27. November 2013

RG Leipzig: Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 361.1 „Funkmast Richard-Lehmann-Straße/Zwickauer Straße“

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung nach §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB und erhebt hiermit Einwendungen gegen das Vorhaben. Zugleich äußern wir uns als Träger öffentlicher Belange.

Gegen das Vorhaben bestehen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Strahlung auf den Menschen sowie hinsichtlich der erheblichen Beeinträchtigung des Stadtbildes Bedenken. Im Einzelnen:

Geplant ist ein etwa 190 m hohes Bauwerk mit einer relevanten Wirkung auf das Stadtbild und die Stadtsilhouette, das als gewerbliche Nutzung einzustufen ist und als solche baugenehmigungspflichtig, aber nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig ist. Es unterliegt gleichwohl den Vorgaben der 26. BImSchV.

Der beschriebenen Alternativenprüfung soll eine intensive Standortsuche auch über die Stadtgrenzen Leipzig vorausgegangen sein. Der BUND Sachsen e.V. fordert hier die Offenlegung der geprüften außerstädtischen Alternativen.

Ausweislich der Planbegründung hat die Bundesnetzagentur für den Betrieb der auf dem geplanten Funkmast anzubringenden Antennen bereits am 04. Juni 2012 eine Standortbescheinigung erteilt. Danach werden die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten. Bei künftigen Änderungen habe der jeweilige Betreiber gegenüber der Bundesnetzagentur nachzuweisen, dass die geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten werden. Insofern sei sichergestellt, dass die geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten werden. Aufgrund dessen werden keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen auf Menschen erwartet. Hier ist im weiteren Verfahren sicherzustellen, dass die Verpflichtung des Betreibers sich auch auf künftig strengere Grenzwerte der 26. BImSchV oder sonstiger Vorschriften erstreckt.

Aus Sicht des BUND greift dieser Ansatz aber unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge zu kurz:

Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, viele Berichte und Beobachtungen an Menschen, Tieren und Pflanzen sowie Studien zur Häufigkeit bestimmter Krankheiten, die Elektrosmog als Ursache für gesundheitliche Probleme ausmachen. Eindeutige Beweise sind zwar selten. Dies scheint aber auch kein Zufall zu sein: Geeignete wissenschaftliche Studien, die die vorliegenden Aussagen eindeutig widerlegen oder beweisen könnten, sind Mangelware; sie werden praktisch nicht in Auftrag gegeben.
Aus Sicht des BUND ist es überfällig, hier das Vorsorgeprinzip anzuwenden, z.B. durch Minimierung der Belastung nach dem Grundsatz: so gering, wie es mit vernünftigen Mitteln machbar ist. Hierbei ist insbesondere ein größerer als der zwingend vorgeschriebene Abständen zu schützenswerter Wohnbebauung vorzusehen.

Die Weltgesundheitsorganisation hat die von Handys ausgehende Strahlung als "möglicherweise krebserregend" eingestuft. 31 Krebsforscher aus 14 Ländern hatten eine Woche lang internationale Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Handystrahlungen ausgewertet. Ergebnis der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) Ende Mai in Lyon: Eine Krebserkrankung durch die Nutzung von Handys kann nicht ausgeschlossen werden. Vor allem intensive Nutzer von Mobiltelefonen – dazu gehören Menschen, die seit zehn Jahren ein Handy nutzen und damit 30 Minuten am Tag telefonieren – sind gefährdet. Diese haben ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko, an einem Gehirntumor zu erkranken. Noch immer sei unklar, wie genau Strahlung Krebs auslösen könne, deshalb seien weitere Studien nötig, so die Forscher. Die IARC wies darauf hin, dass es wichtig sei, die Strahlenbelastung zu reduzieren.

Immer wieder liefert die Wissenschaft damit ernsthafte Hinweise nicht nur auf Beschwerden wie Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche, sondern auch auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Krebs (Hirn, Ohrspeicheldrüsen), Hormonstörungen und andere Krankheiten durch elektromagnetische Felder.
Auch die Fallstudien und Leidensgeschichten elektrosensibler Menschen erlauben eindeutige Aussagen. Die zuständigen Politiker, Behörden und Netzbetreiber ignorieren diese Ergebnisse, es bestehe keine Gefahr. Wer von gesundheitlichen Problemen durch Elektrosmog spricht, wird oft als psychisch krank hingestellt, pathologisiert.
Das Credo des offiziellen Strahlenschutzes lautet: Erwärmen elektromagnetische Felder ein Gewebe nicht messbar, schädigen sie es auch nicht. Deswegen gibt es keine Grenzwerte für nicht-thermische Effekte. Dabei gehören funktionsfähige bioelektrische Systeme – angepasst an natürlich auftretende Felder – zu den Grundlagen des Lebens. Technisch erzeugte Felder sind jedoch zigtausendfach intensiver und können natürliche Systeme stören oder schädigen.

Ärzte warnen im Freiburger Ärzteappell 2012 deshalb nachdrücklich vor den Gefahren von Funkstrahlung. Die Rede ist davon, dass sich die Hinweise auf gravierende Risiken weltweit vervielfacht und verdichtet haben. In räumlicher und zeitlicher Nähe zu den Funkbelastungen vor allem durch intensive Handynutzung, DECT-Telefone, W-Lan und nahe Sendeantennen beobachten die Ärzte eine deutliche Zunahme von Symptomen wie Ein- und Durchschlafstörungen, chronische Erschöpfung, Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel, Tinnitus, Blutdruckentgleisungen und Arrhythmien, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Lern- und Verhaltensstörungen, bei Kindern ein immer häufigeres Auftreten von ADHS (vgl. http://freiburger-appell-2012.info/de/home.php)

Der bisher unkritische Umgang mit den möglichen Folgen macht uns zu Versuchskaninchen in einem Langzeitexperiment. Der Standort des Funkmastes innerhalb eines dicht besiedelten Bereiches ist deshalb unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge kritisch zu sehen und einer Überprüfung zu unterziehen.

Zur weiteren Ergänzung verweisen wir auf die Position des BUND e.V. zum verantwortungsvollen Umgang mit Funktechnologien und machen diese zum Bestandteil unserer Stellungnahme (abrufbar unter http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/sonstiges/20081028_sonstiges_funktechnologien_position.pdf)

Hieraus möchten wir besonders hervorheben, dass bei gesamträumlichen Planungen (Bauleitplanung und Stadtentwicklungsplanung) die Immissionen für Anwohner durch die räumliche und zeitliche Organisation der Feldquellen anhand transparenter Daten und in Form öffentlicher Beteiligungen begrenzt werden sollten. Hier bedarf es einer besseren Kommunikation mit den Betroffenen und eines offenen Umgangs mit den berechtigten Ängsten der Betroffenen.

Darüber hinaus ist der geplante Standort auch unter dem Gesichtspunkt der Verschandelung des Stadtbildes problematisch, da das bewusst technisch geplante Bauwerk zu einem markanten Blickfang wird, der nicht umgebungstypisch ist.

Die Stadt Leipzig wird abschließend aufgefordert, in ihrer Abwägungsentscheidung auch die mit der Planung für die Nachbargrundstücke voraussichtlich verbundenen Wertminderungen angemessen zu berücksichtigen.

Wir bitten höflich um Unterrichtung über Abschluss und Ergebnis des Verfahrens.

Mit freundlichen Grüßen

 

Franziska Heß

Stv. Landesvorsitzende

 

 




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