Interview mit Marco Kühne von graswurzel.tv

Marco Kühne studierte Angewandte Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg und verfasste seine Magisterarbeit zum Thema der "Bergbaubedingten Umsiedlung im Lausitzer Braunkohlenrevier".

Seit 2006 ist Marco als Kameramensch und Produzent bei dem Onlineportal graswurzel.tv aktiv und begleitet den Protest und Widerstand gegen die Kohle in der Lausitz als Filmemacher.

BUND Sachsen: Was hast du mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für dich?

Marco: Ich habe an der Uni Lüneburg Kulturgeographie studiert und meine Magisterarbeit zum Thema der bergbaubedingten Umsiedlung in der Lausitz geschrieben. Das war auch mein erster Kontakt mit der Braunkohle in der Lausitz. Ich wollte der Frage auf den Grund gehen, warum es in manchen Orten Widerstand gegen geplante Umsiedlungen gibt und in anderen nicht. In der Vorbereitung habe ich mich mit vielen Menschen getroffen und habe versucht ein Widerstandsnetzwerk zu finden und Menschen zu treffen, die keinen Grund sahen, sich dagegen zu stellen, weil sie mit der Entschädigung einverstanden sind oder weil sie die Kohle oder die Braunkohleverstromung als notwendig erachten. Während dieser Recherchen hat mich beeindruckt, wie stark und kampfesbereit die Menschen sind, die sich dagegen stellen und sich für ihr zu Hause, ihre Heimat und einen Stopp des weiteren Ausbaus der Braunkohlesparte in der Lausitz einzusetzen. Da sind wir drangeblieben und haben als Videokollektiv das Thema aufgegriffen und eine Website aufgesetzt, die Betroffene aus der Braunkohle zu Wort kommen lässt um ihre Position darzustellen. Wir haben mit Menschen gesprochen, deren Häuser Risse haben, deren Zuhause durch die Kohle bedroht ist und die nicht mehr in ihrem See baden können, weil dieser durch den Grundwasserentzug Wasser verliert. Wir haben versucht die verschiedenen Problemfelder der Braunkohle anhand von Einzelinterviews darzustellen. Das war der Bezug, den wir in den letzten Jahren dazu hatten. Aktuell arbeiten wir an einem Dokumentarfilm zum Thema Braunkohle in der Lausitz. Er heißt Auf der Kippe und wird noch im Frühsommer 2015 erscheinen. Er wird sich mit den Folgen der Braunkohleverstromung auseinandersetzen: Zum einen die sozialen aber auch die ökologischen Folgen. Für uns ist das ein relevantes Thema, weil wir überzeugt sind, dass die Braunkohle eine Energieform ist, die nicht mehr aktuell ist. Weiter auf Braunkohle zu setzen, ist unserer Meinung nach der falsche Schritt. Wir wollen alle, auch in den nächsten Jahrzehnten, in einem gesunden Klima leben. Da ist die Verstärkung der Braunkohleverstromung eindeutig der falsche Weg, dafür gibt es viel zu viele Alternativen.

BUND Sachsen: Was sind für dich positive und negative Aspekte der Braunkohle?

Marco: Ich habe mich intensiv mit der Braunkohle in der Lausitz beschäftigt und würde deswegen nur von Erfahrungen aus der Lausitz sprechen. Sicherlich war es so, dass die Braunkohle in der DDR ein absolut notwendiger Energieträger war. Damit wurde Wärme und Strom erzeugt, damit haben die Menschen gelebt und das war sicher auch kulturstiftend und kulturschaffend. Die Kultur der Bergleute ist etwas ganz besonderes, das merkt man auch heute noch wenn man in der Lausitz ist, das kann nicht ignoriert werden. Nichtsdestotrotz ist die Braunkohle ein überholter Energieträger. CO2-Emissionen ist nur einer der Punkte. Selbst die Politik hat mittlerweile erkannt, dass wir so nicht weitermachen können, dass ein weiterer Ausbau der Braunkohlensparte und weiterer Verstromung den Klimazielen der Bundesrepublik entgegenstehen. Wir sehen jetzt schon, dass es in der Politik Bemühungen gibt, die weitere Braunkohleverstromung einzugrenzen. Der erhöhte CO2-Ausstoß betrifft nicht nur uns, sondern die ganze Welt, durch Folgen wie den Klimawandel. Ich sehe an der Braunkohle gerade keine positiven Aspekte. Natürlich leben noch Menschen von der Braunkohle. Das ist nicht zu vernachlässigen. Aber die negativen Aspekte überwiegen meiner Meinung nach so stark, dass man jetzt aktiv den Umbau in der Energiewirtschaft und der Arbeitsplatzsituation in der Lausitz vorantreiben muss. Es muss ein echter Strukturwandel geschaffen werden, der dazu führt, dass die Menschen, die heute noch von der Braunkohleindustrie leben und in der Braunkohleindustrie arbeiten in zwanzig Jahren alternative Arbeitsplätze haben. Sie sollen nicht auf der Straße sitzen, aber sie sollen alternative Betätigungsfelder bekommen. Der Bereich der erneuerbaren Energien verspricht genügend Arbeitsplätze. Im Vergleich dazu sind die in der ganzen Bundesrepublik Beschäftigten in der Braunkohle verschwindend gering, wenn man dem gegenüber stellt, wie viele Menschen mittlerweile in der Branche der Erneuerbaren beschäftigt sind.

BUND Sachsen: Welche Alternativen siehst du zur Braunkohle in der Lausitz?

Marco: Wo kommt unsere Energie eigentlich her? Wenn wir uns das angucken, sehen wir, dass 2014 erstmals mehr Energie durch Erneuerbare produziert wurde als durch die Braunkohle. Das ist ein deutliches Zeichen. Die Braunkohle nimmt an Bedeutung ab und erneuerbare Energien – Solar, Wind, auch Biogas – nehmen an Bedeutung zu. Wenn wir diesen Wandel schaffen wollen hin zu 100 Prozent Erneuerbaren, müssen wir bereit sein, die Braunkohle zurückzufahren. Weitere Tagebaue zu erschließen ist der falsche Weg. Wenn immer weniger Braunkohle verstromt wird, reichen die Vorkommen, die jetzt schon erschlossen und genehmigt sind, bis in die 2030 Jahre hinein. Vorausgesetzt, dass das Verhältnis Erneuerbare und Braunkohle sich weiter entfernt, also mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Braunkohle produziert wird. Ich glaube, man kann keine andere Alternative sehen, denn zum einen ist die Braunkohle endlich und zum anderen ist sie einfach klimaschädlich. Es ist wichtig, diesen Wandel zu schaffen hin zu Erneuerbaren.

BUND Sachsen: Also sind die Erneuerbaren auch eine Alternative im wirtschaftlichen Sinne für die Lausitz?

Marco: Ich bin kein Wirtschaftsexperte, aber im Rahmen unserer Recherchen und Interviews wird klar: natürlich sind sie eine Alternative; nicht nur im Bereich der Energieerzeugung, sondern auch im Bereich der Arbeitsplätze. Die Erneuerbaren haben in den letzten Jahrzehnten bundesweit mehr Arbeitsplätze geschaffen als die Braunkohle. Deswegen bin ich überzeugt, dass man davon ausgehen kann, dass wenn der Wandel ernst gemeint ist und vorangetrieben wird, in Zukunft mehr Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien Arbeit finden als heute in der Braunkohle. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Erneuerbaren auch eine wirtschaftliche Alternative darstellen.

BUND Sachsen: Was passiert, wenn die Kohle jetzt wegfällt?

Marco: Die Kohle wird nicht jetzt, von heute auf morgen, wegfallen. Es gibt verschiedene Meinungen und Ansätze. Es gibt Menschen die sagen, ab heute oder morgen muss die Braunkohleindustrie zu machen. Ein realistischeres Szenario hat Greenpeace in einem schrittweisen Plan veröffentlicht. Man akzeptiert Tagebaue, die genehmigt und aufgeschlossen sind. Wenn man diese auslaufen lässt, reichte das noch bis in die 2020er Jahre. Bis dahin besteht die Gelegenheit, über Gaskraft und Erneuerbare den Strukturwandel zu schaffen. Deswegen glaube ich nicht, dass die Kohle heute wegfällt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer sagen wird, ab sofort gibt es keine Braunkohle mehr.

BUND Sachsen: Was ist für dich der nächste Schritt in der Braunkohlewirtschaft in der Lausitz?

Marco: Der nächste Schritt ist das Erkennen, dass es so nicht weitergeht. Anstatt dauerhaft daran festzuhalten und zu argumentieren, warum wir weiter Braunkohleverstromung und Braunkohleförderung mit all seinen negativen Auswirkungen brauchen, sollte der gedankliche Wandel in der Braunkohlewirtschaft einsetzen um zu erkennen: Es gibt Alternativen. Die Bereitschaft, diese Alternativen proaktiv umzusetzen, muss entwickelt werden. Denn das, was die Menschen in der Lausitz zu erleiden haben und darüber hinaus, das was die Menschen auf der Welt zu erleiden haben, die unter dem Klimawandel leiden, das kann man nicht ignorieren. Das kann auch die Braunkohlewirtschaft nicht ignorieren. Das kann auch die Landesregierung in Brandenburg und Sachsen nicht ignorieren. Es ist wichtig, dass hier die Erkenntnis reift, dass eine Veränderung einsetzen muss. Dann passieren die nächsten Schritte ganz von allein. Die Braunkohlewirtschaft will natürlich Geld verdienen. Und es ist sehr bequem unter den heutigen Maßgaben mit der Braunkohle Geld zu verdienen. Wenn aber realistische Kosten dem gegenüber gestellt werden, nämlich Abgaben für klimaschädliche Kraftwerke oder für das Heben von Grundwasser und Kohle, ist die Braunkohle plötzlich nicht mehr rentabel. Und dann wird auch die Wirtschaft erkennen, wir müssen hin zu Alternativen. Das ist für mich der nächste Schritt.



Positionspapiere für Sachsen:

Für einen geordneten Braunkohleausstieg

Pressemitteilungen zum Thema Braunkohle:

Suche