15. Oktober 2014

RG Leipzig: Stellungnahme zur Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens nach § 39 SächsStrG Vorhaben der Stadt Leipzig: Neubau Georg-Schwarz-Brücken einschließlich Umbau am Ritterschlößchen

Sehr geehrter Herr Pilz,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BUND Sachsen e.V., vertreten durch die BUND RG Leipzig, bedankt sich für die Beteiligung im Verfahren und gibt hiermit zu den vorgelegten Scoping-Unterlagen für das o.g. Vorhaben nach § 5 UVPG eine Stellungnahme zum notwendigen Umfang und den Methoden der für die UVP benötigten Unterlagen ab.

Wir weisen bereits vorab darauf hin, dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung als gebündelte Identifizierung, Beschreibung und Bewertung der voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf Umfang und Detaillierungsgrad an dem für das Vorhaben geltenden materiellen Recht zu orientieren hat. Dies ist im Zusammenhang mit dem Natur- und Artenschutzrecht vor allem im Hinblick auf Untersuchungsumfang und - tiefe bei den voraussichtlich beeinträchtigten Schutzgebiete sowie den geschützten Arten und deren Habitaten relevant. Anders formuliert hat sich der Umfang der Untersuchungen an den materiellen Maßstäben insbesondere der §§ 34, 44 und 45 BNatSchG zu orientieren.

Dies vorausgeschickt weisen wir unter Bezugnahme auf die vorgelegten Unterlagen auf Folgendes hin:

Generell fällt auf, dass den Unterlagen keine Angaben zu den zu erwartenden Verkehrszahlen zu entnehmen sind und eine verkehrliche Notwendigkeit des Vorhabens nicht dargestellt wird. Dies ist nachzuholen, um die notwendige Planrechtfertigung beurteilen zu können.

Ausbau der Straße Am Ritterschlößchen

Für einen 4-spurigen Ausbau der Straße Am Ritterschößchen besteht weder eine verkehrliche Notwendigkeit, noch kann angenommen werden, dass ein solcher Ausbau in einem dann wohl notwendigen weiteren Bauabschnitt mit den im Hasenholz, im Auwald und an der Luppe angrenzenden FFH- und SPA-Gebieten verträglich wäre. Es wird deshalb gefordert, den Ausbau allenfalls 2-spurig vorzunehmen, da in diesem Fall auch die Beseitigung des Straßenbegleitgrüns in nördlicher Richtung unterbleiben könnte. Die bisherige Planung einer Nutzung der südlich gelegenen zurückgebauten Bahnanlagen erscheint damit insgesamt betrachtet im Falle einer verkehrlichen Notwendigkeit des Ausbauvorhabens sinnvoll, dies gilt allerdings nicht bei einem 4-spurigen Ausbau.

In diesem Zusammenhang bittet der BUND um Auskunft nach Maßgabe des SächsUIG, inwieweit Planungen für weitere Ausbaumaßnahmen im weiteren Bereich der Gustav-Esche-Straße Richtung Auwald/Luppe bestehen.

Der Ausbau auf 120 m nach Abbiegung in die Gustav-Esche-Straße weist jedenfalls darauf hin, dass weitere Planungen für die Gustav-Esche-Straße vorliegen. Sollte dies der Fall sein, rügt der BUND bereits jetzt eine fehlerhafte Abschnittsbildung, da in diesem Fall offenbar durch den hier zu beurteilenden Bauabschnitt Zwangspunkte für den nachfolgenden Bauabschnitt geschaffen werden sollen. Die dann zu erwartenden anlagen-, bau- und betriebsbedingten Auswirkungen auf die angrenzenden FFH- und SPA-Gebiete sowie die dort befindlichen Arten und deren Habitate müssen deshalb bereits im hiesigen Abschnitt in die Betrachtung eingestellt werden. Einen 4-spurigen Ausbau auf dieser Strecke hält der BUND nicht für vereinbar mit §§ 34 und 44 BNatSchG.

Erneuerung der Brücke „Am Forsthaus“ über den Bauerngraben

Die verkehrliche Notwendigkeit der Erneuerung wird nicht beschrieben, es ist mit erheblichen Beeinträchtigungen der angrenzenden Schutzgebiete zu rechnen, entsprechend intensiv sind die Auswirkungsbetrachtungen vorzunehmen.

Umleitung während der Baumaßnahmen

Die geplanten Umleitungen des Verkehrs sind in den Antragsunterlagen detailliert zu beschreiben und in die Auswirkungsbetrachtungen aufzunehmen.

Baubedingte Wirkfaktoren

Eine Beschränkung der Zerstörung von Lebensräumen, Quartieren und Niststätten auf bestimmte Tierarten (Nr. 9 bis 11) ist in diesem Stadium des Verfahrens keinesfalls angebracht. Vielmehr sind auch Beeinträchtigungen von Lebensräumen, Quartieren und Niststätten weiterer Arten denkbar, so dass hier zwingend ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag zu erstellen ist. Die Betrachtungen dürfen sich dabei nicht allein auf aktuelles Datenmaterial stützen, vielmehr sind aktuelle Kartierungen vorzunehmen. Als Mindeststandard ist dabei die Einhaltung der Erfassungsvorgaben nach Südbeck et. al 2005 zu gewährleisten. Für die Abarbeitung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand ist ebenso wie für die Prüfung der Gebietsverträglichkeit nach den Vorgaben der Rechtsprechung auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse abzustellen.

Anlagebedingte Wirkfaktoren

Die Ausführungen zu den baubedingten Wirkfaktoren gelten hier entsprechend.

Betriebsbedingte Wirkfaktoren

Die Annahme, ein erhöhtes Kollisionsrisiko für wandernde bzw. fliegende Arten ergebe sich nicht, kann im jetzigen Planungsstadium gar nicht beurteilt werden, da der Umfang des Ausbaus noch nicht feststeht. Gerade im Falle eines vierspurigen Ausbaus steigt das Kollisionsrisiko beispielsweise für geschützte Insektenarten ohne weiteres an. Gleiches kann für Vögel, Fledermäuse und Kriechtiere gelten.

Die Behauptung, die Gustav-Esche-Str. werde nicht verbreitert, steht im Widerspruch zu den Aussagen bei den anlagebedingten Wirkfaktoren (Nummer 1). Im Übrigen ist zu sehen, dass Straßenausbauten üblicherweise zur Bewältigung höheren Verkehrsaufkommens vorgenommen werden, so dass trotz gleichbleibender Höchstgeschwindigkeiten allein ein gestiegenes Verkehrsaufkommen erhöhte Individuenverluste durch Überfahren hervorrufen kann. Auch dies ist deshalb in die Betrachtung einzustellen.

Wegen der festgestellten bzw. noch festzustellenden Wirkfaktoren ist zwingend eine FFH-Verträglichkeitsprüfung für die vorhandenen FFH- und SPA-Gebiete vorzunehmen.

Vorhandene Unterlagen und Informationen

Die Verwendung der Unterlagen aus dem Vorhaben der DB Projekt Bau GmbH "EWST Leipzig-Leutzsch" aus dem Jahr 2008 wird abgelehnt. Den Maßgaben der einschlägigen Rechtsprechung folgend dürfen einem Vorhaben Daten, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluss bereits älter als 5 Jahre sind, nicht zu Grunde gelegt werden. Die vorgesehenen Daten waren bereits im Jahr 2013 veraltet. Es sind deshalb aktuelle Daten zu erheben.

Neben den Managementplänen sind auch die Meldebögen an die EU-Kommission heranzuziehen. Neben den noch ausstehenden Kartierungen sind außerdem Daten aus vorhandenen Biotop- und Artenschutzkartierungen heranzuziehen.

Die schalltechnische Untersuchung ist auf die angrenzenden FFH-/SPA-Gebiete auszudehnen. Hierbei ist für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Avifauna sowie der Fledermäuse ein äquivalenter Dauerschallpegel von maximal 47 dB(A) zugrunde zu legen.

Untersuchungsräume

Die bereits angekündigte Ausdehnung der Untersuchungsräume auf die Flächen der im Plan vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen und Umleitungstrassen ist unbedingt vorzunehmen.

Abgesehen davon sind im Bereich der Gustav-Esche-Str. die vorhandenen FFH- und SPA-Gebiete in einem Radius von mindestens 1 km Länge in den Blick zu nehmen. Die Unterlagen (Betrachtungsraum für die FFH-Verträglichkeitsstudie) gehen zwar zutreffend davon aus, dass Betrachtungsraum immer die vollständigen Natura-2000-Gebiete sind, allerdings ist gerade bau- und betriebsbedingt mit Auswirkungen zu rechnen, die nicht durch einen Untersuchungsraum von 200 m beidseits zur Straßentrasse abgegrenzt werden können. Der Untersuchungsraum und damit die Grenze der möglichen Auswirkungen des Vorhabens sind folglich zu erweitern.

Dies gilt für die zu erwartende Lärmbelastung gerade im Hinblick auf die betroffene Bevölkerung, da insbesondere die Baumaßnahmen aber auch die späteren betriebsbedingten Auswirkungen auch jenseits einer Entfernung von 200 m beidseits der Straßentrasse Lärmbelästigungen hervorrufen können, die jedenfalls abwägungserheblich sind. Demzufolge ist der Untersuchungsraum auch im Bereich schutzwürdiger Wohnbebauung zu erweitern.

Biotope und Nutzungen

Die Beschreibung der Biotope und Nutzungen ist insbesondere im Bereich der besonders oder streng geschützten Tier- und Pflanzenarten unzureichend. Geschützte Pflanzenarten werden gar nicht angesprochen. Die Betrachtungen sind insbesondere auch auf Insekten, Käfer und Säugetiere auszudehnen (eine Betrachtung allein der Fledermäuse ist unzureichend). Gleiches gilt für Reptilien, Stechimmen, Heuschrecken, Tagfalter und Libellen.

Primärerhebungen zu Flora, Fauna und Biotopen

Die Anzahl von zwei Begehungen für Biotope und Fauna ist vollkommen unzureichend.

Die Angabe, Fledermausquartiere sowie Nistplätze von Brutvögeln in den Brücken und Gebäuden würden „hinreichend umfänglich“ untersucht, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, welchen Umfang die Untersuchungen haben sollen. Zum notwendigen Umfang und der gebotenen Methodik geben wir folgende Hinweise:

Die Zahl der Begehungen und deren Dauer einschließlich der Tageszeiten, die an den Terminen herrschenden Beobachtungsbedingungen sowie die Bearbeiter, deren Qualifikationen und technische Ausrüstung müssen dokumentiert werden. Zu den Mindestanforderungen gehört es ebenfalls, dass auch beschrieben wird, in welcher Weise die Auswertung erfolgt.

Es sind für die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände die Plätze zu erfassen, an denen es bei der Realisierung des Vorhabens zu einer Tötung (bzw. Beschädigung) von Individuen kommen könnte. Weiterhin sind Aufenthaltszeiten, Status und Häufigkeitsverteilung der im Gebiet auftretenden Arten im gesamten Einwirkungsbereich des Vorhabens zu ermitteln, um beurteilen zu können, ob es eine erhebliche Störung geben könnte. Außerdem sind möglichst zeitnah zum vorgesehenen Eingriff Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu erfassen.

Bei den Rastvögeln kommt es auf die Lage bevorzugter Rastplätze und deren Beziehung zur geplanten Trasse an, um die Auswirkung des Vorhabens sachgerecht beurteilen zu können. Rastende, mausernde und überwinternde Vogelarten sind nicht nur an Gewässern oder Flussniederungen zu erwarten, sondern auch sonst in der Landschaft und können vorliegend vor allem in den vorhandenen Gehölzbeständen auch in hoher Individuenzahl auftreten.

Nach SÜDBECK ET AL. (2005)[1] sind für die Abarbeitung der Eingriffsregelung bzw. als Grundlage für eine Umweltverträglichkeitsprüfung Revierkartierungen für alle Vogelarten erforderlich, die in Abhängigkeit von der Geländestruktur 6 – 10 Komplettbegehungen des Untersuchungsgebietes erfordern, wenn die Bedeutung eines Gebietes für Brutvögel ermittelt werden soll. Hierbei ist darauf zu achten, auch Erfassungen außerhalb der Brutzeiten vorzunehmen. Aufgrund des besonders heterogenen und teilweise artenreichen Eingriffsgebietes ist hier von der größeren Zahl an Begehungen auszugehen. Eine solche Vorgabe in Bezug auf die Erfassungsintensität ist notwendig, denn die unterschiedlichen jahreszeitlichen Aktivitätsmuster der Vogelarten machen den genannten Untersuchungsumfang erforderlich: Vogelarten wie Spechte und Eulen beginnen verhältnismäßig früh mit der Revierbesetzung und der Brut, deshalb sind frühe Begehungen eines Untersuchungsgebietes erforderlich, weil diese Arten ihre Balzaktivitäten schon früh wieder einstellen. Dem stehen Zugvogelarten gegenüber, die erst spät in die Brutreviere zurückkehren. Eine sichere Trennung zwischen noch durchziehenden und schon reviertreuen Vögeln wird erst in der zweiten Maihälfte bzw. ab Juni möglich (z.B. Braunkehlchen, Neuntöter). Die Zeiträume, aus denen für die einzelnen Arten Sichtungen für eine Bewertung vorliegen müssen, sind in SÜDBECK ET AL. (2005) dargestellt.

Für die übrigen Artengruppen gilt Entsprechendes. Auch hier ist entscheidend, dass das Artenspektrum, die Anzahl der Individuen, Reviere oder Lebensstätten vollständig ermittelt werden bzw. sich abschätzen lässt, welche methodisch bedingten, teilweise unvermeidlichen Lücken z.B. mit Hilfe von Worst-Case-Annahmen zu schließen sind. Dies ist z.B. bei Fledermäusen von besonderer Relevanz, denn nur ein Methodenmix aus Netzfang, Klangattrappen- und Horchboxeneinsatz erlaubt es, verlässliche Aussagen über die Raumnutzung und die damit verbundenen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände zu gewinnen.

Dabei ist es erforderlich, die Vorkommensbereiche mindestens der europarechtlich geschützten Arten genau darzustellen. Denn von deren Lage hängt es ab, ob es zur Tötung, zur erheblichen Störung oder zur Beschädigung von Lebensstätten kommen kann. Insofern ist auch eine kartenmäßige Darstellung erforderlich.

Der BUND bittet bereits jetzt um weitere Beteiligung im Verfahren und um die Zurverfügungstellung eines eigenen Auslegungsexemplars mit Beginn der öffentlichen Auslegung.

Zusätzlich sollte zur Gewährleistung einer breiten, nichtfachlichen Öffentlichkeit eine Einstellung der Unterlagen ins Internet erfolgen, die sowohl einen Ausdruck als auch Durchsuchbarkeit der Dokumente gewährleistet. Auf § 27a VwVfG darf insoweit hingewiesen werden.

Eine zusätzliche mündliche Erörterung der Scoping-Unterlagen halten wir derzeit nicht für erforderlich. Es wird allerdings angeregt, die anerkannten Umweltverbände an den Fachrunden der Naturschutzbehörden mit der Vorhabenträgerin zu beteiligen.

 

Mit freundlichen Grüßen

BUND Regionalgruppe Leipzig

Franziska Heß

Stellvertretende Vorsitzende

BUND Sachsen e.V. / Regionalgruppe Leipzig

 

 



[1] SÜDBECK, P., H. ANDRETZKE, S. FISCHER, K.GEDEON, T. SCHIKORE, K. SCHRÖDER & C. SUDFELDT Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands.., 2005.




Das Miteinander von Menschen und in Bienen – werden Sie jetzt BUND-Mitglied und erhalten Sie für kurze Zeit den Bestseller-Roman als Dankeschön!

Konzernatlas 2017

Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie 2017

Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat - gegen Intoleranz, Menschen- feindlichkeit und Gewalt

Der "Kohleatlas" zeigt die Auswirkungen der Kohle von Klima bis Gesundheit.

Fleischatlas 2016 "Deutschland Regional"

Positionspapiere für Sachsen:

Landwirtschaftskonzept für Sachsen
Für einen geordneten Braunkohleausstieg
Energie- und Klimakonzept für Sachsen
Suche