17. Juni 2014
Stellungnahme zur Festsetzung des Hochwasserentstehungsgebietes „Untere Müglitz/Gottleuba“ im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt nachfolgend Stellung.
Der Rechtsverordnung wird aktuell nicht zugestimmt.
Begründung
Grundsätzlich sieht der BUND die behördliche Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten als längst überfälligen Verwaltungsakt positiv, weil sie dem Grundgedanken des Wasserrückhalts in der Fläche folgt. Im Detail ergeben sich jedoch noch grundlege Einwände zum Umgriff des Gebietes.
Beim Blick auf die Karte fällt auf, dass größere, vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen mit mäßiger bis mittlerer Hangneigung nicht im Umgriff des Hochwasserentstehungsgebietes enthalten sind. Begründet wird dies damit, dass die Bodenverhältnisse (flachgründige, schlecht durchlässige Braunerde über Festgestein, an anderen Stellen Gley und Pseudogley) für den schnellen Wasserabfluss dominant gegenüber den Einflüssen der Landnutzung wären.
Hierbei wird jedoch vergessen, dass der Wasserabfluss insbesondere in landwirtschaftlich genutzten Flächen vor allem durch das großflächige Vorhandensein von Drainagen beeinflusst wird und weniger durch die Bodenart. Drainagen beschleunigen den Wasserabfluss auch in mäßig geneigten Flächen erheblich. Daneben verschärft sich das Problem durch die punktuelle Einleitungen der Drainage-Hauptsammler in die Vorflut. Ein Versickern des Niederschlags in das Grundwasser ist somit auf großen Flächen kaum noch möglich.
Der Begründung zur Verordnung ist zu entnehmen, dass zur Modellbildung des Wasserabflusses (welche letztlich für die Flächenauswahl zugrunde lag) der Grad der Flächenmelioration keine Rolle gespielt hat. Das ist aus den o.g. Gründen nicht hinnehmbar, das Modell ist dahingehend zu korrigieren.
Nicht berücksichtigt wurde offenbar ebenfalls, dass insbesondere Ackerflächen in einer Tiefe von 30 bis 50 cm aufgrund der Bodenbearbeitung durch schwere Landtechnik so verdichtet sind, dass ein Einsickern des Niederschlagswassers in den Grundwasserkörper gar nicht mehr möglich ist. Die Festigkeit dieser Bodenschicht ist mit Beton zu vergleichen. Aus diesem Grund kommt es auch ohne Meliorationsanlagen zu einem sofortigen Zwischenabfluss des Niederschlags. Mäßig bis mittel geneigte, intensiv bewirtschaftete Ackerflächen haben deshalb insbesondere außerhalb der Vegetationsperiode so gut wie keinen Wasserrückhalt. Es ist daher für die Einschätzung der Hochwassergefahr verfälschend, wenn große Ackerflächen aus dem Verordnungsgebiet herausgenommen werden.
Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass offenbar dieses Problem (Bodenverdichtung im Acker) bei der Modellbildung keine Rolle gespielt hat. Das ist aus den o.g. Gründen nicht hinnehmbar, das Modell ist dahingehend zu korrigieren.
Noch einige Anmerkungen zur Verordnungs-Begründung:
Schutzzweck des Gebietes ist, neben dem Erhalt des Wasserrückhaltevermögens dieses auch zu verbessern. Das bedeutet, dass über den üblichen „Ausgleich“ von Eingriffen in den Wasserhaushalt hinaus auch zusätzliche Maßnahmen des Wasserrückhalts im Gebiet umgesetzt werden sollen. Davon ist jedoch im Verordnungsentwurf nichts erkennbar. Die unter Punkt I.3 benannten „Ausgleichsmaßnahmen“ sind die üblichen Maßnahmen, welche bei Versiegelungen auch außerhalb dieses speziellen Gebietes geplant werden. Das Hochwasserproblem entsteht jedoch nicht nur durch Neuversiegelungen, sondern vor allem durch zu schnellen Wasserabfluss auf land- und forstwirtschaftliche genutzten Flächen, indem der Boden drainiert, Bäche verrohrt und begradigt, Kleinstrukturen beseitigt, standortfremde Waldgesellschaften etabliert und der Boden durch schwere Technik und großflächigen Maisanbau verdichtet wurden. Für diese Problemfelder können „Ausgleichsmaßnahmen“ (die nur durch weitere Eingriffe „generiert“ werden können), nicht die Lösung sein. Vielmehr ist auf der Basis der Verordnung z.B. im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren eine langfristige ökologische Umgestaltung der Landschaft und möglicherweise auch der Bewirtschaftungsformen im Hochwasserentstehungsgebiet erforderlich, die ggf. entschädigungspflichtige Tatbestände beinhalten. Dies ist als separater Punkt aufzunehmen und zu regeln, ansonsten ist die Verordnung in Praxis wertlos.
Neben der Problematik der unzureichenden Umsetzung des Ausgleichs ist die unkritische Anwendung der Handlungsempfehlung für die Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen im Freistaat Sachsen der Grund für das hohe Defizit beim Ausgleich für den Eingriff in den Bodenwasserhaushalt und damit ein Grund für die Verschärfung von Hochwassergefahren. So ist aus Sicht des Grundwasserneubildungsvermögens des Bodens fachlich nicht vertretbar, die Neuversiegelung von 10.000 m² Acker durch ca. 3.000 m² Gehölzpflanzungen als „ausgeglichen“ zu bilanzieren, wie dies bei der Handlungsempfehlung rein rechnerisch möglich ist. Es ist deshalb auch im Punkt 1.3 des Verordnungsentwurfs erforderlich (ähnlich in Punkt 1.2 bereits geregelt), dass bei der Dimensionierung und Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen ein rechnerischer Nachweis der verbesserten Wasserversickerung und Wasserrückhaltung erbracht wird, der eine Wasserbilanz beinhaltet (Oberflächenabfluss, Versickerung, Verdunstung). Dabei wird sich zeigen, dass nicht jede Ausgleichsmaßnahme den Wasserrückhalt signifikant verbessert. Genau dies sollte aber das Ziel sein.
Wir lehnen die Anerkennung von technischen Regenrückhalteeinrichtungen als Kompensationsmaßnahme ab. Derartige Einrichtungen stellen in der Regel neue Eingriffe in Natur und Landschaft dar und sind bestenfalls (z.B. bei Rigolen und sonstigen Versickerungseinrichtungen in Gebäudenähe) Minderungsmaßnahmen. In keinem Fall kann die Versiegelung unverbauten Bodens durch technische Rückhaltungen ausgeglichen werden.
Wir bitten um Prüfung unserer Einwände und weitere Beteiligung im Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Weinschenk
i.A. des Landesvorstandes
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