BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


23. Mai 2014

Stellungnahme zum Antrag Nr. 2 des ASS Agrarunternehmen Starbach-Sachsen eG auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erweiterung der Rinderanlage am Standort 01683 Ketzerbachtal, OT Bodenbach, Am Bahndamm 1

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch Gewährung der Möglichkeit zur Stellungnahme.

In Bezug auf das genannte Vorhaben geben wir folgende Stellungnahme ab:

Der BUND Sachsen e.V. lehnt das beantragte Vorhaben ab.

Die Feststellung des Vorhabenträgers, dass sich durch die Änderung der Biogasanlagen-Einsatzstoffe keine Änderungen ergeben, die Einfluss auf die bestehende Biogasanlage haben, ist fehlerhaft und unzutreffend. Durch die Änderung des Milchviehstalls wird sich der Anfall an Rindergülle ändern. Insofern wirkt sich die hier beantragte Genehmigung auf die Altanlage (Biogasanlage) aus. Die in einem Änderungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung muss die Umweltauswirkungen des Altbestands über die Berücksichtigung im Rahmen der Vorbelastung ermitteln und bewerten, soweit sich die Änderung auf die Altanlage auswirkt (BVerwG, Urt. v. 14.10.2013 - 7 C 36/11, Rn. 38). Dies ist vorliegend durch die Änderung der Zusammensetzung der Einsatzstoffe der Biogasanlage gegeben, so dass Umweltauswirkungen der bereits bestehenden Biogasanlage in die Ermittlung und Bewertung der gesamten Umweltauswirkungen mit einzubeziehen sind. Daran mangelt es in der vom Vorhabenträger erbrachten Umweltverträglichkeitsprüfung.

Wir stellen fest, dass für die Bewertung des Vorhabens ein Schallgutachten notwendig ist. Laut den übermittelten Angaben ist zwar ein Schallgutachten erstellt worden, allerdings nicht in den übermittelten Unterlagen angefügt. Die Ausführungen zu den Lärmimmissionen können aufgrund der fehlenden zugrunde gelegten Annahmen (bspw. Auswahl der Immissionsorte) nicht nachvollzogen werden. Darüber hinaus entbehren die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung gemachten Ausführungen zu den Geräuschimmissionen teilweise einer Grundlage. So handelt es sich um eine bloße Behauptung, dass „eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für Lärm (...) während der Bautätigkeiten nicht zu erwarten“ ist (siehe Umweltverträglichkeitsuntersuchung der betreffenden Anlage, Beratende Ingenieure Bau-Anlagen-Umwelttechnik 2014, S. 16). Bei der Ermittlung und Bewertung von Geräuschemissionen sind auch die Emissionen mit einzubeziehen, die durch An- und Abtransporte für die Ver- und Entsorgung der Milchviehanlage entstehen. Da es sich u. a. um eine Änderung des Milchviehbestands handelt, resultiert daraus auch die Änderung der Häufigkeit von An- und Abtransporte. Die Umweltauswirkungen der An- und Abtransporte (Altbestand) und die Steigerung durch die Erweiterung sind somit bei der zu erstellenden Bewertung der Geräuschemissionen zu berücksichtigen.

Weiterhin beanstanden wir, dass bei der vorgenommenen Umweltverträglichkeitsuntersuchung keine Untersuchung der Geruchssituation erfolgt ist. Das geplante Vorhaben kann durch seinen bestimmungsgemäßen Betrieb oder wegen betrieblich bedingter Störanfälligkeit geruchsintensive Stoffe emittieren, die schädliche Umwelteinwirkungen i. S. v. § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen können. Nicht nur durch die Änderung der Milchviehstückzahlen sind Anzeichen für Beeinträchtigungen der umliegenden Ortschaften und Natur durch geruchsintensive Stoffe gegeben. Auch der Bau eines Kadaverhauses, die Errichtung von fünf Güllebehältern, die Änderung der Einsatzstoffe der Biogasanlage und der Bau einer Kläranlage sind grundsätzlich dazu geeignet, eine Beeinträchtigung durch Geruchsimmissionen hervorzurufen. Der vorgenommenen Betrachtung der schädlichen Umwelteinwirkungen des geplanten Vorhabens fehlt eine Untersuchung der Ausbreitung und Schädlichkeit der geruchsintensiven Stoffe. Maßnahmen i. S. v. Nummer 5. 2. 8. TA Luft, die zur Minderung der Geruchsemissionen beitragen, sind infolge der fehlenden Betrachtung nicht erarbeitet worden. Insofern rügen wir eine unvollständig ausgearbeitete Umweltverträglichkeitsuntersuchung. Wir fordern zugleich, durch geeignete Nebenbestimmungen sicherzustellen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche nach dem Maßstab der GIRL entstehen.

Des Weiteren bemängeln wir die Ausführungen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung in Bezug auf die Auswirkungen von Bioaerosol auf die Schutzgüter. Wir halten die Feststellung für unzutreffend, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft keine Wohnbebauung befindet. Die nächstgelegene Wohnbebauung findet sich in weniger als 200 m zu der geplanten Anlage (Gleisberger Straße). Beim Betrieb des geplanten Vorhabens kommt es zur Bildung von Bioaerosol in der Stallluft, welches durch Abluft in die Außenumluft bzw. in die Umwelt gelangt. Bei Bioaerosol handelt es sich vor allem um Keime und Bakterien, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Umwelt haben können. Keime, Pilze und Bakterien in Form von Bioaerosol sind geeignet, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die am geplanten Standort vorhandene Bevölkerung sowie Tiere und Pflanzen herbeizuführen. Da die Ausbreitung von Bioaerosol in der Außenluft bisher wenig erforscht ist, die Schädigungseignung von Bioaerosol für die Schutzgüter Mensch und Tier jedoch bekannt ist, fordern wir die zuständige Genehmigungsbehörde auf, den Vorsorgegrundsatz gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 BImSchG anzuwenden und eventuelle Risiken durch den Erlass von Nebenbestimmungen gem. § 12 BImSchG auszuschließen.

Aus der Beschreibung des Vorhabens kann nicht entnommen werden, ob eine technische Einrichtung zur Abluftreinigung vorgesehen ist. Eine Abluftreinigung entspricht dem Stand der Technik und sollte daher vom Vorhabenträger gefordert werden.

Wir beanstanden die Ausführungen zu den Stickstoff- und Ammoniakdepositionen. In Bezug auf die Bewertung der Umweltauswirkungen von Ammoniakdepositionen wurde die TRGS 900 verwendet, die dazu ungeeignet ist, eine schädliche Umwelteinwirkung auszuschließen. Die Einhaltung der TRGS-Grenzwerte ist durch die Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht hinreichend durch Berechnungen belegt. Eine Beeinträchtigung des Schutzguts Mensch (vor allem der umliegenden Ortschaften) ist aufgrund der unzureichenden Ausführungen nicht auszuschließen. Des Weiteren werden durch die beantragte Anlage die critical loads der Stickstoffeinträge in Bezug auf das naheliegende FFH-Gebiete überschritten. Die Überschreitung der critical loads läuft hier den Erhaltungszielen des FFH-Gebiet entgegen. Hierbei ist anzumerken, dass die critical loads schon durch die Vorbelastung überschritten werden. Schöpft bereits die Vorbelastung die Belastungsgrenze aus oder überschreitet diese sogar, so folgt daraus, dass prinzipiell jede Zusatzbelastung dem Erhaltungsziel zuwiderläuft und deshalb erheblich ist, weil sie die kritische Grenze überschreitet oder schon mit der Vorbelastung verbundene Schadeneffekte verstärkt (BVerwG, Beschluss v. 10.11.2009 – 9 B 28/09). Wir weisen in diesem Zusammenhang daraufhin, dass das Untersuchungsgebiet schon seit Ende der 70er Jahre eine erhebliche Belastung durch Stickstoffeinträge erfährt. Diese Vorbelastung wird durch die beantragte Anlage noch verstärkt, wodurch erhebliche Zweifel an der Verträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes bestehen.

Für die weiteren Untersuchungen der Auswirkungen von Stickstoff- und Ammoniakdepositionen auf das FHH-Gebiet, soll laut Vorhabenträger eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erarbeitet werden. Die erwähnte FFH-Verträglichkeitsprüfung ist nicht in den übermittelten Unterlagen enthalten, so dass wir davon ausgehen müssen, dass keine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde. Das Vorhaben LRT 91 E0 ist vor der Zulassung oder Durchführung auf dessen Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebietes zu überprüfen, § 34 Abs. 1 S. 1 BNatSchG. Der Vorhabenträger hat hier nicht die erforderlichen Unterlagen zur Verträglichkeitsprüfung vorgelegt, insofern ist auch die Gewährleistung der Erhaltungsziele des Schutzgebietes nicht glaubhaft gemacht worden.

Das beantragte Vorhaben hat Auswirkungen auf den ökologischen und chemischen Zustand gem. § 27 WHG von zwei oberirdischen Gewässern („Bachlauf südöstlich Bodenbach“, „Bachlauf Bodenbach“). Eine Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen auf die beiden Bachläufe wurde durch die eingereichte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgenommen. Um eine Untersuchung der negativen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Bachläufe vorzunehmen, müssen vorerst die jeweiligen Gewässerzustände erfasst oder bei der zuständigen Behörde erfragt werden. Alleine daran mangelt es hier schon. Da der Vorhabenträger keine Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen in Bezug auf die beiden Bachläufe hervorgebracht hat, kann ein Zuwiderlaufen gegen die Bewirtschaftungsziele aus § 27 WHG, insbesondere gegen das letztlich aus der WRRL folgende Verschlechterungsverbot, nicht ausgeschlossen werden und steht somit der beantragten Genehmigung entgegen.

Eine Darstellung der Flächen, die für eine Düngung vorgesehen sind, fehlt den zu erbringenden Unterlagen. Dies sollte der Vorhabenträger unverzüglich nachholen. Der einzuhaltende Abstand bei der Düngung (30 Meter) zu einem Gewässer ist durch Nebenbestimmungen rechtlich zu sichern.

Die Angaben zum Flächenbedarf sind unzureichend und ungenau. Es wird behauptet, dass es sich bei den zu bebauenden Flächen um zum Teil bereits versiegelte Flächen durch den landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Es soll insgesamt eine Fläche von ca. 8.210 m² neu überbaut werden. Eine genaue Angabe der neuen Bodenversiegelung durch die Anlagenänderung fehlt den übermittelten Ausführungen. Aufgrund der ungenauen Angaben über die Bodenversiegelung ist auch die Nachvollziehbarkeit der Berechnungen der Ausgleichsmaßnahmen (Kompensation der Bodenversiegelung) nicht gegeben und wird dementsprechend von uns gerügt.

Wir rügen weiterhin, dass die Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung der Umweltauswirkungen teilweise nur Selbstverständlichkeiten beinhalten, die nicht als Maßnahmen nach § 15 BNatSchG angerechnet werden können. So ist es bspw. vorgesehen, die Staubentwicklung und damit indirekt auch die an Staub gebundenen Mirkoorganismen durch die Gewährleistung der größtmöglichen Sauberkeit und Hygiene in den Stallungen zu reduzieren. Die Reduzierung ist begrüßenswert, allerdings ist sie nicht als eine Vermeidungsmaßnahme i. S. v. § 15 BNatSchG geeignet. Das Gleiche gilt für die Maßnahme der ordnungsgemäßen Anlagenbewirtschaftung. Eine ordnungsgemäße Anlagenbewirtschaftung kann nicht als Maßnahme zur Vermeidung und Minderung von Umweltauswirkungen dienen, sondern versteht sich von selbst. Weiterhin sind im diesem Sinne auch die Vermeidungsmaßnahmen „Nutzung eines bereits teilweise erschlossenen Standortes für den Neubau der Tierhaltungsanlage“ (vgl. 5.2.2) als auch die Maßnahme „Funktionale und ästhetische Gestaltung des Anlagengeländes“ (vgl. 5.2.2) sowie die „Einhaltung der guten fachlichen Praxis“ (vgl. 5.2.3) zu sehen. Sie sind völlig ungeeignet, die durch den Eingriff hervorgerufenen Umweltauswirkungen zu vermeiden oder zu mindern. Insofern sind die Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung der Umweltauswirkungen aus unserer Sicht unzureichend und sind zwingend zu überarbeiten. Die Eingriffs-Ausgleichbilanzierung kann den übermittelten Unterlagen nicht entnommen werden. Eine Überprüfung der Kompensationsmaßnahmen ist nicht möglich. Gerügt wird daher das Fehlen von einer detaillierten Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung.

Die Beschränkung der Bauzeit auf die Werktage und auf die Tagschichten von 7:00 bis 18:00 (ohne Ausnahmeregelung) ist aus unserer Sicht zwingend als Nebenbestimmung zu einer möglichen Genehmigung zu erteilen.

In den Unterlagen finden sich keine Angaben dazu, ob der notwendige Brandschutz eingehalten wird. Hier sind entsprechende Nachweise in Form eines umfassenden Brandschutzkonzeptes vorzulegen. Dabei ist dem baurechtlichen Gebot des § 14 SächsBO, bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und in Stand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind, zwingend Rechnung zu tragen. Es ist der Nachweis zu führen, dass eine eigenständige Flucht oder eine Rettung und Evakuierung auch der Tiere im Brandfall innerhalb von 10 Minuten ist.

Bei der Betrachtung von Störfällen sind insbesondere die Auswirkungen auf die Menschen in der Nachbarschaft einzubeziehen, neben Schutzmaßnahmen vor Störfallen sind vorgesehene Maßnahmen im Störfall darzustellen. Gleichzeitig ist in Abstimmung mit den hierfür zuständigen Behörden die Koordinierung einer Evakuierung oder Rettung nachzuweisen.

Zusammenfassend betrachtet sind die vorliegenden Unterlagen unzureichend. Es kann aufgrund der vorliegenden Unterlagen gerade nicht angenommen werden, dass von der geplanten Anlage keine schädlichen Umweltauswirkungen i. S. v. § 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen. Die Anlage ist gem. § 6 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 BImSchG nicht genehmigungsfähig.


Mit freundlichen Grüßen

Petra Weinschenk
i.A. des Landesvorstandes

 

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Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/lv_stellungnahmen/detail/browse/33/artikel/stellungnahme-zum-antrag-nr-2-des-ass-agrarunternehmen-starbach-sachsen-eg-auf-immissionsschutzrech/