Interview mit Christian Hoffmann (NABU)

Christian Hoffmann ist Diplomingenieur (FH) für Landschaftsnutzung und Naturschutz. Seit über 10  Jahren arbeitet er als freiberuflicher biologischer Gutachter mit Schwerpunkt Biotopkartierung, Vegetation und Flora. Ehrenamtlich engagiert er sich für den Umwelt-, Natur-, und Artenschutz, insbesondere im Naturschutzbund (NABU), aber auch im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

BUND Sachsen: Was hast du mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für dich?

Christian: Mit der Braunkohle habe ich seit meiner Geburt zu tun, seit ich denken kann. Wir können in den Keller gucken, da ist tatsächlich auch noch Braunkohle – als Briketts. Wir verheizen die, das hatte sich nie wirklich geändert weil mein Vater in der Braunkohle beschäftigt war – zwar nicht direkt in der Grube aber als Elektrotechniker und dort in der Ausbildung. Da hat er automatisch Kohle-Deputat[1] bekommen. Das ist immer noch recht billig und mein Vater lässt sich nicht davon abbringen, immer noch Deputat zu bestellen. Aktuell ist Braunkohle hier eines der wichtigsten Themen, als NABU Vorsitzender in der Region, die ich zu bearbeiten habe. Ich kriege die Pläne auf den Tisch und arbeite auch zu für alle möglichen Stellungnahmen und Gutachten. Ich sehe natürlich auch was da draußen gerade passiert.

BUND Sachsen: Was sind für dich positive und negative Aspekte der Braunkohle?

Christian: Wenn wir beim positiven anfangen, ist das niemals eindeutig positiv. Wenn ich jetzt sage, hier in der Region hätten wir höchstwahrscheinlich keine industrielle Entwicklung gehabt, oder wenn die Braunkohle nicht gewesen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich nicht einmal geboren worden. Das ist nicht relevant. Es hat damit zu tun, dass aus der Geschichte her betrachtet, wo die Braunkohle wichtig war für die wirtschaftliche Entwicklung, jetzt die Braunkohle noch da ist. Das ist eigentlich der negative Aspekt; dass sich seit über 100 Jahren nicht viel geändert hat. Wir sind immer noch abhängig von der Braunkohle, obwohl es alternative Energieträger gäbe. Wie in Goldgräberstätten wird es so sein, dass, wenn die Braunkohle alle ist, dieser Wirtschaftszweig hier sowieso beendet ist. Ich sehe nicht unbedingt den positiven Aspekt, sondern nur, wenn man marktwirtschaftlich denkt, ist es ein Beschäftigungsgeber. Im Negativen ist es unser größter Umweltverschmutzer, den wir momentan in Deutschland haben. Es ist ein gigantischer Landschaftsverbrauch, der stattfindet. Ich bin hier groß geworden und südlich von Weißwasser viel unterwegs gewesen mit Fahrrad und Auto. Dort habe ich die schönen Landschaften gesehen, die sind jetzt weg – Heimatverlust.

BUND Sachsen: Was sind Alternativen zur Braunkohle in der Lausitz?

Christian: Also speziell in der Lausitz würde mir dazu nicht allzu viel einfallen, außer dem, was auch in anderen Gegenden momentan eine Alternative ist. Das sind die Sonnenenergie und die Windenergie, die nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen, das ist ein technisches Problem. Aber technische Probleme werden sich sicherlich auch lösen lassen. Die Frage ist, ob ich die Priorität setze, da Entwicklungen in Gang zu setzen, oder ob ich noch auf dem Alten beharre, dort unheimlich viel Geld reinstecke und damit das Geld für die Innovation fehlt. Eine wirtschaftliche Alternative muss es nicht geben. Weil da, wo mal Gold war und das geerntet wurde, da ist dann, wenn dieser Rohstoff weg ist, keine Chance da, als Rohstoff das durch etwas anderes zu ersetzen. Momentan gibt es Untersuchungen, dass in der Tiefe im Gebirgssockel Kupfererz geborgen werden kann. Wie viele Arbeitskräfte dort gebunden werden könnten,  ist völlig unklar. Ich würde die Region dieser Lausitz nicht als favorisierten Wirtschaftsstandort für eine etablierte Wirtschaft, die in Deutschland irgendwo anders auch möglich ist, sehen. Da kann es passieren, dass die Lausitz noch einmal einen Exodus an Menschen erlebt, weil es hier keine besonderen Standortsvorteile für etwas anderes gibt.

BUND Sachsen: Was passiert wenn die Braunkohle plötzlich wegfällt?

Christian: Dann haben wir die Katastrophe für die Beschäftigung in der Region. Es muss keine 100%ige Katastrophe sein. Klar ist aber schon, dass alles andere, was momentan Dienstleistung ist, schon irgendwie abhängig ist von den Leuten, die in der Primärwirtschaft beschäftigt sind. Wohnen wird man hier immer noch können, aber mit der Arbeit sieht es natürlich so aus, dass das von jungen Leuten woanders gesucht werden müsste. Es sei denn, es wird sich insgesamt im System etwas ändern. Was aber nicht notgedrungen der Fall ist, bloß weil die Braunkohle hier wegbricht oder als Wirtschaftszweig abgeschafft wird.

BUND Sachsen: Was ist für dich der nächste Schritt in der Braunkohle-Wirtschaft in der Lausitz?

Christian: Diese Frage kann ich eigentlich gar nicht beantworten, weil ich mir keine Gedanken über die Schritte der Braunkohlewirtschaft mache. Momentan sieht es so aus, dass Vattenfall die Braunkohlesparte verkaufen will, weil die Entscheidungen von Regierungsseite[2] so laufen, dass die Energiewende dort tatsächlich über diesen Konzern eingeleitet werden soll. Jeder andere, der hier kommt und diese Sparte übernimmt, wird einfach gucken ob die gegebenen Bedingungen für eine Verstromung oder anderweitige Nutzung hier in der Gegend kostengünstig zu machen sind. Ansonsten habe ich gerade gelesen, dass, falls ein tschechischer Konzern das Ganze übernimmt, es nicht unwahrscheinlich ist, dass die Braunkohle hier gefördert und dann in Kraftwerken in Tschechien verbrannt wird. Das hört sich für mich sehr logisch an, dass das passieren könnte. Möglicherweise auch, weil dann die Auflagen für die Kraftwerksbetreibung dort nicht ganz so krass sind wie hier in Deutschland – wenn das was der Minister Gabriel dort vorhat tatsächlich durchgesetzt wird. Dann würde Schritt für Schritt Kraftwerksblock für Kraftwerksblock, der älter wird, abgeschafft werden. Würde sich zumindest nicht mehr lohnen zu betreiben. Abgeschafft wird es ja nicht deswegen, sondern nur weil es sich nicht lohnt zu betreiben.

Der für mich wünschenswerte Schritt wäre erst einmal von der landespolitischen Seite, dass endlich offiziell gesagt wird, dass die Braunkohle zwar jetzt noch zum Mix gehört – das will ich gar nicht negieren, weil das so ist und wir in unserer Wirtschaft und im Privaten abhängig sind von konstantem Strom – aber die Signale müssen in die Richtung gehen, dass die Braunkohle in Zukunft abgeschaltet wird. Schritt für Schritt von Natur aus, ohne dass ein großes Druckmittel angewendet wird, das eine oder andere Kraftwerk oder der Kraftwerksblock abgeschaltet wird. Es werden jetzt schon Arbeitsplätze abgebaut. Entweder wird es effektiver gemacht, damit es sich noch lohnt, also weniger Leute darin beschäftigt, oder es wird früher oder später sowieso alles abgeschaltet, weil die Bedingungen für die Stromerzeugung nicht besser werden aus der fossilen Kohle.

 


[1] Kohle für den Hausgebrauch, die aktive und ehemalige Bergleute bekommen.

[2] Vattenfall ist ein schwedischer Konzern



Positionspapiere für Sachsen:

Für einen geordneten Braunkohleausstieg

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