15. November 2013
Stellungnahme zum Bebauungsplan „Gewerbe- und Industriegebiet Golfplatz“ in Flöha
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt nachfolgend Stellung.
Das Vorhaben wird abgelehnt.
Begründung:
Die Stadt Flöha plant im Außenbereich auf landwirtschaftlichen Flächen ein ca. 11,6 ha großes Industrie- und Gewerbegebiet.
Bedarf
Auf Seite 5 der Begründung zum Vorentwurf wird ausgeführt, dass die Ansiedlung von großflächigem Gewerbe derzeit im Stadtgebiet aus räumlichen und baurechtlichen Gründen heraus nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich wäre. So wären im „Gewerbepark Flöha/Falkenau“ derzeit nur noch ca. 7000 m² frei. Diese Feststellung widerspricht den Angaben der Internetseite Flöha (abgerufen am 14.11.13), wo 45.000 m² freie Gewerbe- und Industrieflächen im hochwassersicheren Gewerbepark Flöha/Falkenau angegeben werden. Im Recherchetool für Gewerbeflächen in Sachsen (http://www.firmen.saxony.de) werden mit Abruf 14.11.2013 für das Gewerbegebiet „Turnerstraße“ (ebenfalls hochwassersicher nach Realisierung der HWS-Maßnahmen) 18.740 m² verfügbare Nettobaufläche für Gewerbe angegeben, die größte Parzelle beträgt 7.950 m². Als Ansiedlungswunsch für das Gebiet steht „produzierendes Gewerbe“. Wir wissen nicht, ob die in der Begründung zum Vorentwurf auf Seite 5 beschriebene Mischgebietsfläche von ca. 9.000 m² im GG „Turnerstraße“ darin enthalten ist oder nicht. Fakt ist jedoch, dass es mehr freie und hochwassersichere Gewerbe- und Industrieflächen im Stadtgebiet Flöha gibt, als in der Begründung angeführt. Der aktuell angemeldete Bedarf von 18.000 m² Gewerbefläche (siehe S. 6 Begründung) lässt sich jedenfalls mit den vorhandenen Möglichkeiten decken, ebenso wie ein möglicherweise entstehender künftiger Bedarf ortsansässiger Gewerbebetriebe.
Insofern kann die beschriebene Notwendigkeit nach neuem Bauland weder widerspruchsfrei erklärt werden, noch ergibt er sich aus anderen Gründen wie z.B. aus regionalplanerischen Erwägungen und der Demografie. Wie bereits in unserer Stellungnahme vom 31.07.2009 ausgeführt, ist von 2001 bis 2008 die Bevölkerung von Flöha um 13 % zurückgegangen. Seitdem hat sich der Prozess nicht verlangsamt. In der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose Sachsen wird für die Stadt Flöha (incl. Falkenau) ein weiterer Bevölkerungsrückgang von 11.500 Einwohnern (2011) auf 9.800 bis 9.600 Einwohner im Jahr 2025 prognostiziert. Damit verringert sich die Bevölkerung um weitere 16 %. Dies gilt es bei der weiteren Flächenplanung zu berücksichtigen. Flöha weist auch keinen regionalplanerischen Schwerpunkt „Gewerbe“ auf. Es erklärt sich aus den o.g. Gründen nicht, wieso das Grundzentrum Flöha einen derart großen „Eigenbedarf“ an neuen Gewerbe- und Industrieflächen ausweisen sollte.
Bodenschutz
Mit der Ausweisung eines derart großen Gewerbe- und Industriegebietes auf „grüner Wiese“ werden auf unverantwortliche Weise die weitere Versiegelung und der weitere Landschaftsverbrauch vorangetrieben. Täglich werden in Sachsen ca. 5,7 ha Landschaft für Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht (Stand 2012). Die Bundesregierung beabsichtigt, bis zum Jahr 2020 die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungen und Verkehr auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Dabei ist das am 25. April 2013 vom Deutschen Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Stärkung der Innentwicklung in Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ ein wichtiger Baustein. In dem Gesetz ist ausdrücklich vorgesehen, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig als Innenentwicklung erfolgen soll. Zudem soll die Umnutzung von Wald und landwirtschaftlichen Flächen künftig besonders begründet werden. In Sachsen existiert ein eigenes, mit dem Ziel des Bundes korrespondierendes „Flächensparziel“. Die Landesregierung hat bereits im Jahr 2009 beschlossen, die Flächenneuinanspruchnahme im Freistaat Sachsen auf <2,0 ha/Tag bis zum Jahr 2020 zu reduzieren . Das Flächensparziel soll mit gemeinsamer Anstrengung von Staat und Kommunen unter Respektierung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts angestrebt werden.
Die vorliegende Planung widerspiegelt daher eine völlig überholte Einstellung zum Bodenschutz und ist auch aus diesem Grund abzulehnen.
Auswirkungen auf die Umwelt
Aktuell liegen keine Unterlagen, welche die Auswirkungen auf die Umwelt beschreiben könnten, vor. Angekündigt ist eine Umweltprüfung mit Umweltbericht. Aus den Angaben in Punkt 3.1 der Begründung ist jedoch bereits ableitbar, dass offenbar weder eine Artenschutzprüfung (es sollen nur Zufallsfunde von Tieren und Pflanzen aufgenommen werden) noch eine FFH-Vorprüfung/Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Gebiet „Flöhatal“ beabsichtigt sind. Dem muss widersprochen werden.
UVPG
Auf Seite 13 der Begründung wird ausgeführt: „Aufgrund der Art und Größe gehört das vorliegende Vorhaben zu den in der Anlage 1 des UVPG (Nr. 18.7.2 - Städtebauprojekte im Außenbereich mit einer Grundfläche von insgesamt 20.000 m² bis weniger 100.000 m²) in Verbindung mit dem SächsUVPG genannten Vorhaben, für die anhand einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflicht zu entscheiden ist.“ Der Flächenbilanz ist zu entnehmen, dass das Planungsgebiet 11,679 ha groß ist, mithin 116.790 m². Damit übersteigt die Fläche 100.000 m². Das Vorhaben ist deshalb dem Punkt 18.7.1 der Anlage zum UVPG zuzuordnen, insofern besteht UVP-Pflicht bereits aus Gründen der Größe des Vorhabens.
Artenschutz
Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (2007) wurde mit den §§ 42 und 43 BNatSchG a. F. das Artenschutzrecht an die europarechtlichen Vorgaben angepasst. Mit der Neufassung des BNatSchG 2009 wurde dieses im Wesentlichen in die §§ 44 und 45 übernommen. Ziel ist, die ökologische Funktion der vom Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten bestimmter Arten, sofern deren Beseitigung unvermeidbar ist, mindestens im räumlichen Zusammenhang zu erhalten; dies kann auch durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen sichergestellt werden (§ 44 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BNatSchG).
Zum Umfang der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung gehören alle europäisch geschützten Arten (Anhang IV FFH-RL, Vogelschutz-RL) sowie Arten einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2 BNatSchG (sog. ‚Verantwortungs‘-Arten). In letztgenannter Bestimmung können Arten unter besonderen Schutz gestellt werden, soweit es sich um natürlich vorkommende Arten handelt, die in ihrem Bestand gefährdet sind und für welche die Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße verantwortlich ist. Die Vorschrift des § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erfasst derzeit nur die europarechtlich geschützten Arten, da eine Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG noch nicht existiert.
Bei den artenschutzrechtlichen Verboten handelt es sich um zwingendes Recht, welches der planerischen Abwägung nicht zugänglich ist.
Für die planerische Bewältigung bedeutet das, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der Bauleitplanung gemäß § 4 Abs. 1 BauGB) in Form einer Artenschutzprüfung Hinweise zum Vorkommen solcher Arten nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG insbesondere von den Naturschutzbehörden eingeholt und bewertet werden müssen.
Droht bei Vollzug eines Planes ein Verstoß gegen ein Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 BNatSchG und gelingt keine Freistellung von der Verbotswirkung nach § 44 Abs. 5 BNatSchG ist im Weiteren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen und durch geeignete Maßnahmen in eine ‚Ausnahmelage’ hinein geplant werden kann.
Die bisherige Nichtbeachtung bzw. das Kleinreden des Artenschutz beim Planungsträger lässt sich nicht nachvollziehen. Zwar soll das Vorhaben auf landwirtschaftlichen Flächen stattfinden, im unmittelbaren Umfeld des Vorhabens gibt es jedoch neben dem Waldgebiet der Schweddey auch weitere ökologisch äußerst wertvolle Strukturen wie das Flöhatal, für die der Hang mindestens als lokal und regionale Biotopverbindungslinie sowie als Nahrungs- und Ruheraum fungiert.
Auswirkungen auf FFH-Gebiete
FFH-Gebiet „Separate Fledermausquartiere“
Das FFH-Gebiet „Separate Fledermausquartiere“ ist im Gegensatz zur Begründung auf S. 14 nicht isoliert zu betrachten und wegen seiner Entfernung von 550 m auszuschließen. Das gesamte umgebende Waldgebiet der Schweddey einschließlich der Waldränder ist als essenzielles Fledermaushabitat zu betrachten. Das Vorhaben liegt damit ca. 100 m entfernt von wichtigen Fledermaus-Habitatstrukturen und ist als Projekt aufzufassen, welches in das FFH-Gebiet hineinwirkt. Damit ist eine FFH-Vorprüfung/Verträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich.
FFH-Gebiet „Flöhatal“
In der Begründung zum Vorentwurf wird auf Seite 11 ausgeführt, dass der geplante Umweltbericht nur Flächen bis zum Flöha-Hauptbett in seine Betrachtung einbeziehen soll. Auf eine FFH-Verträglichkeitsprüfung soll verzichtet werden, da es nach einer „ersten überschlägiger Prüfung“ keine Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltungsziele von FFH-Gebieten geben würde. Das verwundert. Immerhin liegt den Planungsunterlagen ein Schallschutzgutachten vor, in welchem die zu erwartenden Emissionskontingente des Industrie- und Gewerbegebietes dargestellt werden. Es ist deutlich erkennbar, dass große Teile des FFH-Gebietes „Flöhatal“ (auch nördlich des Hauptbettes der Flöha) von einem Schallpegel zwischen 50 und 55 dB(A) betroffen sein werden. Damit besteht die konkrete Möglichkeit der Beeinträchtigung der Lebensraumeignung charakteristischer Arten der dort vorkommenden Lebensraumtypen sowie geschützter Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie. Hinzu kommen zu betrachtende kumulative Wirkungen, die durch den Neubau der Ortsumgehung Flöha über die Flöhaaue ausgelöst werden könnten, sollte diese jemals gebaut werden. Aufgrund der exponierten Lage des Industrie- und Gewerbegebietes sind Verminderungsmaßnahmen (Schallschutz) zudem nicht zielführend für die Aue. Insofern hat sich der Planungsträger damit fachlich auseinander zu setzen, dass ein Projekt in das FFH-Gebiet in erheblicher Weise hineinwirkt. Damit ist eine FFH-Vorprüfung/Verträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich.
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Aus der Flächenbilanz wird ein Kompensationsbedarf von ca. 13 ha geschlussfolgert. Aus den Erfahrungen bei den bisherigen Planungen der Stadt Flöha, insbesondere den schleppenden bzw. gar nicht umgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen diverser Bebauungspläne heraus wird gefordert, dass grundsätzlich für Kompensationsflächen die Flächenverfügbarkeit nachgewiesen wird, bevor Planungen darauf gelegt werden.
Insgesamt schätzt der BUND Landesverband Sachsen e.V. das Bauvorhaben als grundsätzlich nicht genehmigungsfähig ein.
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Heß
BUND Landesvorstand
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