8. Mai 2010
RG Leipzig: Bebauungsplan Westufer Kulkwitzer See
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die BUND Regionalgruppe lehnt den hier vorgelegten Bebauungsplan Westufer Kulkwitzer See grundsätzlich ab.
Laut Regionalplan von 2008 ist am Westufer ein Regionaler Grünzug vorgesehen. Im Umweltbericht, der im Auftrag der Stadtverwaltung Markranstädt erstellt worden ist, heißt es dazu auf Seite 15: „Der Regionalplan Westsachsen gibt vor, dass im Bebauungsplan Flächen des regionalen Grünzuges von Wohn- und Gewerbenutzung bzw. Ferien- oder Wochenendhausbebauung freizuhalten sind.“ Da der B-Plan-Entwurf auf laut Regionalplan ausgewiesenen Gebiet des Grünzuges ein allgemeines Wohngebiet vorsieht verletzt der B-Plan übergeordnete Planfestsetzungen und ist daher rechtswidrig.
Der Regionalplan fordert, das Gebiet regional abgestimmt zu entwickeln, um dem weiteren Verbrauch ökologisch notwendiger Freiräume und der zunehmenden Isolierung der Lebensräume gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wirksam zu begegnen. Diese Abstimmung hat nicht statt gefunden. Das Ostufer des Sees grenzt an den am dichtesten Besiedelten Leipziger Stadtteil Grünau und wird sowohl durch Naherholung als auch durch Ferntourismus stark genutzt. Auch auf der Leipziger Seite gibt es einen Entwurf für einen B-Plan, der soweit bisher bekannt, den Nutzungsdruck zu Lasten der Natur erheblich steigern würde. Das wirkt sich sowohl auf die Wasserqualität des Sees als auch auf die Qualität der Natur und die Attraktivität als Erholungsgebiet negativ aus. Eine Betrachtung dieser Situation am Leipziger Ufer und deren Auswirkungen auf das Markranstädter Ufer hat bei der Erstellung des B-Planes nicht statt gefunden. Von einer abgestimmten Regionalentwicklung kann keine Rede sein.
Die Wasserqualität des Kulkwitzer Sees in den letzten Jahren verschlechtert. Das trifft vor allem auf das Nordbecken zu, zu dem das vorgesehene Baugebiet gehören würde. Festgemacht werden kann diese negative Entwicklung vor allem an folgenden Indikatoren:
Verringerung der durchschnittlichen Sichttiefe. Im Nordbecken von einst ca. 12 bis 15 m auf aktuell 5 bis 7 m.
Rückgang von Klarwasser anzeigenden Unterwasserpflanzenarten.
Ausbreitung von hohe Nährstoffgehalte anzeigenden Arten
Aufstieg der Bakterienrasen, die sauerstoffarmes bzw. –freies Wasser anzeigen nach oben
Da der begrenzende Faktor für das Pflanzenwachstum und damit für den Anfall von sauerstoffzehrender sich zersetzender Biomasse am Seeboden Phosphate sind kommen folgende Ursachen in Frage:
Badebetrieb. Ein erheblicher Teil der Badenden benutzt den See als Toilette. Des weiteren werden beim Baden Kosmetika und Sonnenschutzmittel vom Körper abgewaschen und gelangen ins Wasser. Aufgrund der vielen Badegäste ist die Aussage im Umweltbericht S. 46: „ Der Phosphateintrag über . . . Badegäste bleibt in vernachlässigbarem Maße.“ Grob falsch und zeugt nur von einem plumpen Versuch des Autors, die unbestreitbaren Fakten so zurecht zu biegen, dass der Plan genehmigt werden kann.
Eintrag von mit Düngemitteln angereichertem Grundwasser von den in der Nähe befindlichen Feldern, besonders denen längs der Straße von Markranstädt nach Leipzig.
Eintrag von verschmutztem Regenwasser durch Markranstädt (siehe dazu B-Planbegründung S. 23, zu der dort genannten Einleitung kommt noch mindestens eine weitere durch einen Überlauf von Regenwasserrückhaltebecken in Richtung See). Eine Rückfrage beim Landratsamt ergab übrigens, dass diese Einleitungen untersagt wurden und daher illegal erfolgen. Diese Einleitung soll auch nach der Bebauung fortgesetzt werden, nach einer „Vorklärung“ (B-Planbegründung S. 24)
Fütterung von Wasservögeln. Durch ungefütterte Wasservögel, die auf die Biomasse im See und an dessen Ufer als Futter angewiesen sind erfolgt kein Schadstoffeintrag.
Durch die vorgesehene Bebauung würde der Nutzungsdruck durch Menschen steigen und damit verbunden der Eintrag von Schadstoffen. Dazu kommt, dass der Boden nur wenig Wasser versickern lässt und damit bei Starkregen ein großer Teil des Oberflächenwassers von den Privatgrundstücken in Ufernähe zum See abfließt. Da in vielen Gärten der Verbrauch von Düngemitteln, Pestiziden und Herbiziden extrem hoch ist, dürften von diesen Privatgrundstücken künftig erhebliche Mengen an Schadstoffen und Dünger in den See gelangen. Das vorgesehene Baugebiet dürfte damit die Belastung des Sees, die schon jetzt zu hoch ist, weiter steigern.
Der größte Teil der zur Bebauung vorgesehenen Flächen ist extensiv gepflegtes Grünland, das seit Jahren weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt worden ist. Lediglich die nachwachsenden Pflanzen wurden regelmäßig entfernt. Auf dieser trocknen, nährstoffarmen Fläche haben sich zahlreiche zum Teil streng geschützte Offenlandarten angesiedelt. Diese Arten sind, wenn auch leider ziemlich unvollständig, im Umweltbericht S. 29 bis 31, aufgezählt worden. In der Begründung des B-Planes heißt es übrigens auf S. 12, dazu, dass auf dem zu bebauenden Gebiet keine wertvollen Biotope existierten. Interessanter Weise wurde von dem Agrarbetrieb der diese Flächen als Pächter bisher extensiv gepflegt hat, das Gebiet, das zur Bebauung vorgesehen ist, im Herbst 2009 während heftiger Proteste zahlreicher Bürger, die die Bebauung ablehnen, mit einem Schälpflug umgebrochen. Diese flache Schälen wurde im zeitigen Frühjahr wiederholt, als Bodenbrüter (u.a. Brachpieper, Wiesenpieper und Feldlerche) nach dem Winter wieder auftauchten und in verbliebenen Grasinseln zu brüten begannen. Dabei wurden auch Nester und Eier zerstört. Das ist durch Fotos von Anwohnern belegt. Darauf erfolgte eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz, dass die Zerstörung von Lebensräumen und Nistplätzen geschützter Arten ohne vernünftigem Grund unter Strafe stellt. Als Reaktion säte der Agrarbetrieb Mais aus. Mais benötigt allerdings tiefgründig gepflügten Boden, sehr viel Wasser und sehr hohen Einsatz von Dünger und Pestiziden um gute Erträge zu bringen. Der Boden der zum Bauen vorgesehenen Wiese ist damit zum Maisanbau ungeeignet: Er ist auch in normalen Jahren viel zu trocken: in Ufernähe sinkt der Grundwasserspiegel auf das Niveau des Sees, zu tief, um von den Maiswurzeln erreicht werden zu können, zumal der Unterboden kaum wasserdurchlässig und so fest ist, dass Maiswurzeln ihn nicht durchdringen können. Tiefgründig gepflügt wurde der Boden auch nicht. Da es sich um einen erfahrenen Agrarbetrieb handelt, dem das alles bekannt ist, haben wir den Verdacht, dass der wirtschaftlich unsinnige Maisanbau zum Ziel hat, das Bundesnaturschutzgesetz zu unterlaufen und Fakten, die einen naturschutzfachlichen Einspruch gegen den B-Plan begründen könnten vorab aus der Welt zu schaffen.
Im Umweltbericht heißt es: „Insbesondere Offenlandarten dürften durch die Baumaßnahmen und dem damit verbundenen Lebensraumverlust zeitweise beeinträchtigt werden, unter ihnen auch besonders und streng geschützte Arten.“ (S.44) An anderer Stelle heißt es: „Die Verbundfunktion kann durch Anlage von Solitären gewahrt bleiben.“ (S.26) Dazu ist zu sagen; das bebaute Offenland wird nicht nur zeitweise sondern für immer für die jetzt dort lebenden Offenlandarten unbewohnbar. Intensiv gepflegte Gärten sind ein völlig anderer Lebensraum als extensiv gepflegte Wiesen. Bedrohte Bodenbrüterarten, die jetzt im Gebiet vorkommen nisten nicht auf englischem Rasen in Hausgärten. Diese Offenlandgebiete sind durch „Solitäre“ nicht zu ersetzen.
Überhaupt nicht analysiert wurde im Umweltbericht die Rolle des Grünzuges, der durch die Bebauung zerstört werden würde, für den Biotopverbund. In der Begründung des B-Planes wird dem zu bebauenden Gebiet abwertend „lediglich Verbundfunktion“ (S. 13) zugewiesen. Den Autoren ist anscheinend völlig entgangen, dass diese Verbundfunktion für viele Arten in unserer Region überlebenswichtig ist. Kleine Populationen in isolierten Restbiotopen können nur überleben, wenn sie über solche Biotopverbünde regelmäßig in Austausch treten können. Dem Erhalt und dem Ausbau solcher Biotopverbünde wird daher in der nationalen Strategie der Bundesregierung zur Erhaltung der Biodiversität ein sehr hoher Stellenwert zugewiesen. Der Kulkwitzer See ist ein wichtiger Knotenpunkt in den Grünzügen, die das Schutzgebiet Kulkwitzer Lachen mit dem Auwald, dem Elster-Saale-Kanal und den Schönauer Lachen verbinden.
Werden die Grünzüge am See verbaut, unterbrochen und zerstört, wie das auf Leipziger Seite bereits geschehen ist, werden Tieren (und mit ihnen auf Pflanzen) wichtige Wanderwege genommen. Damit steigt das Risiko, dass kleine Populationen geschützter Arten an den Kulkwitzer Lachen erlöschen, weil der nötige Genaustausch nicht mehr gewährleistet ist. Die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen im Südosten von Großlehna (S. 63) sind nicht geeignet, die Naturschäden durch die Bebauung am See zu kompensieren: Sie können den verlorenen Biotopverbund nicht ersetzen und die geplante Bepflanzung von Ruderalflächen mit Gehölzen würde auch den Offenlandarten nicht helfen. Im Gegenteil es ginge sogar weiterer Lebensraum für Offenlandarten verloren.
Es ist auch zu erwarten, dass die Naturzerstörung die jetzt Markranstädt in Nachfolge schon erfolgter Zerstörung auf der Leipziger Seite plant, dazu führt, dass der Kulkwitzer See im Vergleich zu den anderen Seen um Leipzig an Attraktivität verliert und damit auch an Gästen und mittelfristig die Umgebung an Einwohnern. Die Bebauung des Offenlandes am Westufer bis nahe an das Ufer würde streng geschützten Offenlandarten den Lebensraum entziehen, den Biotopverbund zwischen wichtigen Schutzgebieten unterbrechen und zu einer noch stärkeren Belastung des Wassers im See führen. Der B-Plan wird grundlegenden Forderungen nach einer abgestimmten Regionalentwicklung nicht gerecht und verletzt obendrein noch den übergeordneten Regionalplan.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Kellermann
BUND Regionalgruppe Leipzig