7. Oktober 2013
Stelungnahme zum Neubau des Hochwasserrückhaltebeckens Oberbobritzsch
Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren und nimmt zu den ausgereichten Unterlagen wie folgt Stellung.
Das Vorhaben wird in der vorliegenden Form weiterhin abgelehnt.
Begründung
Der Inhalt der ausgereichten Unterlagen ist nicht dazu geeignet, die Gründe, die bereits 2011 für die Einnahme eines ablehnenden Standpunktes dargestellt wurden, auszuräumen.
Vorbemerkungen
In den ausgereichten Unterlagen leiten die Planverfasser für die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens einschließlich Nebenanlagen folgende ausgleichspflichtige Beeinträchtigungen von Arten/Biotopen/Funktionen ab:
artenschutzrechtliche Beeinträchtigungen (Störung, Tötung) von Neuntöter, Wachtel, Goldammer und Braunkehlchen, welche im Störungsgebiet des Stau-/Abgrabungsbereichs reproduzieren
Habitatbeeinträchtigungen für die FFH-Arten Groppe und Bachneunauge im Einstaubereich und darunter
Zerstörung/Beeinträchtigung der Lebensraumtypen 3260, 6430 und 6510 im Staubereich durch Überbauung/Überstauung
Beeinträchtigung der funktionalen Kohärenz des FFH-Gebietes durch Unterbrechung des Fließgewässerkontinuums und der Herausnahme größerer Hochwässer
dauerhafte Verschlechterung eines Teilbereichs der Bobritzsch im Sinne der WRRL
Beseitigung von Wald im Baubereich/Staubereich
Versiegelung von Auenböden (1,05 ha)
Es handelt sich somit um komplexe Beeinträchtigungen, welche sich im Kernbereich des FFH-Gebietes auf die Bobritzsch und ihre Aue konzentrieren. Neben den Auswirkungen auf Habitat- und Artenausstattung kommen indirekte Auswirkungen auf den Wasserrückhalt des Gebietes hinzu (Entwaldung, Versiegelung). Es ist daher erforderlich und zu erwarten, dass Kompensationsmaßnahmen sowie Kohärenz- und FCS-Maßnahmen im betroffenen Gebiet stattfinden und nicht irgendwo anders. Genau dies hat der Vorhabensträger aber nicht vor. Von den insgesamt 13 Maßnahmen (A-, E-, FCS- und Ersatzaufforstungsmaßnahmen) wirken lediglich 7 direkt bzw. indirekt in das FFH-Gebiet „Bobritzschtal“ hinein. Eine (Komplex-)Maßnahme davon befindet sich im direkten Störungsbereich des Vorhabens (Staubereich). Sechs Maßnahmen liegen teilweise weit entfernt vom Vorhaben bzw. seinen Beeinträchtigungswirkungen, so dass ein Zusammenhang gar nicht mehr herstellbar ist. Selbst Waldmehrungsmaßnahmen (Ersatzaufforstungen) werden außerhalb des waldarmen Einzugsgebietes der Bobritzsch und stattdessen in Gebieten geplant, in denen bereits ein hoher Waldanteil vorhanden ist. Der naturschutzrechtliche Ausgleich soll auf Splitterflächen über den gesamten Kreis Mittelsachsen und darüber hinaus verteilt werden. Die Übersichtskarte für die Kompensationsmaßnahmen wird bei jedem Planungsschritt größer, ohne dass der funktionale Gehalt besser würde. Hier sind Möglichkeiten zu prüfen, entsprechende Maßnahmen im räumlichen Einwirkungsbereich des Vorhabens vorzusehen.
Entsiegelungsmaßnahmen
Es ist eine Neuversiegelung von 1,05 ha in der Aue der Bobritzsch (Außenbereich) auszugleichen. Darunter sind hochempfindliche Auenböden mit hohem Grundwasserstand betroffen. Versiegelungen verschärfen Hochwasserprobleme.
E 4a „Abbruch des Stallkomplexes Weißenborn“
Die bisher geplanten Entsiegelungsmaßnahmen in Burkersdorf und Oberbobritzsch (Einzugsbereich der Bobritzsch) wurden verworfen. Stattdessen ist in Maßnahme E 4.a der Abbruch des Stallkomplexes Weißenborn (0,3 ha) geplant. Es wird vom Vorhabensträger nicht dargelegt, inwiefern sich die Entsiegelung am Randbereich der Ortslage von Weißenborn (Hochebene, Einzugsgebiet Freiberger Mulde) kompensatorisch auf die Beeinträchtigungen im Einzugsbereich der Bobritzsch sowie auf dessen empfindliche Auenböden auswirken soll. Weiterhin wird nicht dargelegt, inwieweit die vorgesehenen artenschutzrechtlichen Maßnahmen (Ersatznisthilfen für Rauchschwalben in einem 1 km entfernten Stall) erfolgreich sein können, da keine Angaben zu den dortigen Verhältnissen gemacht werden (gibt es dort bereits Rauchschwalbennester, wenn ja, können dort weitere Rauschwalben nisten, wenn nein, warum nisten bisher keine dort).
Ökokontomaßnahmen der SLS E4.2 a Naundorf und E4.3 Eppendorf
Da die Maßnahmen weder örtlich noch sachlich beschrieben werden, ist eine Stellungnahme nicht möglich. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Entsiegelungsmaßnahme E4.3 die Pseudo-Renaturierung der ehemaligen Wäschekonfektion Eppendorf beinhaltet. Aus eigener Kenntnis der Fläche müssen wir darauf hinweisen, dass die Entsiegelung offenbar mit der Rückverfüllung oder Teil-Rückverfüllung des Abbruchgutes am Standort einhergegangen ist, so dass keine natürlichen Standortverhältnisse geschaffen wurden. Weiterhin gibt es Belege, dass der Projektträger SLS in die Maßnahmeflächengröße für das Ökokonto Bereiche mit eingerechnet hat, welche offensichtlich nicht entsiegelt wurden, da es sich um bestehende Gehölzflächen zwischen den Entsiegelungsflächen handelt. Im Fazit ist bereits für die Maßnahme Eppendorf davon auszugehen, dass diese nicht die Anforderungen an eine naturschutzrechtliche Eingriffsausgleichsmaßnahme erfüllt.
Da wir für beide Ökokontomaßnahmen auch keine Entsiegelungsflächengrößen kennen, kann der Entsiegelungsbeitrag für das vorliegende Vorhaben ebenfalls nicht eingeschätzt werden.
Ausgleichsmaßnahmen
Für die Einschätzung der Ausgleichsmaßnahmen A1a (vormals A1), A2 und A3 wird auf unsere Stellungnahme vom Jahr 2011 verwiesen. Neu ist, dass in der Maßnahme A3.1 (Staubereich HQ5 – HQ10) offenbar auf Wunsch des Pächters die vormals geplante natürliche Entwicklung der Standorte (Röhrichte, Hochstaudenfluren) zugunsten von Grünland verändert werden soll. Der Vorhabensträger möge darlegen, wie er mit einer Frischwiese den Biotopverlust von feuchten Staudenfluren (siehe Konfliktbeschreibung des Maßnahmenblattes) kompensieren will.
Ersatzmaßnahmen
E1a Komplexmaßnahme „Niederbobritzsch“
Der Planungsträger möchte auf der Fläche
intensiv beweidetes Grünland mit Feuchteanzeigern in extensiv beweidetes Grünland umwandeln (1,66 ha)
eine Acker - Ansaat zu extensivem Grünland mittels Pflegemanagement realisieren (13 ha)
eine Acker – Waldrandgestaltung umsetzen (0,65 ha)
sowie auf einer Feuchtwiese die Nutzung aufgeben (0,80 ha).
Dieses Planungskonzept scheitert bereits an der Tatsache, dass bereits gegenwärtig keine intensive Beweidung auf dem Grünland erfolgt und der Acker in wesentlichen Teilen gegenwärtig bereits Grünland ist. Die Nutzungsintensität ist auf der Fläche also überhaupt nicht so intensiv, wie vom Planungsträger behauptet und deshalb kann auch die ökologische Aufwertung überhaupt nicht so groß sein, dass die Maßnahme einen erheblichen Beitrag zum Ausgleich für den Bau eines talsperrenähnlichen Hochwasserrückhaltebeckens leisten kann. Darüber hinaus ist das Maßnahmekonzept nicht darauf angelegt, den Eingriff in eine Talaue allgemein und das Ökosystem eines Gewässeres 1. Ordnung ausgleichen zu können. Weder wird die Fläche an das Auenregime eines Gewässers 1. Ordnung wieder angeschlossen noch können auentypische Biotope in diesem Bereich entwickelt werden.
Das Flurstück der Ersatzmaßnahme E1a war in diesem Bereich bis in den 90er Jahren mit einem Mehrseithof bebaut. Die Abbruchmassen verfüllte der damalige Nutzer in der östlich angrenzenden vernässten Wiese, die vom Hangsickerwasser und Quellaustritten des ansteigenden Geländes nach Osten (hier also im Wesentlichen die Maßnahmefläche E1a) gespeist wurde. Mit der Überfüllung der Naßwiese und der damit erfolgten Zerstörung der ursprünglichen Bodenstrukturen wurde das Renaturierungspotential erheblich eingeschränkt, was sich nunmehr auch auf alle anschließenden Maßnahmen und hier insbesondere E1a auswirkt. Die Maßnahme E1a erscheint deshalb insgesamt betrachtet ungeeignet, einen Eingriff in die natürlichen Standortverhältnisse einer Flussaue ausgleichen zu können.
E3 „Kleiner Stieflitzbach“
Die Ersatzmaßnahmen E1 „Wiesengraben“ und E2 „Großer Stieflitzbach“ entfallen aus Gründen fehlender Flächenverfügbarkeit. Verblieben ist die Maßnahme E3 „Kleiner Stieflitzbach“, welche eine Renaturierung des Kleinen Stieflitzbaches beinhalten sowie als FCS-Maßnahme für die Arten Neuntöter, Wachtel, Goldammer und Braunkehlchen dienen soll. Sie soll weiterhin zur Kompensation der Beeinträchtigungen des Fließgewässers Bobritzsch im Sinne der WRRL beitragen.
In Ergänzung unserer Stellungnahme von 2011 führen wir weiter aus:
In Anlage 3.1a Teil B zur Maßnahme wird ausgeführt, dass der Kleine Stieflitzbach ein nicht ständig wasserführendes Gewässer mit geringer Wasserführung ist. Mehrere im Hauptschluss gelegene Stillgewässer unterbrechen den Biotopverbund in die Wilde Weißeritz auch nach Umsetzung der Maßnahme, ebenso die verbleibenden Verrohrungen im Nordteil des Baches. Die Maßnahme selbst liegt deutlich außerhalb von FFH- und SPA-Gebieten (Minimalentfernung 500 m).
Hauptproblem der Maßnahme ist der gestörte Wasserhaushalt des Einzugsgebietes. Der Acker im Einzugsgebiet ist umfangreich drainiert. Aufgrund des stark beschränkten Flächenumfangs ist davon auszugehen, dass für den westlichen Arm des Baches zwar das Quellgebiet teilweise mit erfasst und renaturiert wird, jedoch eine vollständige Herausnahme der Drainagen offensichtlich nicht möglich ist (nur Vernässung innerhalb der gesicherten Flächen). Für den östlichen Arm des Baches sind keine Maßnahmen zur Renaturierung des Quellgebietes geplant. Der Bach wird daher auch in Zukunft nur wenig Wasser führen.
Wenn auch der Maßnahme eine (beschränkte) positive Wirkung auf den Naturhaushalt bescheinigt werden kann, so bleibt es völlig unklar, was die Maßnahme mit den Eingriffen im FFH-Gebiet „Bobritzschtal“ sowie den dort vorkommenden Arten (der geplante Staubereich ist Schwerpunkt für Brutvorkommen von Goldammer, Braunkehlchen und Neuntöter) zu tun hat. Noch weniger kann ein Zusammenhang mit der WRRL und dem Oberflächenwasserkörper Bobritzsch I erkannt werden. Es sind deshalb weitergehende Maßnahmen zum Ausgleich der artenschutzrechtlichen Eingriffe vorzusehen.
E5a Rückbau Wehrschwelle „Körnermühle“
Bereits das Foto auf Plan 2.8a verdeutlicht die Dimension des Vorhabens – der Abbruch einer max. 65 cm hohen, auf den ersten Blick als naturnahe Sohlgleite wahrnehmbaren Schwelle in der Bobritzsch soll offenbar nach Ansicht des Vorhabensträgers die Errichtung eines talsperrenähnliches Bauwerks im Hauptschluss der Bobritzsch im Sinne der ökologischen Durchgängigkeit kompensieren helfen. Wie ökologisch unbedenklich die Schwelle eingeschätzt wird, verdeutlicht die Einstufung des Bobritzschabschnittes als bes. geschütztes Biotop „Naturnaher Bach mit naturnahen Elementen“ sowie als Habitatfläche für Groppe und Bachneunauge. Die Vorhabensbeschreibung spricht von einem eingestürzten Wall aus groben gebrochenen Steinen. Die angegebene Absturzhöhe von 65 cm wird augenscheinlich an den eingebrochenen Stellen deutlich unterschritten. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Schwelle von Bachneunauge und Groppe bereits im jetzigen Zustand überwunden wird. Problematisch ist der Bereich weniger aus Gründen der ökologischen Durchgängigkeit, sondern vielmehr aus der Befürchtung des Vorhabensträgers heraus, dass die Böschung erodieren kann (im Abstand von weniger als 10 m befindet sich am Prallhang ein Wohnhaus). Deshalb soll auch im Zuge der Maßnahme die Böschung durch eine 40 cm starke Steinschüttung verstärkt werden. Wenn der Planungsträger diese Ufersicherung im Rahmen seiner Unterhaltungspflicht am Fließgewässer vornehmen muss, sei es ihm unbenommen. In diesem Zusammenhang kann er auch die Reste der Wehrschwelle entfernen. Er kann die Entfernung der Reste auch im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erreichung des guten ökologischen Zustandes der Bobritzsch mit wenig Aufwand umsetzen.
Ein Zusammenhang dieser in ihrer Wirkung beschränkten Maßnahme zum geplanten Eingriff durch ein Rückhaltebecken in Talsperrengröße verbietet sich aber. Es ist auch kein „Aufaddieren“ der Beseitigung von solchen Kleinstquerbauwerken möglich, um den massiven Eingriff in das Fließgewässerökosystem der Bobritzsch mittels Rückhaltebecken in Talsperrengröße ausgleichen zu können. Wer einen Talsperrenbau auszugleichen hat, muss einen Ausgleich in der Dimension und Bedeutung einer Talsperre leisten.
E6 Rückbau „Wehr Hofmühle“
Hier gilt das zu E5a Geschriebene sinngemäß.
neue Ersatzaufforstungen nach SächsWaldG
In unserer Stellungnahme aus dem Jahr 2011 haben wir bereits auf die Diskrepanz hingewiesen, dass der großflächigen Waldflächenbeseitigung an der Bobritzsch keine Wiederbewaldung im extrem waldarmen Einzugsgebiet der Bobritzsch gegenübersteht (außer Aufforstungen an der Massenentnahme in den Maßnahmen A2 und A3, 2,47 ha). Bei dem geplanten Waldausgleich von 22,78 ha sind dies lediglich 11 %.
Die nunmehr vorgelegte Planung behebt das Problem nicht. Auch jetzt liegt von den fünf neuen Ersatzaufforstungsflächen nur eine (E9.2, Gem. Frauenstein, Größe 2 ha) im Einzugsgebiet der Bobritzsch, das sind zusammen mit A2 und A3 20 %. Die anderen vier Flächen mit einer Gesamtgröße von 17,2 ha befinden sich in den Einzugsgebieten der Striegis, der Preßnitz, dem Chemnitzbach und der Flöha, in der Regel im Anschluss zu bereits bestehenden, großen Waldgebieten.
Die vom Vorhabensträger geplante Kleinstwaldanlage, verstreut über halb Sachsen außerhalb des Eingriffsgebiets, wird abgelehnt. Es sind vielmehr Aufforstungen im Einzugsgebiet der Bobritzsch vorzusehen.
Sonstige Maßnahmen
Zu den sonstigen Maßnahmen (Minderungs- bzw. Schadensbegrenzungsmaßnahmen) verweisen wir auf unsere Stellungnahme aus dem Jahr 2011.
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Heß
BUND-Notvorstand