18. Februar 2014

Stellungnahme zu "wesentliche Änderung der Anlage zur Herstellung von Papier am Standort Trebsen, hier: Tischvorlage zum geplanten Vorhaben (Scoping)"

 

Sehr geehrte Damen und Herren,


der BUND Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren.


Zunächst bitten wir höflich um Mitteilung, ob und wenn ja, wann mit einer Beteiligung des BUND Sachsen e.V. im parallel laufenden Verfahren zur Erteilung einer gehobenen Einleiterlaubnis nach § 8 WHG zu rechnen ist, in dem gleichfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist.


Die bisherige Genehmigungssituation des Standortes wirft durchaus Fragen auf. Auffällig ist, dass in kurzen Abständen Genehmigungen für Einzelbestandteile der Anlage erteilt wurden (Genehmigung einer Bruttomaschinenkapazität von 176.000 t mit Bescheid vom 22.03.2011, Umbau der Papiermaschine und Errichtung des neuen Stoffaufbereitungsstranges mit Bescheid vom 13.12.2012 und Errichtung der neuen Energiezentrale mit Bescheid vom 30.4.2013). Zugleich wird in den Unterlagen ausgeführt, dass mit diesen Einzelbescheiden die maschinentechnischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die jetzige Erhöhung der Produktionskapazität geschaffen wurden. Zugleich wird darauf aufmerksam gemacht, dass derzeit eine Anzeige nach Paragraph 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Steigerung der Produktionskapazität auf 202.400 t pro Jahr vorliegt (wobei eine Anwendung des § 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz wegen Nummer 6.2.1 des Anhangs I zum UVPG unzutreffend sein dürfte). Angesichts der weiteren Mitteilung, dass bisher eine UVU für den Standort nicht erstellt wurde, drängt sich die Vermutung auf, dass im Wege der bekannten Salamitaktik schrittweise und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung eine Vorbelastung schaffen wurde, auf die dann im erstmaligen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung rekurriert werden kann. Angesichts des äußerst kurzen Zeitraums zwischen den einzelnen Genehmigungen liegt weiterhin die Vermutung nahe, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit einer Erhöhung der Produktionskapazität auf das jetzige Antragsvolumen geplant wurde.


Diese Vermutungen sollten über eine pessimale und sorgfältige Betrachtung der Umweltauswirkungen im jetzt – endlich - angestrengten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung zerstreut werden.


Verkehr


Da eine Erhöhung der Verkehre um über 50 % erfolgt, scheint fraglich, ob die Errichtung einer neuen Werkseinfahrt die zusätzlichen Verkehrsbelastungen kompensieren kann und die Annahme, das Verkehrsaufkommen auf der Pauschwitzer Straße solle mit dem heutigen vergleichbar bleiben, zutreffend ist. Gleichzeitig ist zu sehen, dass auch die Errichtung einer neuen Werkseinfahrt die Tatsache einer Erhöhung der Verkehre nicht beseitigt, sondern vielmehr gegebenenfalls andere Orte belastet werden, wie beispielsweise die Straße am Schulberg. Genauere Aussagen können hier erst nach Vorliegen eines entsprechenden Fachgutachtens getroffen werden, aus dem sich die bisherigen Verkehrsströme sowie die künftigen Verkehrsströme und Verkehrsbeziehungen ergeben.


Der BUND Sachsen e.V. regt an, hier aktuelle Verkehrszahlen zu Grunde zu legen bzw. Verkehrszählungen durchzuführen, um den Ausgangszustand möglichst genau zu erfassen.


Die Angabe, wonach sich beim Pkw-Verkehr keine Änderungen ergeben werden, ist ohne Erläuterung nicht plausibel.


Luftemissionen


Die Angabe, wonach im Genehmigungsverfahren 2012 bereits die maximal möglichen Emissionen angesetzt wurden, ist ohne entsprechenden Beleg durch Darstellung in der Luftschadstoffprognose nicht nachvollziehbar. Die für die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage zu Grunde gelegten Schadstofffrachten werden üblicherweise anhand der geplanten Anlagenkapazität ermittelt, ein Zugrundelegen der Herstellerangaben zur Abluft- und Abgasdaten ist zumindest ungewöhnlich.


Der BUND LV Sachsen e.V. geht davon aus, dass die Luftschadstoffprognose hier einen Vergleich zu den Annahmen im Genehmigungsverfahren 2012 ermöglichen wird.


Die Aussage, dass die infolge der Kapazitätserhöhung hervorgerufenen Umwelteinwirkungen nicht scharf getrennt ausgewiesen werden können, ist nicht nachvollziehbar, weil eine getrennte Berechnung und Darstellung in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren üblich ist.


Der BUND LV Sachsen e.V. geht deshalb davon aus, dass die zu erwartende Luftschadstoffprognose nach den Vorgaben der TA Luft erstellt wird und folglich sowohl Angaben zu Vorbelastung, Zusatzbelastung als auch Gesamtbelastung enthalten wird. Eine bloße Darstellung der Gesamtbelastung ist rechtlich und fachlich nicht zulässig.


Der Hinweis auf einen möglichen Entfall zusätzlicher Emissionen durch das höhere Verkehrsaufkommen wegen höherer Anforderungen an das Emissionsverhalten der Fahrzeuge ist nicht nachvollziehbar. Der tatsächliche Anteil an Fahrzeugen, die bereits die Euro-5-Norm erfüllen, dürfte gerade beim LKW-Verkehr keine Rolle spielen; der PKW-Verkehr soll ja nach den Antragsunterlagen ohne Änderung verbleiben.

 

Geräuschemissionen


Hier wären Angaben zur bestehenden Lärmsituation hilfreich gewesen. Auch ist nicht erkennbar, wie viele Immissionsorte bisher festgelegt wurden und wie viele im Verfahren untersucht werden sollen. Weiterhin fehlen Angaben zu den weiteren, zu untersuchenden Geräuschquellen.


Methoden und vorläufige Gliederung der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU)


Ausdrücklich begrüßt wird, dass für die Zwecke der Umweltverträglichkeitsprüfung eine änderungsunabhängige Betrachtung des Gesamtstandortes hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen erfolgen soll und auch bestehende, unveränderte Anlagenteile betrachtet werden sollen. Dass bisher noch keine Umweltverträglichkeitsuntersuchung für den Standort erstellt wurde, muss allerdings stark verwundern.


Der BUND LV Sachsen e.V. versteht die Unterlagen so, dass eine einheitliche UVU für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren und das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren erstellt wird. Dies wird zur Vereinfachung für sinnvoll erachtet und bietet zugleich die Chance, isolierte Betrachtungen in den einzelnen Verfahren zu vermeiden und einen gesamtheitlichen Blick auf die Umweltauswirkungen zu werfen.


In Bezug auf die BHKW ist zu bemerken, dass die Aufsicht eines externen Betreibers die Einordnung als Nebenanlage nach § 1 Abs. 2 Nummer 2 der 4. BImSchV nicht zwangsläufig ausschließt. Es ist zu prüfen, ob diese im Rahmen der UVU als kumulierende Vorhaben zu berücksichtigen sind.


Im Übrigen bestehen gegen die Methodik der UVU abgesehen von den folgenden Ausführungen keine grundlegenden Einwände.


Wirkfaktoren


Allerdings ist zu den Wirkfaktoren (S. 15) zu ergänzen, dass das gewässerökologische Gutachten auch den chemischen Zustand des Gewässers erfassen muss, bei den Wirkpfaden ist der Eintragsweg Luft – Gewässer zwingend einzubeziehen; die Unterlagen erwecken teilweise den Eindruck, dass diese Untersuchung nicht sicher geplant ist.


Die Zugrundelegung der bestehenden schalltechnischen Werksanalyse ist unzureichend, hier sind Messungen der Vorbelastung vorzunehmen.


Untersuchungsumgriff


Dem Ansinnen, dass als Grundlage für die Festlegung des Untersuchungsgebietes die Bestimmungen der TA Luft zur Festlegung des Beurteilungsgebietes herangezogen werden, ist zu widersprechen.


Gemäß Abschnitt 4.6.2.5 TA Luft umfasst das Beurteilungsgebiet die Fläche, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befindet, die dem 5O-fachen der tatsächlichen Schornsteinhöhe entspricht und in der die Zusatzbelastung im Aufpunkt mehr als 3 % des Langzeitkonzentrationswertes beträgt. Auf dieser Grundlage wird ein Radius von 2,55 km zugrunde gelegt.


Die Beschränkung auf das Untersuchungsgebiet der TA Luft widerspricht u.a. den Vorgaben des UVPG und der Richtlinie 2011/92/EU, da der Untersuchungsansatz des UVP weitergehend ist und andere Zwecke verfolgt als die TA Luft. Fehler bei der Festlegung der Untersuchungsraumes sind schwerwiegende Fehler i.S.d Art. 3 Abs. 1 der RL 2011/92/EU, da sie regelmäßig mit Fehlern im Beteiligungsumgriff verbunden sind und zugleich zwingend zu einer räumlich fehlerhaften Identifizierung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen führen. Auf die Entscheidung des EuGH vom 7.11.2013 (Rs- C-72/12 – Altrip, Antwort auf 3. Vorlagefrage) zur Anwendung der Kausalitätsrechtsprechung und damit zu § 46 VwVfG im Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/92/EU darf insoweit verwiesen werden. Gerade im Interesse der Antragstellerin nach rechtlicher Beständigkeit einer Genehmigung sollte eine räumlich umfassende Identifizierung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen durch Ausdehnung des Untersuchungsradius auf 4 km erfolgen. Die bisher knapp außerhalb des Untersuchungsraums gelegenen Teile des FFH-Gebietes „Vereinigte Mulde und Muldenaue“, das gesamte gleichnamige SPA-Gebiet, das Naturschutzgebiet „Döbener Wald“ und das Landschaftsschutzgebiet „Thümlitzwald-Muldetal“ sind deshalb in die Untersuchungen einzubeziehen.


Einzelne Schutzgüter


Beim Schutzgut Luft (S. 21) ist mangels Vorliegen von Messdaten zur Beurteilung der Luftvorbelastungssituation die Aussagekraft der herangezogenen Messergebnisse des Luftqualitäts-Überwachungssystems konkret darzustellen.


Zum Schutzgut Wasser (S. 23) ist zu bemerken, dass die Untersuchungen am Verschlechterungsverbot der WRRL zu orientieren sind. Durch die Vorgaben der RL 2000/60/EG (WRRL) werden verschärfte Anforderungen an die organische und chemische Güte von Gewässern und Grundwasser gestellt. Mit der Frage, ob aus Art. 6 der WRRL ein absolutes Verschlechterungsverbot auch im Rahmen konkreter Projekte folgt, wird sich der EuGH in den kommenden Monaten aufgrund eines Vorlagebeschlusses des BVerwG vom 11.07.2013 (7 A 20/11) befassen. Das BVerwG bejaht diese Frage in dem genannten Beschluss sehr deutlich.


Deshalb sind genaue Angaben über den ökologischen und chemischen Zustand von Oberflächengewässern und Grundwasser im Rahmen der UVU unerlässlich, um die Auswirkungen auf Gewässer und Grundwasser abschätzen zu können.


Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass eine Beurteilung der im Textteil ausgewiesenen Abwassereinleitstellen (E 1 – 7) hinsichtlich ihrer tatsächlichen Lage zur Mulde und zum Triebgraben bisher nicht möglich ist, weil die entsprechende Darstellung in der Übersichtskarte nicht erkennbar ist.


Des Weiteren regen wir an, im Zusammenhang mit der beabsichtigten Untersuchung auch die Kohärenz der Mulde in Bezug auf das Wehr am Standort mit zu prüfen, da es anscheinend nicht mehr für eine Energiegewinnung benötigt wird und in den Erläuterungen zu den Erlaubnisbegehren nicht gegenständlich ist.


Entgegen der Annahmen auf S. 31 ist von einer Anwendbarkeit der Industrieemissions-Richtlinie auszugehen, deren Vorgaben sind zu beachten.


Die Betrachtung der Luftschadstoffe ist auf PM2,5 auszudehnen.


Beim Lärm wäre eine Angabe zu den Betriebszeiten hilfreich, bei der Beurteilung einer nächtlichen Lärmbelastung – sofern diese auftritt - ist die lauteste Nachtstunde zugrunde zu legen.


Wir bitten höflich um Beteiligung am weiteren Verfahren.


Mit freundlichen Grüßen



Franziska Heß

Stv. Vorsitzende

 

 




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