vorsorgenden Schutzes gerade der wertgebenden Arten des SPA-Gebietes wird deshalb gefordert, das Schallschutzgutachten grundlegend zu überarbeiten und hier auch die Lärmimmissionen für geschützte lärmempfindliche Tierarten beginnend ab einem Leq von 47 dB(A) zu erfassen und zu bewerten.

Bereits aufgrund der massiven Lärmeinwirkungen ist das Vorhaben als ein Projekt im Sinne § 34 BNatSchG anzusehen. Ein Projekt ist bereits dann geeignet, ein Natura-2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass das betreffende Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2004 – C-127/02). Untersuchungen diesbezüglich hat es jedoch nicht gegeben. Es ist daher unverständlich, wieso in der SPA-Vorprüfung das Fazit gezogen wird, dass die Lärmauswirkungen des Vorhabens auf Vögel keine Beeinträchtigungen der Habitateignung darstellen. Wir gehen vielmehr davon aus, dass insbesondere durch die Lärmimmissionen erhebliche Beeinträchtigungen für die wertbestimmenden Arten und somit für die Erhaltungsziele des Gebietes zu erwarten sind, so dass eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist, in welcher ggf. über die Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zu entscheiden ist.

Kumulative Wirkungen

Weder im Umweltbericht noch in den Fachgutachten (SPA-Vorprüfung, Artenschutzfachbeitrag) wurden die kumulativen Wirkungen weiterer genehmigter bzw. in der Planung befindlicher Vorhaben auf europäisch geschützte Arten (Vögel, Fledermäuse, Zauneidechse) betrachtet. Dazu zählt insbesondere der Bau der Autobahn A 72 einschließlich der Nebenanlagen (Regenrückhaltebecken).

Wir bitten um weitere Beteiligung im Verfahren und Mitteilung des Abwägungsergebnisses.

 

Mit freundlichen Grüßen




Petra Weinschenk

i.A. des Landesvorstandes


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