BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


7. September 2012

RG Leipzig: Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Bereinigung des Rechts des Naturschutzes

Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Bereinigung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, Artikel 1 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege im Freistaat Sachsen (Sächsisches Naturschutzgesetz – SächsNatSchG)

Hier: § 19 „Geschützte Landschaftsbestandteile“

§ 19 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfs zum Sächsischen Naturschutzgesetz (in Anlehnung an § 29 Bundesnaturschutzgesetz) ermächtigt die sächsischen Gemeinden, per kommunaler Satzung bestimmte Teile von Natur und Landschaft als geschützte Landschaftsbestandteile festzusetzen.

§ 19 Abs. 2 nimmt jedoch , abweichend vom Bundesnaturschutzgesetz, bestimmte Gehölze von dieser Regelung explizit aus:

1. Bäume und Sträucher auf Deichen, Deichschutzstreifen, an Talsperren, Wasserspeichern und Rückhaltebecken sowie Bäume im Wald,
2. Bäume und Hecken im Sinne von § 1 Abs. 1 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG)
3. Bäume mit einem Stammumfang von bis zu einem Meter, gemessen in einer Stammhöhe von einem Meter, sowie Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Baumweiden und abgestorbene Bäume auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken.

§ 19 Abs. 3 sieht vor, dass über den Antrag auf Beseitigung oder Veränderung eines geschützten Landschaftsbestandteiles die Behörde innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Antrages zu entscheiden hat. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist unter Angabe von Gründen abgelehnt wird. Das Genehmigungsverfahren ist kostenfrei.

Die Regelung des Absatzes 2 bewirkt im Wesentlichen, dass die genannten Gehölze per Gesetz nicht mehr unter den Geltungsbereich kommunaler Gehölzschutzsatzung fallen. Somit ist es Kommunen nicht möglich, Schutzmaßnahmen zu ergreifen bzw. bei Fällungen Ersatzpflanzungen anzuordnen.

Der BUND, Regionalgruppe Leipzig, lehnt die Regelungen des § 19, Absatz 2, Pkt. 2+3, sowie Absatz 3 in der vorliegenden Fassung ab.

Begründung:

Die geplanten Regelungen führen zu einem erheblichen Rückgang der Baumbestände in Sachsens Städten und Gemeinden mit schädlichen Auswirkungen auf Natur, Artenvielfalt, Erholung, Lärmschutz, Luftqualität und Klima. Die Kommunen sind aus eigenen Mitteln nicht in der Lage, die Baumverluste durch Ersatzpflanzungen ausreichend zu kompensieren. In der Folge sinkt die Lebensqualität, gleichzeitig steigen Gesundheitsrisiken durch Abgase und Feinstaub.
Mit dem vorliegenden Gesetz wird das kurzfristige Interesse von Grundstückseignern über die schützenswerten Interessen der Allgemeinheit gestellt.

Die drastische Reduzierung der Ersatzpflanzungen in Anzahl und Qualität ist angesichts der enormen ökologischen Bedeutung des Stadtgrüns für den kommunalen Klimaschutz aber auch für die Vorsorge vor bzw. die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie der gleichzeitig sinkenden Lebenserwartung junger Bäume zu überdenken und an dem tatsächlichen Ausgleich des Wirkungsverlustes durch die Fällung zu orientieren.

Im Einzelnen:

Zu § 19 (2) Punkt 2: Bäume und Hecken im Sinne von § 1 Abs. 1 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG)

Zahlreiche Lebensräume, wie Höhlenbäume, die als Wohn-, Nist-, Brut-, Zuflucht bzw.Lebensstätte für seltene und geschützte Arten dienen, gingen ersatzlos verloren. Auch historisch gewachsene Großbaumansammlungen könnten ersatzlos gefällt werden. (Häufig zur Umgehung der Herbstlaubbeseitigung und Schattenvermeidung auf Anbauflächen vom Pächter oder Besitzer gewünscht.). Dies hätte negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt, da streng geschützte Arten (wie z.B. Kleinabendsegler, Eremit, Mopsfledermaus) die Bäume als Lebensraum nutzen und vom Laien kaum erkannt werden können. Eine Beseitigung dieser Lebensräume verstieße gegen §44 BNatSchG.
Die genaue rechtliche Kleingartendefinition weicht von der Wahrnehmung der Bevölkerung deutlich ab. So sind z.B. Bauerngärten und Grabeland keine Kleingärten i.S. des BKleingG).

Zu § 19 (2) Punkt 3: Bäume mit einem Stammumfang von bis zu einem Meter sowie Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Baumweiden und abgestorbene Bäume auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken

Verschiedene geschützte und /oder seltene Gehölzarten erreichen artenspezifisch den Stammumfang von einem Meter nicht (z.B. Weißdorn) oder nur selten und nach sehr langer Wuchszeit (z.B. Feldahorn nach 25-30 Jahren). Viele dieser Gehölze stehen unter direktem Artenschutz. Eine Fällung würde gegen die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) verstoßen. (z. B. bei besonders geschützten Arten wie Wilde Weinrebe, Sumpf-Porst, Arten der roten Liste wie Elsbeere, zahlreiche Wildrosenarten etc.). Letztlich würden seltene Baumarten immer weiter im Bestand zurück gehen.

Das unkontrollierte Fällen von Obstbäumen hätte weitreichende Konsequenzen für wichtige Lebensräume wie Höhlenbäume, Streuobstwiesen oder Totholz. Streng geschützte und extrem seltene Tierarten verlieren ihren Lebensraum. Dies würde eine Zerstörung von Lebensstätten und Biotopen nach § 26 SächsNatSchG darstellen. Für den Bürger droht die Gefahr, durch Baumfällungen an Bäumen mit einem Stammumfang von unter einem Meter oder alten Obstbäumen gegen Arten- und Biotopschutzgesetze zu verstoßen.

Bestimmte Nadelgehölze sind besonders gefährdet bzw. geschützt (z.B. Weißtanne und die Eibe). Baumarten unterliegen teilweise dem Schutz des § 26 SächsNatSchG als Wälder und Gebüsche trockenwarmer Standorte. Es kann ein geschütztes Biotop vorliegen (z.B. mitteleuropäischer Flechten-Kiefernwald). Wenn Bürger Fällung in geschützten Gebieten vornehmen verstoßen sie gegen Naturschutzgesetze.

Die Schwarzpappel ist unmittelbar vom Aussterben bedroht. Sie ist nur von Fachleuten von anderen Pappelarten unterscheidbar. Sie ist Bestandteil der geschützten Weichholzaue. Die Beschädigung und Fällung von Bäumen in der Weichholzaue wäre ein Verstoß gegen § 26 SächsNatSchG (Biotopschutz). Zudem ist ein Lebensstättenverlust geschützter Arten möglich.

Birken sind Bestandteil von Mooren und Pionierwaldstadien und seltenen Biotopen, die dem Biotopschutz nach § 26 SächsNatSchG unterliegen. Ihre Reduzierung würde zu einem Rückgang der Vielfalt charakteristischer Arten führen (z.B. Rauhfußkauz). In FFH Gebieten genießen sie höchsten Schutzstatus.

Baumweiden sind Bestandteil geschützter Weichholzauen (z.B. Bruchweide, Silberweide). Im Jahresverlauf sind sie oft die ersten und einzigen Bienenweiden in Städten und Gemeinden. Die Fällung von Baumweiden führt zum Rückgang der Artenvielfalt (Weidenmeise, Beutelmeise, Eisvogel) sowie zum weiteren Rückgang der Bienenpopulation. In FFH-Gebieten genießen sie höchsten Schutzstatus.

Hohe Rechtsunsicherheit
Die Praxis der letzten Jahre hat bewiesen, das es bei den Bürgern eine hohe Unsicherheit über die weiterhin geschützten Gehölze und Landschaftsbereiche gibt. Die Kategorie „bebautes Grundstück“ setzt andere bestehende Gesetze nicht außer Kraft. Insbesondere sind Verstöße zu befürchten gegen: BNatSchG und SächsNatSchG – Regelungen zu Biotopen BArtSchV FFH-RL, VogelSchRL Kommunale Baumschutzregelungen § 35 BauGB für Grundstücke im Außenbereich In der Folge wäre die Zahl der Verstöße und Verhängung von Bußgeldern hoch. Ganz abgesehen von dem enormen Schaden an der Natur. Liefe die Fällung behördlich begleitet im Rahmen einer Baumschutzsatzung, wären Beratungen sicher gestellt.

Zu § 19 (3): Drei Wochen Frist für die Entscheidung einer Behörde über einen Fällantrag

Wie zuvor erwähnt, ist von einem hohen Anstieg von Verstößen gegen geltende Naturschutzgesetze und kommunale Baumschutzsatzungen auszugehen aus Gründen der Rechtsunsicherheit und Unwissenheit bei den Bürgern. Verschärft würde dieses Problem durch die viel zu kurze und aus unserer Sicht willkürlich gesetzte Bearbeitungsfrist von 3 Wochen für Fällanträge. Wenn die Behörde nach Ablauf der Frist keinen Bescheid erteilt hat, darf der Antragsteller von einer „fiktiven Genehmigung“ ausgehen und auch ohne Bescheid fällen.
Die Folge: auch unter Schutz stehende Gehölze werden in großer Zahl und ersatzlos zerstört.

Nach bisheriger Kenntnis gehen wir davon aus, dass eine wirksame Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zum Gehölzschutz sowie eine fristgemäße Bearbeitung aller eingehenden Fällanträge durch kommunale Behörden auf Grund fehlender personeller Kapazitäten nicht möglich ist.

Katastrophale Auswirkungen des „Baum-ab-Gesetzes“ in den letzten zwei Jahren

Unsere Stellungnahme basiert u.A. auf den Erfahrungen der letzten zwei Jahre. Seit dem 23.09.2010 gilt in Sachsen das „Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechts“ (auch Baum-ab-Gesetz“ genannt) welches in § 22 Abs. (2) und (3a) im Wesentlichen die gleichen Regelungen beinhaltet wie der vorliegende Gesetzentwurf.

Am Beispiel der Stadt Leipzig zeigen sich bereits deutlich die verheerenden Folgen dieses Gesetzes. Die zunehmende Entgrünung ist im Stadtbild nicht mehr zu übersehen.

Auf Grund fehlenden Personals und fehlender rechtlicher Ermächtigung ist eine quantitative Erfassung der nicht mehr geschützten Gehölze durch die Kommune nicht möglich. Die Leipziger Stadtverwaltung geht jedoch infolge zahlreicher Bürgerhinweise sowie Wahrnehmungen von Mitarbeitern davon aus, dass in den Wintern 2010/2011 und 2011/2012 Gehölze in Größenordnungen beseitigt wurden. Insbesondere Nadelgehölze, Birken, Pappeln und Baumweiden sowie zahlreiche Jungbäume.

Nach Aussage des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig hat die Reduzierung des Gehölzbestands inzwischen ein erhebliches Ausmaß angenommen. Lag der Schwerpunkt 2010/2011 noch auf privaten Einzelgrundstücken mit Ein- und Zweifamilienhäusern, wurden im Herbst/Winter 2011/12 umfangreiche Eingriffe in Gehölzbestände auch in Großsiedlungen mit Geschosswohnbau und auf Grundstücken mit Mehrfamilienhäusern bekannt. Die Eingriffe auf den Eigenheimgrundstücken wurden mit gleicher Intensität fortgesetzt.

Die Anzahl der Verstöße gegen die Leipziger Baumschutzsatzung ist sprunghaft gestiegen. Lag die Zunahme 2010/2011 noch bei ca. 30% im Vergleich zur Saison 2009/2010, kann derzeit von einem Anstieg um das Doppelte ausgeganen werden. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weitaus höher liegen.

Der BUND Leipzig fordert aus den genannten Gründen einen verstärkten gesetzlichen Baumschutz in Sachsen! Der vorliegende Gesetzentwurf bezweckt jedoch das genaue Gegenteil.

Bitte beteiligen Sie uns am weiteren Verfahren und senden Sie uns das Abwägungsprotokoll nach § 57 SächsNatSchG zu.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Elke Thiess
BUND Regionalgruppe Leipzig


Quelle: http://archiv.bund-sachsen.de/media/stellungnahmen/rg_stellungnahmen/detail/browse/12/artikel/rg-leipzig-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-zur-bereinigung-des-rechts-des-naturschutzes/