3. Mai 2017
Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren „Herstellung einer Hochwasserschutzlinie in Radebeul – Altkötzschenbroda, M 69/70“
Ihr Zeichen:
C46_DD-0522/325/30
Stellungnahme des Bund für Umwelt und Naturschutz – Landesverband Sachsen e.V. (BUND) – Gruppe Radebeul
Sehr geehrter Herr Biniok,
wir bedanken uns für die Bereitstellung der Planungsunterlagen. Anbei unsere Stellungnahmen zu oben genannten Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Heyduck
Vorsitzende Radebeul
B.U.N.D. e.V.
Bauwerkshöhe
Die gegenüber der ursprünglichen Planung deutlich reduzierte Freibordhöhe begrüßen wir ausdrücklich.
Angaben zur Höhe des Bauwerks über derzeitiger Geländeoberfläche scheinen zu fehlen. Absolute Angaben in m ü. NHN sind nicht geeignet, die tatsächliche Höhe des Bauwerks in Bezug auf die real vorhandene Landschaft zu setzen. Es gibt lediglich Hinweise wie:
„Die maximal sichtbare senkrechte Fläche … wasserseitig ca. 2,5 m.“ (LBP S. 18) Dabei ist aber zu bedenken, dass unterhalb der sichtbaren senkrechten Fläche sich noch die durchaus ebenfalls sichtbare, begrünte Anböschung befindet, über deren Höhe keine Aussage gemacht wird.
„Der Betriebs- und Unterhaltungsweg … maximal bis zu 1,45 m über das Niveau des Urgeländes … generell bei 1,20 m unter Konstruktionsoberkante“ (LBP S. 18). Hier ist also von einer Gesamthöhe von 2,65 m auszugehen.
Da bei der vorangegangenen Planung teils Höhen bis zu 5 m erreicht worden waren, liegen diese nach Absenkung des Freibordes wohl immer noch bei über 4 m! Eine Kaschierung durch vorgelagerte Böschung ändert an dieser Tatsache nichts. Es handelt sich insofern um einen ganz erheblichen Eingriff in das Landschasftbild.
Alternativen
Leider wurde in den vergangenen sieben Jahren weiterhin versäumt, Alternativen (Unterstützung privater Schutzmaßnahmen für den Überschwemmungsfall wie z. B. bauliche Anpassung von Wohnhäusern, Bildung von staatlichen Rücklagen für die Unterstützung Betroffener im Schadensfall) zum baulichen Hochwasserschutz in die politischen Entscheidungsgremien einzubringen.
In einem landschaftsästhetisch und ökologisch sensiblen Bereich wie dem Ortsrand Altkötzschenbroda kann eine meterhohe Mauer nicht die einzig mögliche und kostengünstigste Variante sein, nur weil die LTV für andersgeartete Maßnahmen nicht zuständig ist.
Grundwasser
Unklar bleibt, ob die Durchlässigkeit der Spundwandgründungen ausreichend sein wird, eine Stauung des Schichtenwassers zu verhindern. Da ein wesentlicher Anteil der Hochwasserschäden durch aufsteigendes Grundwasser verursacht wird, ist diesem Faktor eine größere Beachtung zu schenken. Bei zukünftigen Hochwasserereignissen (auch weit unterhalb von HQ100) wird es voraussichtlich dazu kommen, dass durch angestautes Grundwasser Schäden entstehen, die ohne den durch die Spundwand verursachten Anstau nicht auftreten würden. Es steht außerdem zu befürchten, dass auch im Normalfall ein Anstau des Grundwassers stattfindet und sich damit die Situation der Anwohner (Wandfeuchte, Kellerräume) grundsätzlich verschlechtert Dies ist nicht tolerierbar.
Radverkehr
Während der Bauzeit soll es keine Umleitung des Radweges geben, da 20 Anlieferungen täglich als nicht gefährdend eingestuft werden. Angesichts der starken Nutzung dieses Radwegabschnitts durch Radfahrer und Fußgänger ist dies nicht nachvollziehbar. Bei Begegnungen mit Schwerlastverkehr sind Radfahrer und Fußgänger grundsätzlich erheblich im Nachteil; der schmale Weg bietet keine Ausweichmöglichkeit. Zudem ist mit nicht unerheblicher Verschmutzung des Weges zu rechnen, was die Nutzbarkeit einschränkt. Wir halten deshalb die Aussschilderung einer Umleitungsstrecke für zwingend notwendig.
Gestaltung
Dass Kopfbalken aus gestaltetem Sichtbeton als oberer Abschluss einer mit Naturstein verkleideten Mauer ästhetisch wertvoll ist, darf angezweifelt werden. Weshalb werden hier nicht ebenfalls Natursteine eingesetzt?
Da die Anböschung nun höher hinaufreichen soll und damit deutlich steiler als zuvor ausfällt, stellt sich die Frage, inwieweit eine Begrünung (Anspritzbegrünung, auch mit Sträuchern) erfolgversprechend ist. Die Erfahrung an neu errichteten Autobahnböschungen der letzten Jahre lehrt leider, dass die Erosionskräfte vor allem in der Anwuchsphase so erheblich sind, dass streckenweise nur Steinschüttungen die Böschung sichern können. Damit wäre eine massive Beeinträchtigung des Landschaftsbildes verbunden, die nach derzeitiger Planung aber negiert wird.
Habitatverluste
In der vorliegenden Planung wird, wie allgemein üblich, bei Habitatverlusten auf bestehende Ausweichhabitate hingewiesen (LBP S. 119 & 172). Dabei wird die vorhandene Siedlungsdichte der entsprechenden Arten nicht berücksichtigt. Es ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass optimale Reviere bereits besetzt sind und damit zwar vorhanden, aber nicht verfügbar sind. Bestenfalls stehen noch suboptimale Reviere zur Verfügung, die einen Bruterfolg nicht gewährleisten. Damit kann der Verlust von Habitatstrukturen nicht durch das Vorhandensein verbleibender Strukturen relativiert werden. Die Verluste sind voll auszugleichen.
Mikroklima
Die Auswirkungen auf das Mikroklima durch eine südexponierte Mauer (deutliche Erwärmung!) werden nicht benannt und daher auch nicht berücksichtigt.
Landschaftsbild
Die deutliche Veränderung des Landschaftsbildes senkt den Erholungswert der Landschaft beträchtlich. Damit sinkt der Wert, den diese Landschaft für den Tourismus hat. Somit wird eine wesentliche Grundlage der Einkommen vieler Unternehmer in Altkötzschenbroda geschmälert.
Die Einschätzung, durch diese Maßnahme würde das Landschaftsbild „nicht in erheblicher Weise überprägt“ (LBP S. 126) ist als Euphemismus zu werten. Sie steht außerdem im Widerspruch zu der Einschätzung, dass diese Landschaft gegenüber der Einbringung landschaftsfremder Strukturen, die technogen anmuten, besonders empfindlich ist (LBP S. 97) und die Fern- wie Nahwirkung der Anlage von Bedeutung ist (LBP S. 126).
Die Planungen zur Sanierung des Teilschutzdeiches enthielten ähnliche Aussagen, nun wird dieser explizit als beeinträchtigend eingestuft (LBP S. 92).
Die ökologisch und landschaftsästhetisch besonders wertvolle Hangkante wird unwiederbringlich zerstört. Dem Schutz von Wohnbebauung steht die Zerstörung eines wesentlichen schützenswerten Gutes, nämlich der historisch gewachsenen Landschaft mit ihren vielfältigen Wohlfahrtswirkungen gegenüber. Dies hat eine Verschlechterung der Lebensqualität der Anwohner zur Folge.
Wirtschaftliche Folgen einer Beeinträchtigung des Tourismus als wesentliche Einnahmequelle in Altkötzschenbroda wurden nicht bedacht.
Es liegt eine deutliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vor.
Diese wird unserer Auffassung nach nicht ausreichend berücksichtigt und kann nicht ausgeglichen werden.
Maßnahmen
Alle Vermeidungsmaßnahmen sind durchzuführen und strikt zu überwachen. Zum Schutz der Streuobstwiesen sind Warnbänder nicht ausreichend, das Aufstellen von Zäunen ist auch hier erforderlich.
A 1 / E1 und 2: Obstsorten, die derzeit in Altkötzschenbroda vorkommen und dementsprechend als lokaltypisch weiter verwendet werden sollten, sind: Rote Sternrenette, Kaiser Wilhelm, Baumanns Renette, Aderslebener Kalvill, Goldrenette von Blenheim, Rheinischer Bohnapfel, Apfel v. Croncels, Schöner von Nordhausen, Coulon Renette, Champagner Renette, Schöner von Herrnhut, Gelbe Sächsische Renette, Hagedorn, Ribston Pepping. Die Ertragsleistung der Sorten ist naturschutzfachlich nicht von Belang. Wesentlich wäre aber die Beachtung der Blütezeiten der Sorten – eine durch Sortenmischung erreichte lange Blütezeit ist erstrebenswert. Im Falle der Beweidung der Streuobstwiesen ist eine Sicherung neu gepflanzter Bäume mit einem Pfahl und Drahthose nicht ausreichend; es bedarf eines Dreibocks und Verbissschutzes.
Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling bedarf sonniger Standorte, daher sollte die Pflanzung der Obstbäume nicht zu dicht erfolgen. Bei der Pflege der Fläche ist zum Schutz des Lebensraums der Wirtsameisen des Großen-Wiesenknopf-Ameisenbläulings auf eine geeignete Schnitthöhe bei der Mahd zu achten. Aufgrund der Seltenheit der drei voneinander abhängigen Arten sollte das Einbringen von Großem Wiesenknopf auf weitere geeignete (feuchte) Bereiche wie Abzugsgräben / - mulden o.ä. ausgedehnt werden.
Datengrundlage
Die Abfrage nach vorkommenden Pflanzenarten der Sächsischen Multibase – Artdatenbank erfolgte am 03.03.2010 (LBP S.56). Eine aktuellere Datengrundlage (erneute Abfrage) ist zwingend erforderlich und relativ unkompliziert. Bezüglich der Tierarten erfolgte dies immerhin nochmals im Mai 2014 (LBP S. 58), also vor nunmehr drei Jahren. Faunistische Kartierungen wurden nach 2009 nicht wiederholt. Die Datengrundlage ist daher nicht aktuell.
Biotopwertverfahren
Eine Herabminderung des Biotopwertes aufgrund hohen Alters ist bei Streuobstwiesen in der entsprechenden Handlungsempfehlung nicht vorgesehen. Der damit verbundene höhere Totholzanteil und Anteil an Höhlenbäumen ist im Gegenteil wertsteigernd. Die Einschätzung der vorliegenden Planung können wir daher nicht teilen, insbesondere da die Bedeutung der Streuobstwiesen als „sehr hoch“ angegeben wird (LBP S. 88).
Laut Handlungsempfehlung (Kap. 3.3, S.19) werden Wertminderungen „bei direkter Inanspruchnahme anhand der Differenz zwischen Ausgangswert… und Zustandswert der Biotoptypen dargestellt“. Darüber hinaus gehende Wertminderungen durch indirekte Wirkungen einer geplanten Maßnahme (Emissionen) werden verbal-argumentativ berücksichtigt.
Auswirkungen auf „Funktionselemente besonderer Bedeutung“ können zusätzlich zum Biotopwert mittels eines Faktors berücksichtigt werden. Dies wird in der vorliegenden Planung ausgiebig genutzt (Formblatt II). Dabei werden folgende Funktionen der Streuobstwiesen herausgestellt: Lebensraumfunktion (diese ist jedoch im hohen Biotopwert bereits implizit berücksichtigt), Erholungsfunktion und klimatische Ausgleichsfunktion. Diese Funktion üben die in Frage kommenden Flächen aber nach Umsetzung der Planung weiterhin aus (LBP S. 144). Dennoch eine Funktionsminderung geltend zu machen (LBP S. 144), ist demnach inkonsistent.
Dass eine Aufwertung eines bestehenden Biotops (A 1: Nachpflanzungen in einer lückigen Streuobstwiese) weniger im reinen Biotopwert als durch eine Wertsteigerung im Rahmen von erhöhter Lebensraumfunktion und ästhetischem / Erholungswert berücksichtigt werden kann, ist nachvollziehbar. Inwieweit aber die reine Wiederherstellung eines Biotops im Baubereich zu einer funktionsbedingten Wertsteigerung gegenüber dem vorherigen Zustand (vor der Baustelleneinrichtung) führen soll, ist zu begründen.
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