29. Oktober 2013
Stellungnahme zum wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren für den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Terpitz
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt nachfolgend Stellung.
Der Vorhabensträger plant ein Hochwasserrückhaltebecken in den Gemeinden Kohren-Sahlis und Narsdorf am Obergräfenhainer-Rathenauer Bach. Das Becken Terpitz II soll einen Erddamm von ca. 9 m Höhe und 150 m Länge erhalten und den Obergräfenhainer-Rathenauer Bach im Direktschluss ab einem HQ 5 einstauen.
Auch wenn das Vorhaben den berechtigten Hochwasserschutzinteressen der Unterlieger entgegenkommt, sieht der BUND Landesverband e.V. bei der Ermittlung der Auswirkungen des Vorhabens auf Natur und Landschaft sowie bei Möglichkeiten der Eingriffsminimierung (siehe Alternativenprüfung) Nachbesserungsbedarf.
Das Vorhaben ist als Umsetzung technischen Hochwasserschutzes zu betrachten. Dieser ist jedoch erst NACH Umsetzung ALLER Möglichkeiten des vorbeugenden Hochwasserschutzes, insbesondere des Wasserrückhalts in der Fläche, das Mittel der Wahl. Das Vorhabensgebiet stellt sich in den Einzugsgebieten der Bäche als weitgehend „ausgeräumte“ Landschaft dar, welche sehr große Potenziale für natürlichen Wasserrückhalt bietet. Diese werden jedoch weder in der Alternativenprüfung noch in der Eingriffskompensation auch nur ansatzweise ausgeschöpft.
Alternativenprüfung
Bei der sogenannten Alternativenprüfung wurde von den Planern herausgearbeitet, dass weder kleine ungesteuerte Becken, Waldmehrungen, Entsiegelungen und Nutzungsartenumwandlungen eine Alternative zum Beckenbau erbringen würden. Dazu wurden jedoch nur sehr geringe Flächenanteile des Einzugsgebietes näher untersucht (10 %), die sich zudem ausschließlich im Nahbereich des Baches befinden. Dies genügt jedoch nicht. Hochwasser entsteht weniger unmittelbar am Vorfluter, sondern vielmehr in den ausgeräumten und drainierten Feldfluren in den Quell- und Einzugsgebieten der einmündenden Bäche. Wie ausgeräumt die Gebiete sind, zeigen die folgenden Zahlen: der Waldanteil des Kohrener Landes beträgt lediglich 10 %, der Grünlandanteil 8 %. Im Vergleich mit den sonstigen Lößgebieten mögen die Zahlen hoch sein, für einen effektiven Wasserrückhalt in der Fläche sind sie jedoch deutlich zu niedrig. Hinzu kommen erhebliche Flächenanteile, welche versiegelt wurden – nicht nur innerhalb der Ortschaften, sondern vor allem im Bereich von agrar-industriellen Komplexen (z.B. Milchviehanlage Oberpickenhain und Dachziegelwerk Obergräfenhain). Die Oberflächenabflüsse dieser Flächen fließen punktförmig in den Obergräfenhainer-Rathenauer Bach und verstärken das Hochwasser bei Starkniederschlägen erheblich.
Die sogenannte Alternativenprüfung lässt daher folgende Fragen offen:
Welche Möglichkeiten der Renaturierung der Quellbereiche (Obergräfenhainer- Rathenauer Bach, Mausbach, Ossabach) wurden geprüft (z.B. Herausnahme von Drainagen, Entwicklung von Feuchtgrünland und Wald) und mit welchem Ergebnis ?
Welche Möglichkeiten zur Renaturierung von verrohrten Nebenbächen wurden im Einzugsgebiet der genannten Bäche geprüft und mit welchem Ergebnis ?
Welche Möglichkeiten der Regenwasserversickerung wurden in den Bereichen mit hoher Versiegelung geprüft und mit welchem Ergebnis ?
Welche Möglichkeiten des Rückbaus von Bausubstanz unmittelbar am Vorfluter wurden geprüft und mit welchem Ergebnis ?
Hintergrund der Fragen ist, ob die Dimensionierung des Beckens (insbesondere die Höhe des Staubauwerkes und damit der Eingriff in Natur und Landschaft) unter Einbeziehung aller Möglichkeiten des Wasserrückhalts in der Fläche geringer ausfallen kann. Die vorliegende Alternativenprüfung kann dies nicht belastbar beantworten.
Auswirkungen auf LRT
Die Erheblichkeitsabschätzung kann nicht plausibel darlegen, dass die Herausnahme der Fließgewässerdynamik durch das Herausregeln von Hochwässern > HQ5 sowie das Zurückhalten von Sedimenten im Becken keine Beeinträchtigungen der LRT 91E0*, 6430 hervorrufen. Insbesondere die Formulierung, dass die genannten LRT zwar größere Hochwasser tolerieren, es aber keine Abhängigkeit davon gäbe und deswegen Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können, wird bezweifelt. Es ist hierfür die fachliche Quelle anzugeben und – wenn nicht vorhanden – der Beweis anzutreten.
Der LRT 91E0* wird stark vom Grundwasserstand beeinflusst. Dieser wiederum hängt vom Wasserstand des Vorfluters ab. Das Eintiefen des Vorfluters bewirkt eine Grundwasserabsenkung. Dies erfolgte bereits mit der großflächigen Drainierung des Einzugsgebietes, der Verrohrung der Nebenbäche und der Begradigung der Bäche, da in diesem Fall Sediment zurückgehalten und die Fließgeschwindigkeit erhöht wurde. So wird für den Obergräfenhainer-Rathenauer Bach bereits jetzt angegeben, dass er sich 2 – 3 m in die Aue eingeschnitten hat, die relevanten Bereiche des LRTs 91E0* 1 – 1,5 m oberhalb des Mittelwassers befinden. Durch den Bau eines Rückhaltebeckens werden diese Effekte verstärkt. Jedes Becken ist eine Sedimentfalle, die umso stärker wirkt, umso höher der Abfluss ist. Die bei einem HQ > 5 mitgeführten Sedimente (in diesem Fall auch mittlere und größere Steine) werden künftig im Becken aufgehalten und fehlen entsprechend im Unterlauf. Das Bachbett vertieft sich weiter. Großflächige Überflutungen, welche den Grundwasserstand zusätzlich auffüllen, bleiben aus. In der Folge geht der Grundwasserstand weiter zurück, Grundwasserschwankungen werden geringer. Mit der Einschränkung der Gewässerdynamik fällt zudem ein wichtiger Substratlieferant weitgehend aus – Uferabbrüche, die erst bei größeren Hochwasserereignissen (> HQ 10) entstehen. Die vorliegenden Unterlagen beinhalten keine belastbaren Aussagen zu den genannten Beeinträchtigungen, da weder Sedimenttransportvorgänge noch Grundwasserstände untersucht wurden.
Aufgrund des Erscheinungsbildes besteht die Möglichkeit, dass die Fließgewässer im FFH-Gebiet „Stöckigt und Streitwald“, insbesondere der Obergräfenhainer-Rathenauer Bach, Ossabach und Wyhra in Teilstrecken dem LRT 3260 bzw. einer Entwicklungsfläche zuzuordnen sind. Es ist nicht erkennbar, ob dies im vorliegenden Vorhaben überprüft wurde. Mindestgrößen, welche für die LRT-Kartierung bei der Managementplanung in Sachsen gelten, sind bei der Eingriffsermittlung nicht anzuwenden.
Kumulative Effekte
Es werden die kumulativen Effekte des Vorhabens insbesondere für die LRT an der Wyhra nicht ausreichend betrachtet. Die Wyhra, in welche der Obergräfenhainer- Rathenauer Bach mündet, wird bereits durch die Talsperre Schömbach in ihrer Fließgewässerdynamik (Wasserführung, Sedimenttransport, Ufer- und Flussbettveränderungen) erheblich beeinträchtigt. Mit dem Bau eines weiteren talsperrenähnlichen Bauwerkes an einem ihrer wichtigsten Zuflüsse wird dieser Effekt verstärkt. Hinzu kommen mögliche Beeinträchtigung der Wasserentstehung durch den Autobahnneubau A 72 im Einzugsgebiet des Obergräfenhainer- Rathenauer Baches sowie des Ossabaches, welche auch quantitativ die Wasserführung des Gewässersystems beeinträchtigen können. Vor allem im FFH-Gebiet „Stöckigt und Streitwald“ sind mehrere LRT von der Wasserführung der Wyhra abhängig. Diesbezüglich vertiefende Untersuchungen fehlen in den vorliegenden Unterlagen, so dass die Behauptung, es gäbe keine kumulativen Beeinträchtigungen, nicht belastbar überprüft werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Heß
Notvorstand
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