17. Mai 2017
Stellungnahme zum Bebauungsplanentwurf „Neukircher Straße“ Stadt Wilthen
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Landesverband Sachsen e. V. nimmt zum Verfahren wie folgt Stellung:
Der Entwurf des Bebauungsplans wird in seiner derzeitigen Fassung abgelehnt. Zugleich weisen wir daraufhin, dass wir die Änderung des FNP sowie die Ausgliederung der betreffenden Flurstücke aus dem Landschaftsschutzgebiet „Oberlausitzer Bergland“ ablehnen.
Begründung:
Es wird beabsichtigt, einen Bebauungsplan „Neukircher Straße“ in der Stadt Wilthen aufzustellen. Die betreffenden Flächen sind größtenteils in dem Landschaftsschutzgebiet „Oberlausitzer Bergland“ gelegen. Ziel ist die Schaffung von Baurecht für mehrere Wohnhäuser.
Zunächst weisen wir darauf hin, dass der BUND Landesverband Sachsen e. V. als anerkannte Naturschutzvereinigung nicht vergleichbar den Trägern öffentlicher Belange am Verfahren beteiligt wurde, was vor allem vor dem Hintergrund der Lage im Landschaftsschutzgebiet unverständlich ist. In nahezu jeder sächsischen Gemeinde werden die anerkannten Naturschutzvereinigungen neben den Trägern öffentlicher Belange aufgrund ihrer völkerrechtlich verbürgten Stellung als „Anwälte der Natur“ im Rahmen der Bauleitplanung beteiligt und werden gesondert zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Zudem sind wir bei dem Verfahren zur Ausgliederung von Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet zu beteiligen, was nach gegenwärtigem Stand nicht der Fall ist. Ein entsprechender Antrag liegt uns nicht zur Beteiligung vor. Da wir davon ausgehen, dass auch die übrigen sächsischen anerkannten Naturschutzvereinigungen nicht gesondert zum Vorhaben beteiligt worden sind, machen wir geltend, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft durchgeführt worden ist und zu wiederholen ist.
Bei den betreffenden Flächen handelt es sich größtenteils um Außenbereichsflächen nach § 35 BauGB, die gegenwärtig als Gartenflächen genutzt werden. Zudem ist ein Gewerbebetrieb vorhanden. Zunächst machen wir geltend, dass die Aufstellung des B-Plan-Entwurfs den raumordnerischen Festsetzungen widerspricht. Nach dem für das Gebiet geltenden Regionalplan ist das Vorhabengebiet als Vorbehaltsgebiet Landschaf und Landschaftserleben sowie als Kaltluftentstehungsgebiet ausgewiesen, so dass die beabsichtigte Versiegelung durch Bebauung diesen Festsetzungen widerspricht. Darüber hinaus sind wesentliche Ziele des Bebauungsplanentwurfs bereits durch die gegenwärtige Situation gegeben. Dies betrifft insbesondere die angestrebte Abrundung/Abgrenzung der Bebauung durch Grünflächen, die bereits in ihrem Bestand gegeben sind.
Der Bebauungsplanentwurf und Umweltbericht leiden weiterhin an erheblichen Mängeln. Zunächst sind die Belange des Artenschutzes unzureichend ermittelt worden. Es bleibt unklar, welche Tier- und Pflanzenarten von dem Vorhaben betroffen sind, eine Kartierung wurde nicht vorgenommen. Hierbei sind jedoch die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 BNatSchG zu berücksichtigen. Um eine Vereinbarkeit des Vorhabens mit den artenschutzrechtlichen Verboten zu ermitteln, bedarf es der Kenntnis der vorkommenden Arten. Aussagen im Umweltbericht wie bspw. „Die Bebauung und die Inanspruchnahme der Fläche führen zur Verminderung von potentiellen Lebensbereichen für Flora und Fauna bzw. zum Verlust von Lebensraum.“ oder „Im B- Plangebiet und dessen Umfeld kommen Tierarten als „Kulturfolger“ vor, die ihre Lebensweise an menschliche Siedlungsstrukturen (z.B. Gebäude und Grünflächen) angepasst haben. Diese Arten sind zumeist ungefährdet.“ sind zu unbestimmt und werden nicht hinreichend begründet, um die Vereinbarkeit mit den artenschutzrechtlichen Verboten zu belegen. Es bedarf somit der Ermittlung der zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorkommenden Arten, anderweitig kann ein Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 BNatSchG nicht ausgeschlossen werden. Zudem sind die Fortpflanzungsstätten (Höhlenbäume etc.) zu ermitteln. Die im Umweltbericht enthaltenen Passagen sind nicht aussagekräftig. Es ist fraglich, wie die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote erfolgen soll, wenn nicht eine vorkommende Art beim Namen genannt wird und nur von „Kulturfolgern“ die Rede ist, die zumeist ungefährdet sein sollen. Hierzu sei noch angemerkt, dass das BNatSchG nicht nach Kulturfolgern und Ähnlichem unterscheidet und derartige Unterscheidungen nicht kennt. Bezugspunkt der artenschutzrechtlichen Untersuchung (bspw. für das Tötungsverbot) ist zudem ein Individuum einer Art, so dass es fehlerhaft wäre, Annahme über die Populationsdichte einer Art hier mit einzubeziehen.
Daneben ist die Aussage im Umweltbericht zweifelhaft, dass keine gesetzlich geschützten Biotope im Vorhabensgebiet vorkommen. Die vorhandenen Obstbäume können in ihrer Gesamtheit als Streuobstwiese gewertet werden, so dass hier von einem gesetzlich geschützten Biotop im Sinne von § 30 Abs. 2 S. 2 BNatSchG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 SächsNatSchG auszugehen ist. Einer ausdrücklichen Erklärung zum gesetzlich geschützten Biotop bedarf es hierbei nicht. Die Beseitigung des gesetzlich geschützten Biotops ist gem. § 30 Abs. 2 BNatSchG verboten.
Neben den entgegenstehenden Bestimmungen des Naturschutzrechts bestehen weiterhin Bedenken bezüglich der Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgut Wasser. Im Vorhabensgebiet sind feuchte und vernässte Böden anzutreffen. Aufgrund des an das Vorhabensgebiet angrenzenden Hangs, ist mit einer erhöhten Menge an zufließendem Niederschlagswasser aus der Umgebung zu rechnen. Die Böden im Norden des Plangebiets weisen eine hohe Erodierbarkeit auf (Umweltbericht S. 9). Hinzu kommt eine erhöhte Versiegelung auf bisher unversiegelten Flächen, die das Problem weiter verstärken. Ausweislich des Umweltberichts handelt es sich bei den Böden um wenig wasserdurchlässige Bodenarten. Dementsprechend bestehen Bedenken dagegen, dass eine schadlose Versickerung des Niederschlagswassers (dessen Menge durch die Versieglung erhöht wird) möglich ist. Wie eine schadlose Versickerung des anfallenden Niederschlagswasser auf den betreffenden Flächen möglich sein soll, bliebt offen. Hinzukommt, dass der vorhandene Regenkanal bereits jetzt seine Kapazitätsgrenze erreicht hat, so dass im Umweltbericht selbst festgestellt wird, dass die Sammlung des von den Feldern ankommenden wild abfließenden Oberflächenwassers und die anschließende Ableitung im Regenkanal die Hochwassersituation in der Ortslage weiter verschärfen würde (Umweltbericht S. 7). Kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang die vorgesehene Beseitigung der Gehölze zu sehen. Dies betrifft insbesondere die vorhandenen Nadelbäume, die grundsätzlich durch ihre erhöhte Aufnahme von Niederschlagswasser eine wichtige Funktion in Hinsicht auf den Wasserrückhalt haben. Werden die Gehölze wie derzeit beabsichtigt beseitigt, ist mit einer Verschärfung der Hochwassersituation zu rechnen.
Weiterhin werden die beabsichtigten Neupflanzungen für den vorgesehenen Eingriff nicht in den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans dargestellt und fehlen somit. Auch eine Regelung über den Ersatz für den Abgang von neu zu pflanzenden Gehölzen fehlt dem Bebauungsplanentwurf.
Abschließend möchten wir auf eine Alternative eingehen, die grundsätzlich auch im Rahmen der Alternativenprüfung in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Geplant ist die Errichtung von mehreren Wohnhäusern sowie der Abriss und die Entsiegelung der vorhandenen gewerblichen Lagerhalle. Der BUND schlägt vor, auf den bisher versiegelten Bereichen der gewerblichen Lagerhalle eine Wohnbebauung vorzunehmen. Es handelt sich dabei bereits um versiegelte Fläche, für die erhebliche Auswirkungen auf die Schutzgüter (wie oben beschrieben) nicht zu erwarten sind. Die beiden vorgesehenen Häuser im Süden des Plangebiets sind darüber hinaus nicht im Landschaftsschutzgebiet gelegen, somit wäre eine Ausgliederung oder eine Befreiung nicht notwendig. Zugleich lässt sich der naturschutzrechtliche Eingriff hierdurch erheblich minimieren. Möglich wäre bei dieser Alternative jedoch nur die Errichtung von zwei Wohnhäusern, was durchaus als Kompromiss mit den naturschutzfachlichen Vorgaben gewertet werden kann. Die vorhandenen Gartenanlagen blieben bei dieser Alternative Außenbereichsflächen nach § 35 BauGB.
Nachfolgend erfolgt eine Darstellung dieser Alternative mittels Skizze:
Quelle: www.google.de/maps
Wir bitten um Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Einwendungen und um weitere Beteiligung am Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer
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