Interview mit Dr. Jana Pinka (Die Linke)

Frau Dr. Jana Pinka aus Freiberg studierte an der hiesigen Bergakademie Geowissenschaften und schloss das Studium als Diplommineralogin ab, später promovierte sie in der Chemie. Sie arbeitete viele Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und später Geschäftsbereichsleiterin in der G.E.O.S. Ingenieurgesellschaft mbH Freiberg, ein Unternehmen, das auf geologische und bergbaubezogene Arbeiten spezialisiert ist. 2009 zog sie für die Linke in den sächsischen Landtag und ist dort stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Fraktion und Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft.

BUND Sachsen: Was haben Sie mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für Sie?

Pinka: Mein Name ist Jana Pinka, ich bin 51 Jahre alt. Ich wurde in einer Stadt geboren, die traditionell dem Bergbau sehr zugetan ist, nämlich Freiberg. Ich wurde dort geboren und habe dort geheiratet. Ich habe an der Bergakademie das Fach Mineralogie/ Geochemie studiert und viele Jahre in einem Ingenieurbüro gearbeitet, das sich insbesondere mit Geologie und Umweltfragen beschäftigt. Von daher bin ich dem Bergbau traditionell und beruflich sehr zugetan. Zum Bergbau gehört natürlich auch der Kohlebergbau. Daher hatte ich bis heute immer wieder einen Bezug zum Kohlebergbau.

BUND Sachsen: Was sind für Sie negative und positive Aspekte der Braunkohle?

Pinka: Als ich in den 80er Jahren studiert und promoviert habe, gab es noch die DDR. In der DDR war es eine gewisse Politik, sich von anderen Ländern unabhängig zu machen. Von daher hatte ich schon in meiner Jugend einen sehr starken Zugang zu Braunkohle und zu nuklearen Energieträgern wie Atomenergie. Vermeintlich war die Atomenergie für uns damals die saubere Energie und eher die Braunkohle das, was wir eigentlich loswerden wollten. Heute haben wir das in umgekehrter Weise in der Entwicklung. Zum damaligen Zeitpunkt war ich diesen beiden Energieträgern, die die DDR hatte, um sich selbstständig zu machen, sehr zugetan. Der Vorteil war, dass es unsere einheimischen Energieträger waren. Das habe ich damals als positiv empfunden. Die DDR hat nicht so oft über Umweltauswirkungen gesprochen. Welche Umweltauswirkungen die Braunkohleverstromung oder der Uranerzbergbau hatten, das wurde zu DDR-Zeiten nicht offen kommuniziert und klein gehalten. Das ist der Aspekt, den wir heute eher betrachten. Braunkohle ist zwar immer noch ein heimischer Energieträger, aber wir wissen heute, 30 Jahre später, welche Auswirkungen die Braunkohleverstromung auf die Klimaentwicklung in unserer Welt haben wird, wie schwierig die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaus sind und wie fragil der Nutzen nuklearer Energie ist. Von daher kann man bestimmte Entwicklungen sehen, auch in meinem Leben. Vermeintliche Vorteile sind heute für mich Nachteile in der Entwicklung. Es gibt immer ein Pro und Contra, es gibt immer eine Entwicklung. So war das vor 300 Jahren als Hans Carl von Carlowitz sagte, wir können nicht mehr das Holz nutzen um Energie zu gewinnen oder Bergwerke auszubauen, sondern wir müssen andere Energieträger suchen. Damals kam die Kohle auf. Heute ist wieder ein Zeitpunkt erreicht, an dem es einen Umbruch gibt. Die vermeintlich gute Braunkohle, die es sicherlich 300 Jahre gewesen ist, hat ausgedient und wir brauchen wieder neue Energieträger.

BUND Sachsen: Welche negativen Aspekte sind für Sie besonders herausstechend?

Pinka: Die negativen Aspekte sind vor allen Dingen die Umweltauswirkungen, das muss ich so deutlich sagen, nachdem ich viele Jahre für die Braunkohleindustrie tätig war und mich mit den Auswirkungen beschäftigt habe, unter anderem mit der Verstromung und dem Abbau. Es gibt tiefe Eingriffe in den Landschaftshaushalt. Man muss Grundwasser absenken um das Gebiet trockenzulegen, um überhaupt erst Bergbau betreiben zu können. Da fallen viele Sümpfungswässer an. Dieses Sümpfungswasser ist kein normales Trinkwasser, sondern es hat bestimmte Inhaltsstoffe, die Auswirkungen auf die Umwelt haben. Diese nehmen immer mehr zu. Wenn wir unser Trinkwasser nicht mehr genießen können in dieser Gegend, wenn die Folgewirkungen so groß sind, dass es die gesellschaftlichen Auswirkungen so beeinträchtigt, dann muss man Abstand davon nehmen. Diese Umweltauswirkungen haben mich dazu bewegt zu sagen, dass wir nach gesellschaftlichen Alternativen suchen müssen.

BUND Sachsen: Was denken Sie würde passieren, wenn wir jetzt aus der Kohle aussteigen?

Pinka: Ich bin nicht der Meinung, dass wir jetzt unmittelbar aus der Braunkohle aussteigen können. Da bin ich ganz bei den Energiewirtschaftlern, die sagen, das würde zu einem Zusammenbruch des Energiesystems in Deutschland führen. Aber ich bin der Meinung, bis 2040 könnte es uns gelingen. Ich lege mich nicht auf die Jahreszahl fest, aber in diesem Zeitraum muss es uns gelingen, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen und andere Energieträger zu nutzen. Wohlwissend, dass wir auch in anderen Bereichen, nicht bloß bei den Energieträgern selber, sondern auch bei den Durchleitungen der Energie oder der Energiespeicherung noch große Aufgaben vor uns haben. Wenn wir Wissenschaft betreiben - Deutschland hat das immer wieder vorgemacht -, könnten wir diesen einen Energieträger durch andere ablösen. Das bedarf vieler Innovationen. Das kann uns gelingen bis 2040.

BUND Sachsen: Was sind energetische und wirtschaftliche Alternativen für die Braunkohle?

Pinka: Da gab es immer große Diskussionen in meiner Partei. Als ich hier im Landtag anfing, das war 2009, haben wir begonnen energiepolitische Leitlinien zu schreiben. Da stand die Braunkohle in Gänze davor, von unseren Genossinnen und Genossen eliminiert zu werden. Da bin ich anderer Meinung. Ich meine, die Braunkohle sollte nicht nur gewonnen werden um sie zu verstromen. Sondern sie könnte als Rohstoff für andere Verwertungen durchaus dienlich sein. Schon vor 100 Jahren hat man ein Verfahren entwickelt, die Fischer-Tropsch-Synthese. Man stellte aus Kohlenstoff über verschiedene Synthesegase andere Stoffe her, wie Nylon. Das könnte ich mir eher vorstellen. Da sagt mancher, der Eingriff in den Naturhaushalt bleibt natürlich. Ich erwidere dann meistens, das sind ganz andere Stoffströme. Das sind nicht Millionen Tonnen, die ich jedes Jahr abbaggern und verheizen muss. Der Wirkungsgrad der chemischen Verwertung ist wesentlich größer. Da muss man dann abwägen. Einer meiner Leitsprüche ist, alles kommt vom Bergwerk her. Wir sind glaube ich noch nicht in einer Gesellschaft angekommen, in der wir ohne Bergbau auskommen können. Wir sind noch nicht so weit, das Konzept cradle to cradle umzusetzen, immer wieder zu recyceln und dieselben Wertstoffe zu nutzen. Ob wir es je schaffen ohne Eingriffe in die Natur und in die Erdkruste auszukommen, diese Prognose wage ich nicht abzugeben. Ich glaube, Bergbau wird es immer geben. Aber vielleicht können wir umsteuern in manchen Dingen. Bei der Braunkohle würde ich mit mehr chemische Verwertung wünschen.

Ich wünsche mir, dass das Handeln der jetzigen Staatsregierung irgendwann realistischere Züge annimmt, in Bezug auf die Energieperspektive in Deutschland. Wir diskutieren jetzt gerade über eine Klimaschutzabgabe von Bundeswirtschaftsminister Gabriel und meinen, dass damit die Braunkohleverstromung in Gefahr steht. Aber was kommt nach Gabriel? Ich glaube, es wird immer wieder eine neue Bundesregierung geben, die auf einen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung setzt. Sie hat sich eigene Ziele gesetzt. Die Bundeskanzlerin selbst war Motor in dieser Entwicklung zur CO2-Einsparung der Bundesrepublik beizutragen. Jetzt kommen wir wieder zurück in die Lausitz. Natürlich wird es in der Lausitz Kraftwerke treffen, die vom Netz genommen werden müssen. Natürlich wird es Arbeitsplätze betreffen, die dann möglicherweise verschwinden. Man kann da natürlich zugucken und immer weiter auf die Devastierung der Lausitz und die Braunkohleverstromung setzen. Aber die Realität geht vorwärts. Und in der Realität werden wir aus der Braunkohleverstromung aussteigen müssen. Und wenn wir diesen Prozess verschlafen und nicht begleiten, dann wird es ein Desaster in der Lausitz geben. Deshalb hat unsere Fraktion Die Linke schon mehrfach diesen beginnenden Strukturwandel angesprochen, der natürlich nicht bloß ideell begleitet werden muss. Sondern da müssen wir auch richtig Geld in die Hand nehmen. Außer Sachsen oder Brandenburg wird das niemand für uns tun. Es ist nicht zu erwarten, dass die Bundesländer uns solidarisch Geld zukommen lassen. Wir selber müssen sicherlich mit Millionen Euro einen Strukturwandel befördern, vielleicht über Wirtschaftsanreize und Wirtschaftsförderung neue Industrie etablieren wie es in anderen Bundesländern vormals schon war. Bayerns ländlicher Raum ist nicht ohne Gelder zu einem High-Tech-Land in der optischen Industrie geworden. Ich glaube, das steht uns auch bevor. Es ist ein langer Prozess, bis sich neue Industriezweige oder Alternativen entwickelt haben. Deswegen glaube ich, wir haben jetzt die Verpflichtung, diesen Prozess anzugehen. Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf als Linke in den Geschäftsgang des Landtages eingebracht um diesen Strukturwandel genau zu diskutieren. Da werden wir hören, wie sich SPD und CDU dazu verhalten.

BUND Sachsen: Was ist für Sie der nächste Schritt in der Braunkohle-Wirtschaft?

Pinka: Zunächst wünsche ich mir, dass in Sachsen die Regierung realistischer wäre. Ich glaube, sie hat noch gar nicht verstanden, dass wir auf ein neues Zeitalter zugehen. Sie hinkt dem hinterher, meint dass die Braunkohle eine Brückentechnologie in der Energiewende ist. Aber das kann man mit einfachen Beispielen widerlegen, zum Beispiel schon beim Ausbau der Energienetze und bei der Dezentralität der Energieträger. Ich wünsche mir mehr Realismus in dieser Staatsregierung und anspruchsvollere Ziele. Ich habe es sehr bedauert, dass Vattenfall seine Sparten verkaufen will. Ich hätte eher gemeint, da bin ich durch und durch Sozialistin, mit einem gewissen Anteil an Eigentum an diesem Unternehmen hätten wir Vattenfall gemeinsam zum Umsteuern bewegen können. Vattenfall ist ein Unternehmen, das in seinem Mutterland durchaus von erneuerbaren Energien lebt. Vielleicht hätten wir es auch zu Investitionen bei uns in Sachsen bewegen können und gesagt, wir schreiben das Energiekonzept, ihr steigt aus der Braunkohleverstromung aus, steigt in die Erneuerbaren ein, wir sind an eurer Seite und wir nehmen euch einen Teil eurer Lasten ab, wenn es sich nicht so rechnet. Diese Lasten haben wir als Staat später sowieso zu tragen, weil ihr keine sicheren Rücklagen bildet. Dann steuern wir jetzt gemeinsam um und sorgen mit der eigenen staatlichen Beteiligung dafür, dass die Rücklagen sicher sind. Das hätte ich mir gewünscht. Es ist glaube ich auch nicht vom Tisch.



Positionspapiere für Sachsen:

Für einen geordneten Braunkohleausstieg

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