BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


14. April 2014

Stellungnahme zum Neubau des Hochwasserrückhaltebeckens Oberbobritzsch an der Bobritzsch

Sehr geehrte Damen und Herren.

Sehr geehrte Frau Glaser,

der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt zu den ausgereichten Unterlagen wie folgt Stellung.

Das Vorhaben wird weiterhin abgelehnt.

Begründung:

Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die in den ausgereichten Unterlagen der 2. Tektur genannt sind, sind nicht geeignet, die Beeinträchtigungen durch das Vorhaben zu kompensieren.

Zu den Änderungen im Einzelnen:

  1. „Empfehlungen zur Bewirtschaftung des zu entwickelnden FFH-Lebensraumtyps 6510 „Magere Flachland-Mähwiese“ auf der Maßnahmenfläche E1a in Niederbobritzsch“

Inhalt der 2. Tektur ist die Präzisierung der Maßnahmeinhalte für das Maßnahmenziel, den LRT 6510 auf dem bestehenden Grünland bzw. Acker in Niederbobritzsch zu etablieren.

Es ist geplant, das z.Z. als Weide genutzte Grünland zu extensivieren. Dazu soll 10-15 Jahre lang eine dreischürige Mahd erfolgen, deren erster Schnitt ab Ende Mai erfolgen soll. Danach soll eine 6-8wöchige Nutzungspause durchgeführt werden (2. Schnitt also Mitte bis Ende Juli). Der dritte Schnitt kann im Spätsommer/Herbst durchgeführt werden (August/September). Der in Grünland umzuwandelnde Acker soll 25 Jahre lang entsprechend bewirtschaftet werden.

Aus fachlicher Sicht erschließt sich die Fixierung der Planung der Komplexmaßnahme E1a (in Größenhinsicht DIE wesentliche Ersatzmaßnahme) auf die Herstellung des LRT 6510 „Magere Flachland-Mähwiese“ nicht. Der LRT ist vom Eingriffsvorhaben gar nicht betroffen. Es stellt sich daher die Frage, warum derart unverhältnismäßige Anstrengungen unternommen werden sollen, diesen LRT herzustellen (ob dies überhaupt am Standort gelingen kann, ist i.Ü. fraglich).

Es ist aus Sicht des Boden- und Grundwasserschutzes nicht notwendig, den LRT 6510 herzustellen. Die aktuelle Nutzung Weide- bzw. Mahdgrünland erbringt die gleichen Abflussbeiwerte wie extensives Grünland. Da bereits eine wenig intensive Nutzung vorliegt, sind Nährstoffauswaschungen zu vernachlässigen. Wenn eine Verbesserung dieser Funktionen des Naturhaushaltes tatsächlich gewünscht würde, wäre dies durch Aufforstungen erreichbar und nicht durch das Festschreiben einer 25 Jahre andauernden Mahdnutzung.

Festzustellen ist jedoch, dass durch diese Maßnahme die tatsächlich durch den Eingriff verursachten Habitatverluste, die unter dem Konflikt K-T1 benannt sind, nicht kompensiert werden, obwohl dies als Maßnahmenziel formuliert ist.

Der Konflikt K-T1 besteht im bau-, anlage- und betriebsbedingten Verlust bzw. der Beeinträchtigung von Revieren von Braunkehlchen, Neuntöter, Goldammer und Wachtel.

Die Revierverteilungen der wertgebenden Vogelarten des Konflikts T1 sind in Karte 11a der UVP ersichtlich. Es ist augenfällig, dass es für die genannten Arten Dichtezentren der Reviere gibt. Diese liegen fast ausschließlich in den Sukzessionsstadien in der Bobritzschaue, welche durch den HRB-Bau bzw. Betrieb betroffenen wäre. Diese befinden sich entweder in Vernässungsbereichen des Grünlandes, in der 20jährigen Stilllegung oder am Rand der Aufforstung (Säume) bzw. in den Brachstadien am Bahndamm. Diese Bereiche werden durch das geplante Vorhaben entweder direkt zerstört (Dammaufstellfläche, Rückbau Bahndamm) oder sie sollen künftig – weil sie im Bereich des häufigen Einstaus liegen - regelmäßig gemäht werden (Maßnahmen im Einstaubereich). Sie entfallen damit komplett.

Weite Teile des sonstigen umgebenden Grünlandes/Ackerlandes weisen im Gegenzug eine augenfällig geringe Brutvogeldichte auf (lediglich die Feldlerche ist dort zu finden, diese ist jedoch nicht als wertgebende Vogelart im Konflikt K-T1 enthalten).

Daraus ist zu schlussfolgern, dass nicht das 2mal und öfter gemähte Grünland Brutgebiet der o.g. Vogelarten ist, sondern nur selten oder gar nicht gemähte Hochstaudenbereiche. Dies begründet sich auf der einen Seite durch die Lebensraumansprüche der Vogelarten (Goldammer, Neuntöter und Braunkehlchen nisten in bzw. zwischen Hochstauden und Gebüschen), auf der anderen Seite durch das Nahrungsangebot (Samen- und Insektenreichtum in den Hochstauden). Die bodenbrütende Wachtel profitiert ebenfalls davon, dass zur Brutzeit keine Mäharbeiten ihr Nest zerstören.

Wenn man also die unter K-T1 aufgeführten Habitatverluste kompensieren will, müssen entsprechende Strukturen (flächige Hochstauden, Gebüsche, Säume, Vernässungsbereiche) wieder geschaffen und vernetzt werden.

Maßnahme E1a enthält davon nichts. Im Gegenteil. Indem die Flächen vollständig (bis auf den kleinen Quellbereich) gemäht werden sollen, ist das Aufkommen von Hochstauden und Gebüschen ausgeschlossen. Damit entfallen wesentliche Habitatvoraussetzungen für eine Brut von Neuntöter, Goldammer und Braunkehlchen.

Die erste Mahd Ende Mai führt dazu, dass blühende Kräuter, welche Nahrungsgrundlage für Insekten sind, beseitigt werden. Die zweite und dritte Mahd führen dazu, dass sich keine Samen bilden können. Damit entfallen wesentliche Nahrungsgrundlagen für die genannten Vogelarten.

Auch mit dem genannten Mahdrhythmus ist es ausgeschlossen, dass die bodenbrütenden Vogelarten Goldammer und Wachtel die Fläche als Brutgebiet nutzen. Die Brutperiode der Goldammer beginnt in Mitteleuropa frühestens ab Mitte April und endet spätestens Anfang August. Die Wachtel brütet i.d.R. einmal im Jahr Mitte/Ende Mai bis Juli. Die geplante erste Mahd Ende Mai würde somit das Gelege der Goldammer, in Verbindung mit der zweiten Mahd auch das der Wachtel zerstören.

Die Maßnahme ist sogar kontraproduktiv für die Lebensraumbedingungen der genannten Arten. Denn sie verschlechtert die aktuell vorhandenen Habitatstrukturen für die wertgebenden Vogelarten Goldammer und Wachtel im Grünland, da dieses bisher nur beweidet wird, Gelegestörungen durch zu frühe und häufige Mahd somit ausgeschlossen waren.

Im Übrigen sind auch ALLE anderen Kompensationsmaßnahmen nicht geeignet, die Habitatbedingungen für die unter K1 summierten Vogelarten wieder herzustellen, da alle Maßnahmen mit mehrmaliger Mahd im Jahr verbunden sind (sogar bei der Maßnahme A2 -Massenentnahme). Es ist offenbar schwer zu verstehen, dass der Vogelreichtum im Einstaubereich des geplanten Beckens im Wesentlichen auf großflächig ungenutzte Bereiche zurückzuführen ist, wobei die Brachestadien der 20jährigen Stilllegung sowie des Bahndamms eine essenzielle Rolle spielen.

  1. Maßnahme E4a-CEF

Die Maßnahme wurde eingebracht, um die beim Abriss einer alten Stallanlage in Weißenborn (Entsiegelungsmaßnahme) entfallenden Nistplätze von Rauchschwalben, Gartenrotschwanz und Bachstelze zu ersetzen. Dazu sollen bei einer ca. 1 km entfernten, in Betrieb befindlichen Stallanlage Nisthilfen angebracht werden. Wir hatten bereits in der Stellungnahme 2013 zur ersten Tektur angemerkt, dass es in den Unterlagen keine Angaben zum aktuellen Status der Besiedlung von Gebäudebrütern bei dieser Stallanlage gibt. Auch in der zweiten Tektur fehlen entsprechende Angaben. Es wird auch nicht erklärt, was „ein suboptimales Habitatpotenzial“ bei dieser Stallanlage bedeutet. Es lässt sich interpretieren, dass offenbar bisher keine Rauchschwalben dort nisten. Das ist bei Stallanlagen befremdlich. Vielleicht liegt dies daran, dass es für die Vögel neben fehlendem Nistmaterial (keine lehmigen Pfützen mehr) auch nicht genug Nahrung (Insekten) gibt. In diesem Fall nützt das Anbringen von Nisthilfen natürlich nichts.

  1. Entwässerung Maßnahme A2

Wenn für eine Renaturierungsmaßnahme ein „Einlaufbauwerk“ benötigt wird, um den Oberflächenabfluss in die Bobritzsch zu regeln, zeigt dies augenscheinlich, dass es sich hierbei um eine „Biotopbastelei“ handelt, die einen ständigen Pflege- und Unterhaltungsbedarf nach sich zieht. So etwas lehnen wir grundsätzlich ab.

Wir bitten um Beteiligung im weiteren Verfahren.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

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Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/lv_stellungnahmen/detail/browse/35/artikel/stellungnahme-zum-neubau-des-hochwasserrueckhaltebeckens-oberbobritzsch-an-der-bobritzsch/