BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


9. Februar 2017

Stellungnahme zum Zielabweichungsverfahren zum Vorhaben „Erweiterung des Stellangebotes um ca. 250 Stellplätze und Neuanlage eines Parkplatzes für Reisebusse im Hafenbereich Zöbigker, Markleeberg, An der Hafenstraße“

Ihr Zeichen: L34-2417/708/12

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Landesverband Sachsen bedankt sich für die Beteiligung und Zustellung der Unterlagen im o.g. Verfahren und nimmt hierzu wir folgt Stellung:

die Zielabweichung von den Festlegungen des Regionalplans Westsachsen (2008) und dem Sanierungsrahmenplans Zwenkau/Cospuden sowie dem Landesentwicklungsplan wird abgelehnt.

Begründung:

Die Stadt Markleeberg beabsichtigt die Aufstellung eines Bebauungsplans „An der Hafenstraße“. Ziel ist die Erweiterung des PKW-Stellplatzangebots und die Neuanlage eines Parkplatzes am Ostufer des Cospudener Sees im Bereich der Hafenstraße auf einer Flächengröße von 2,1 ha. Da die dafür vorgesehenen Flächen regionalplanerische Ziele gemäß dem Regionalplan Westsachsen (2008), dem Sanierungsrahmenplans für den Tagebaubereich Zwenkau Cospuden sowie dem Landesentwicklungsplan Sachsen (2013) entgegenstehen, ergibt sich die Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens gem. § 16 SächsLPlG. Die relevanten Ziele lauten:

Z 4.1.4.1 des LEP Sachsen:

Siedlungsklimatisch bedeutsame Bereiche sind in ihrer Funktionsfähigkeit (Größe, Durchlässigkeit, Qualität der Vegetationsstrukturen) zu sichern und zu entwickeln und von Neubebauung beziehungsweise Versiegelung sowie schädlichen und störenden Emissionen freizuhalten. Dazu sind in den Regionalplänen siedlungsrelevante - Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete sowie - Frisch- und Kaltluftbahnen festzulegen.

Z 4.5.1 des Regionalplans Westsachsen:

Die Funktionsfähigkeit der „Regional bedeutsamen Frischluftentstehungsgebiete“, der „Regional bedeutsamen Kaltluftentstehungsgebiete“, der „Regional bedeutsamen Frischluftabflussbahnen“ sowie der „Regional bedeutsamen Kaltluftabflussbahnen“ ist zu erhalten bzw. zu verbessern. Dazu sind • „Regional bedeutsame Kaltluftentstehungsgebiete“ von großflächigen Versiegelungen, abriegelnden Be- und Verbauungen sowie von Luftschadstoff emittierenden Anlagen freizuhalten und ggf. durch Erhöhung des Waldanteils aufzuwerten, • „Regional bedeutsame Frischluftabflussbahnen“ und „Regional bedeutsame Kaltluftabflussbahnen“ von abriegelnden Be- und Verbauungen sowie von Luftschadstoff emittierenden Anlagen und Aufforstungen im unmittelbaren Abflusskanal freizuhalten und • „Regional bedeutsame Frischluftentstehungsgebiete“ vor schwerwiegenden Eingriffen zu schützen und ggf. durch Waldmehrung in ihrer Wirksamkeit zu unterstützen.

Z 4.5.1 des Sanierungsrahmenplans:

Die Funktionsfähigkeit der „Regional bedeutsamen Frischluftentstehungsgebiete“, der „Regional bedeutsamen Kaltluftentstehungsgebiete“, der „Regional bedeutsamen Frischluftabflussbahnen“ sowie der „Regional bedeutsamen Kaltluftabflussbahnen“ ist zu erhalten bzw. zu verbessern. Dazu sind „Regional bedeutsame Kaltluftentstehungsgebiete“ von großflächigen Versiegelungen, abriegelnden Be- und Verbauungen sowie von Luftschadstoff emittierenden Anlagen freizuhalten und ggf. durch Erhöhung des Waldanteils aufzuwerten, • „Regional bedeutsame Frischluftabflussbahnen“ und „Regional bedeutsame Kaltluftabflussbahnen“ von abriegelnden Be- und Verbauungen sowie von Luftschadstoff emittierenden Anlagen und Aufforstungen im unmittelbaren Abflusskanal freizuhalten und • „Regional bedeutsame Frischluftentstehungsgebiete“ vor schwerwiegenden Eingriffen zu schützen und ggf. durch Waldmehrung in ihrer Wirksamkeit zu unterstützen.

Bei dem für den Parkplatz vorgesehenen Gebietes handelt es sich demnach um ein Waldgebiet.

  1. Fehlende Notwendigkeit der Zielabweichung

Die Stadt Markkleeberg macht geltend, dass die Parkplatzkapazitäten nicht ausreichend sind und es im Zuge dessen vermehrt zur illegalen Abstellung von PKWs und Bussen im Gebiet um den Hafen kommt. Zumindest was die illegale Parknutzung angeht, kann das Problem bestätigt werden, allerdings kann daraus noch nicht das Erfordernis der Erweiterung der Parkplatzkapazitäten abgeleitet werden bzw. müssen zum Schutz des Waldes und der regionalplanerischen Festsetzung (dazu Punkt 2) anderweitige Lösungsmöglichkeiten angedacht werden. Das Erfordernis der Parkplatzerweiterung wird deswegen verneint, da die derzeitigen vorhandenen Parkplätze bisher nicht ausreichend beschildert und selbst an repräsentativen Tagen in den Sommermonaten nicht alle ausgenutzt sind, wie die angefügte Verkehrsuntersuchung belegt (S. 24). Zudem wird bezweifelt, dass die Erhöhung der Stellplatzkapazitäten an dem Problem der illegalen Parknutzung etwas ändert, denn aus der Verkehrsuntersuchung ergibt sich weiterhin, dass selbst an Tagen mit geringer Stellplatznachfrage und geringem Besucheraufkommen (an denen die Stellplatzkapazitäten bei Weitem nicht ausgeschöpft sind) eine illegale Parkplatznutzung an unbefestigten Randbereichen erfolgt (S. 22). Hier handelt es sich wohl eher um ein Vollzugsdefizit, bei dem das illegale Abstellen der Fahrzeuge nicht in notwendigem Maße geahndet wird.

Vorwiegend besteht das genannte Problem im Wesentlichen nur in den Sommermonaten mit hohem Verkehrsaufkommen. Eine Ausnutzung der beabsichtigten Stellplatzkapazitätserhöhung ist in den Wintermonaten nicht zu erwarten. Der BUND sieht daher die (auch) in dem Verkehrsgutachten vorgeschlagene Stärkung des ÖPNV sowie des Fahrradverkehrs als notwendig an, an dem genannten Problem etwas zu ändern. So muss das Gebiet durch den ÖPNV besser erschlossen werden und vor allem in den Sommermonaten eine Erhöhung der Taktzeiten (anzustreben wäre 15-min-Takt vor allem am Wochenende) des ÖPNV angestrebt werden, um den Besuchern eine bessere ÖPNV-Nutzung zu ermöglichen und attraktiver im Vergleich zur Anreise mit dem PKW zu machen. Die Potentiale sind hier noch nicht ausgeschöpft. Ein negativer Beitrag besteht dabei vor allem in der Einstellung der Straßenbahnlinie 9. Da der Besucheranstrom sich vor allem aus der Stadt Leipzig ergibt, muss hier durch entsprechende Werbung der Anreise mittels ÖPNV und Fahrrad auf die Senkung des PKW-Besucherverkehrs hingewirkt werden. Ein positiver Beitrag besteht in der Stärkung des Fahrradverkehrs, wobei hier insbesondere die Schaffung der Fahrradkirche als positiver Beitrag angesehen werden kann.

Als kontraproduktiv ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur (vor allem der Stellplatzanzahl) für Kraftfahrzeuge zu sehen. Denn ein Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Hinsicht auf die Stellplatzanzahl führt nicht zur Verringerung des Besucherverkehrs der mittels PKW anreist, sondern wird dazu führen, dass zukünftig mehr Besucher mit dem PKW und nicht mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad anreisen. Es ist zu erwarten, dass bei einem Ausbau sich der PKW-Besucherverkehr erhöhen wird und die jetzt beabsichtigten Kapazitäten den dadurch erzeugten gesteigerten PKW-Verkehrsaufkommen in absehbarer Zeit auch nicht mehr gerecht werden. Ziel muss die verstärkte Anreise des Cospudener Sees mittels umweltverträglichen Verkehrsarten sein, nicht die Fokussierung auf die verbesserten Bedingungen für die Anreise mittels PKW’s. Das sollte nicht ausschließen, dass mittels geänderten Verkehrsführungen in den angrenzenden Wohnbereichen und mittels einer besseren Beschilderung eine Verbesserung der Wohnqualität der Anwohner erreicht wird. Hierbei könnte ein positiver Beitrag auch die Sperrung der Zufahrt für Reisebusse zum Pier 1 und deren Umleitung auf hintergelagerte Stellplätze bestehen

 

  1. Grundzüge der Planung berührt (§ 6 Abs. 2 ROG)

Bei dem betreffenden Gebiet, auf dem der neue Parkplatz entstehen soll, handelt es sich um Waldgebiet, für das die o.g. regionalplanerische Ziele gelten. Daraus ergibt sich weiterhin, dass das Waldgebiet ein regional bedeutsames Frischluftentstehungsgebiet ist. Die diesem Gebiet angedachten Funktionen werden durch den Bau eines Parkplatzes erheblich beeinträchtigt. Zunächst muss eine Rodung vorgenommen werden, die den Verlust des Waldes und seiner Funktionen für den Naturhaushalt bedingt. Zudem geht damit Lebensraum verloren, wobei sich aus den Planunterlagen nicht ergibt, welche Tier- und Pflanzenarten hiervon betroffen sind. Weiterhin verringert sich durch die Versieglung (auch bei Teilversiegelung) der Waldflächen die Frischluftproduktion. Das Ziel 4.5.1 des Regionalplans Westsachsen besteht gerade darin, solche Flächen zu erhalten und diese zu schützen. Durch die Erhöhung des (mit überwiegend Verbrennungsmotoren betriebenen) Verkehrsaufkommens ist darüber hinaus eine höhere Belastung der Luftschadstoffe zu erwarten. Diese Beeinträchtigungen bestehen zum Teil schon gegenwärtig, da ein Parkplatz sich schon im Waldgebiet befindet und somit vorbelastet ist. Dazu kommen Beeinträchtigungen durch Lärm, die sich nach der beabsichtigten Planung weiter in den bestehenden Waldbereich erstrecken. Die Planunterlagen gehen selber von einer „nicht zu vernachlässigenden Vorbelastung“ aus (S. 14), verschweigen jedoch, dass die Belastung sich erhöht und im Zuge der Erweiterung die Belastung gerade für die Waldbereiche zunimmt, in denen die Vorbelastung aufgrund der höheren Distanz noch nicht gegeben ist. Die in den Planunterlagen festgestellte eingeschränkte Funktionalität der an den bestehenden Parkplatz gelegenen Waldflächen (S. 14) wird sich zunehmend auf weitere Waldbereiche erstrecken. Aus diesem Grund ist auch nicht nur von einer geringfügigen Verlust an Waldschutz- und Frischluftentstehungsgebieten auszugehen sondern von einem weitaus größeren (über den geplanten Parkplatzbereich hinausgehenden) Funktionsverlust. Zudem ist die Funktionalität des Frischluftenstehungsgebiet und der Kaltluftableitbahn dadurch eingeschränkt, dass nunmehr ein „Riegel“ durch den geplanten Parkplatz entsteht, der sich in den Sommermonaten stärker erhitzt und somit den Kaltluftabfluss behindert. Diese erhebliche Beeinträchtigung der Ableitung wird durch die geplante Dammerrichtung noch verstärkt, so dass der Luftaustausch erheblich verringert wird.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung (§ 6 Abs. 2 ROG) berührt werden und die Voraussetzungen einer Zielabweichung nicht erfüllt sind. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Grundzüge der Planung berührt werden, da die für die regionalplanerische Festlegung maßgebliche Abwägung ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen (Waldschutz, Frischluftentstehungsgebiete und Tourismus) zu Grunde hatte, die zur Ausweisung geführt hat. Wird die regionalplanerische Festlegung geändert, wird dies eine Änderung des Ausgleichs widerstreitender Interessen und Belange zur Folge haben, die die Grundzüge der Planung berühren. Zu den von der Stadt Markkleeberg angeführten regionalplanerischen Grundsätze in Bezug auf die Anbindung und Erschließung der Tourismusgebiete (Grundsatz 8.1.3, 10.1.4) lässt sich sagen, dass das Tourismusgebiet bereits erschlossen und angebunden ist, diese Grundsätze also nicht als Begründung für die Zielabweichung taugen.

  1. Fehlerhafte Erheblichkeitseinschätzung

Die unter Punkt 6 der Planunterlagen aufgeführte Erheblichkeitseinschätzung ist unbrauchbar und fehlerhaft. Sie bezieht sich mit einem Satz auf die Distanz zum nächstgelegenen Natura-2000-Gebiete. Bei dem Vorhaben handelt es sich um einen Eingriff im Sinne von § 14 BNatSchG/§ 9 SächsNatSchG. Der vorgesehene Verzicht auf die Erheblichkeitseinschätzung würde bedeuten, dass das Vorhaben keiner naturschutzfachlichen Kompensation bedarf, dem ausdrücklich widersprochen werden muss. Des Weiteren wird die Erheblichkeitseinschätzung nicht belegt. Es finden sich weder Erhebungen der vorkommenden Arten noch eine anderweitige Anführung von Quellen, die die Nicht-Erheblichkeit belegen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Umwandlung von Wald in einer Größenordnung von 2,1 ha als erheblich im Sinne von § 14 BNatSchG zu werten ist. Die Erheblichkeitseinschätzung ist daher dringend zu überarbeiten und kann nicht als Grundlage für ein Zielabweichungsverfahren dienen.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer

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Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/lv_stellungnahmen/detail/browse/8/artikel/stellungnahme-zum-zielabweichungsverfahren-zum-vorhaben-erweiterung-des-stellangebotes-um-ca-250/