19. Oktober 2012
RG Westlausitz: Bebauungsplan „Radeberger Fleisch- und Wurstwaren Korch GmbH“
Unser Verband bedankt sich für die Einräumung des Mitspracherechtes bei diesem Vorhaben. Der Gesunde Zukunft | BUND Sachsen e. V. RG Westlausitz ist vom BUND Landesverband Sachsen bevollmächtigt, zu den Unterlagen Stellung zu nehmen.
Der Gesunde Zukunft | BUND Sachsen e. V. RG Westlausitz stimmt dem Entwurf des B-Plans Nr. 53 „Radeberger Fleisch- und Wurstwaren Korch GmbH“ nicht zu. Wesentliche Gründe unserer Ablehnung basieren unseres Erachtens auf den zu erwartenden Grenzwertüber-schreitungen durch Lärm und die fehlende/fehlerhafte Bewertung der klimatischen Auswirkungen des B-Plans bzw. seiner Umsetzung.
zu a) Schalltechnische Untersuchung zur Geräuschkontingentierung für den B-Plan Nr. 53 vom 20.12.2000 und B-Plan Nr. 53
Kap. 5: Vorschlag für Festsetzungen im B-Plan Nr. 53 - S. 9
Anmerkung: „Es ist ein Wall als Lärmschutzmaßnahme entlang der östlichen Grundstücksgrenze erfor-derlich.“ Dieser Wall ist in der Anlage 1 mit einer Höhe von 7 m über dem Planum angegeben wor-den. Das Planum liegt im Bereich des Erdwalls an der südöstlichen Ecke des Plangebietes ca. 5-6 m tiefer als die südöstlich angrenzende Wohnbebauung. Das heißt, dass der Erdwall effektiv ca. 1-2 m über die angrenzende Erdoberfläche hinausragt. Die angrenzende Wohnbebauung verfügt aber in der Regel über zwei Stockwerke. Im 2. Stockwerk befinden sich Fenster, die alle mehr als zwei Meter über der Erdoberfläche liegen. Diese Fensteröffnungen sind daher nach derzeitigem Planungsstand einer unmittelbaren Schalleinwirkung durch die geplante Bebauung bzw. betriebs-bedingten Geräuschemissionen ausgesetzt. Somit käme es voraussichtlich zu einer Grenzwert-überschreitung durch Geräuschimmissionen.
Forderung: Wir fordern, dass im B-Plan und der anschließenden Umsetzung sichergesetellt wird, dass eine solche Lärmgrenzwertüberschreitung für die angrenzende Wohnbebauung nicht eintreten kann. Dazu sollte genau geprüft werden, welche Wohnbebauung/welche Fenster auch mit dem bisher vorgesehenen Lärmschutzwall unmittelbar lärmexponiert sind. Für alle diese Gebäude bzw. Fenster fordern wir eine Erhöhung der Lärmschutzmaßnahmen bis auf eine Höhe, die sicherstellt, dass keine unmittelbare Lärmeinwirkung für die südöstlich angrenzende Wohnbebauung eintreten kann. Das würde vermutlich eine Erhöhung der stationären Lärmschutzmaßnahme um mindestens 2 m bedeuten. Dementsprechend fordern wir eine Anpassung der B-Plan-Festsetzung zum Lärm-schutzwall, der auch als Mauer ausgeführt werden kann.
Ergänzend fordern wir die Aufnahme von Monitoringmaßnahmen zur tatsächlichen Lärmentwicklung nach Umsetzung des Plans in den Umweltbericht bzw. direkt in den Bebauungsplan. Diese sollten Lärmmessungen und die turnusmäßige Befragung der Anwohner, sowie die Einrichtung eines „Be-schwerdetelefons“ für Lärm beinhalten. So kann sichergestellt werden, dass unvorhergesehene negative Lärmeinwirkungen frühzeitig erkannt werden, und die Gemeinde rechtzeitig in der Lage ist, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
zu b) B-Plan Nr. 53 – Umweltbericht
Kap. 2.2.1.5: Schutzgut Luft und Klima - S. 12
Anmerkung: Es wird konstatiert, dass keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen auf Klima und Luft zu erwarten sind. Diese Bewertung ist falsch. Tatsächlich sind nach geltenden rechtlichen Regelungen und Rechtsauslegung sowie aufgrund der bestehenden Belastungssituation und nach fachlichen Standards die erhelichen negativen Auswirkungen auf das globale Klima zu bilanzieren und zu kompensieren. Es treten sowohl anlage-, baubedingte und betriebsbedingte klimawirksame Emissionen auf, die bei diesem Gewerbegebiet und der geplanten Dimension der Erweiterung als erheblich negativ einzustufen sind (ausführliche Begründung siehe nachfolgend).
Ausführliche Begründung: Entsprechend „Würtenberger, Thomas (2009): Der Klimawandel in den Um-weltprüfungen. In: Zeitschrift für Umweltrecht, S. 171-178:
„Der Projektträger muss Angaben vorlegen »zur Feststellung und Beurteilung der Hauptwirkungen, die das Projekt voraussichtlich für die Umwelt haben wird«. Zu berücksichtigen sind der »allgemeine Kenntnisstand« und »allgemein anerkannte Prüfungsmethoden«. Ähnlich soll in der Literatur das Kriterium der »Entscheidungserheblichkeit« als Grenze dienen. Auch nach der UVPVwV sind Gegenstand der Ermittlung und Beschreibung im Rahmen der Umweltprüfungen »alle ent-scheidungserheblichen Umweltauswirkungen, die insbesondere durch die Errichtung oder den be-stimmungsgemäßen Betrieb einer Anlage oder eines sonstigen Vorhabens, ferner durch Betriebs-störungen oder durch Stör- oder Unfälle verursacht werden können«.
Offen bleibt aber, wann Umweltauswirkungen »(entscheidungs-) erheblich« oder »Hauptwirkungen« sind. Die Antwort darauf gibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach sind die Um-weltauswirkungen, die im Einzelfall zu prüfen sind, vor dem Hintergrund der zu erwartenden Um-weltfolgen zu verstehen. Je größer das Ausmaß möglicher Gefahren ist und je nachhaltiger und schwerwiegender die Umweltfolgen sind, desto geringer sind die Anforderungen an die konkreten Umweltauswirkungen eines Projekts.
Der Klimawandel stellt vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgrund seiner Exis-tenz bedrohenden Folgen in der Regel eine entscheidungserhebliche »Umweltauswirkung« i.S.d. UVPG dar. Das kann selbst dann gelten, wenn ein einzelnes Vorhaben nur zu einem geringen Bruchteil zu den jährlichen weltweiten THG-Emissionen beiträgt. Die zu erwartenden katastropha-len Umweltfolgen des Klimawandels, die der Weltklimarat der Vereinten Nationen in seinem vierten Wissensstandbericht ausführlich beschreibt, verbieten es, den Klimawandel zu vernachlässi-gen. Eine Berücksichtigung von THG-Emissionen in den Umweltprüfungen ist den Vorhabenträ-gern und den zuständigen Behörden [S. 174] […] grundsätzlich auch zumutbar. Der Zeit- und Kos-tenaufwand ist überschaubar. Vorhabenträger müssen nur die eigenen Emissionen ermitteln. Die kumulativen Auswirkungen steigender THG-Emissionen und des Klimawandels sind ausführlich dokumentiert in zahlreichen Fachstudien, zum Beispiel den Wissensstandberichten des Weltklima-rats. Vorhabenträger berechnen z.B. schon heute den Energiebedarf oder das zusätzliche Ver-kehrsaufkommen eines neuen Projekts. Daraus lassen sich die THG-Emissionen ableiten. Re-chenmodelle können anhand des Energieverbrauchs die zu erwartenden THG-Emissionen einzel-ner Handlungen kalkulieren. Ein unverhältnismäßiger Mehraufwand wird daher in der Regel nicht verursacht. [S. 175]
Die Bewertung der Umweltauswirkungen i.S.d. § 12, 1. Hs. UVPG stellt einen Verfahrensschritt der Umweltprüfungen dar. Sie ist in den nachfolgenden Fachentscheidungen zu berücksichtigen. Ein ausdrücklicher materieller Bewertungsmaßstab fehlt in den europäischen Richtlinien und dem UVPG. […]. Materielle Bewertungsmaßstäbe liefert also das jeweilige Fachrecht, das den Schutz der genannten Umweltgüter bezweckt. [S. 175] Allerdings existiert kein (technischer) Maßstab für THG-Emissionen, z. B. in Form untergesetzlicher konkretisierender Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften oder antizipierter Sachverständigengutachten. Die neuen »Klima-schutzgeneralklauseln« sind daher schwer auf den Einzelfall anwendbar.
Die Raumordnung und die Bauleitplanung tragen aber nur bedingt zum Klimaschutz bei. Pla-nungsentscheidungen spielen allenfalls bei der Wahl des Standorts von klimaschädlichen und -schützenden Anlagen eine, allerdings oft nicht zu unterschätzende, Rolle. [S. 177]
Solange sich der »Klimaschutz« nicht, z. B. durch raumbedeutsame THG-Emissionswerte, konkre-tisieren lässt, bleibt es bei der untergeordneten Rolle der Raumordnung und der Bauleitplanung: Der »Klimaschutz« ist ein weitgehend unbestimmter und konturloser Rechtsbegriff im Planungs-recht, der den erwarteten Folgen nicht gerecht wird. [S. 178]
THG-Emissionen bzw. der Klimawandel alleine können wohl nicht zu der Unzulässigkeit eines Vorhabens führen. Dazu ist der »Klimawandel« als Rechtsbegriff nicht hinreichend konkretisiert. Er kann aber im Einzelfall dazu führen, dass ein Vorhaben nur modifiziert zugelassen wird. [S. 178]
Zusammenfassung:
Der Klimawandel stellt eine entscheidungserhebliche »Umweltauswirkung« i.S.d. UVPG dar, obwohl die Auswirkungen eines einzelnen Vorhabens, einer Planungsentscheidung oder eines Programms auf ihn nur gering sind. Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist, desto geringer sind die Anforderungen an den Grad der jeweiligen Umweltauswirkungen. Die zu erwartenden schwer-wiegenden und Existenz bedrohenden Umweltfolgen des Klimawandels gebieten daher eine Be-wertung in den Umweltprüfungen und eine Berücksichtigung in den Fachentscheidungen. Der Rechtsanwender steht aber vor dem Problem, dass ein (technischer) Maßstab, z.B. in Form von Emissionswerten für THG-Emissionen, nicht existiert. Der »Klimaschutz« und seine Ausprägungen in den Fachgesetzen bleiben weitgehend unbestimmte und [S. 178] konturlose Rechtsbegriffe, die im Rahmen von Projektzulassungen auf den Einzelfall anzuwenden sind oder im Rahmen der Plä-ne und Programme den jeweiligen Zielen und öffentlichen und privaten Belangen gegenüberzustellen sind. [S. 179]“
Ergänzende Begründung: Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. Juli 2011 fasst § 1 Abs. 5 Satz 2 wie folgt: „Sie [die Bauleitpläne] sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natür-lichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaan-passung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.“
§ 1a wird folgender Absatz 5 angefügt: „Den Erfordernissen des Klimaschutzes soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. Der Grundsatz nach Satz 1 ist in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen.“
Forderung: Wir fordern deshalb, eine fachlich qualifizierte Bilanzierung der klimatischen Auswirkungen des B-Plans und eine angemessene Kompensation der negativen Auswirkungen. Andernfalls läge ein Planungsmangel vor, der zur Folge hätte, dass die Abwägung vermutlich fehlerhaft wäre, u. a. da nicht alle abwägungserhebliche Belange eingestellt werden (können)/nicht vorliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Gesunde Zukunft | BUND Sachsen e. V.
Lars Stratmann