Interview mit Hannelore Wodtke vom Netzwerk Bergbaugeschädigter e.V.

Hannelore Wodtke ist Mitglied im "Bürgerbeirat Randbetroffenheit" und der "Bürgerinitiative vermutete Bergschäden" in Welzow. Sie ist Randbetroffene des derzeitigen aktiven Tagebaues Welzow-Süd I. Ihr Grundstück ist etwa 250 Meter von der Tagebaukante entfernt.

BUND Sachsen: Was haben Sie mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für Sie?

Wodtke: Kohle ist ein fossiler Brennstoff. Jeder weiß, dass Braunkohle nicht unendlich ist, sondern endlich. Die Tagebaue, die wir jetzt gerade haben, sollten so genutzt werden, dass sie bis zum Ende der Kraftwerke reichen. Das ist so geplant und das würde auch so weitergehen. Leider ist es so, dass auf Teufel komm raus ausgekohlt wird und die veredelte Kohle in Form von Briketts ins Ausland, sprich in die Tschechei, exportiert wird. Da ich hier an der Tagebaukante wohne, habe ich eigentlich nichts gegen den Tagebau an sich, denn der war schon vor mir da. Aber ich bin dafür, dass, wenn dieser Tagebau zu Ende geht, dass es dann wirklich damit Schluss ist. Denn wir müssen ja auch an unsere nachfolgenden Generationen denken, die Kinder und Enkelkinder. Die wollen keine Wüste haben, so wie es jetzt aussieht. Hier sind 136 Ortschaften inzwischen weggebaggert worden im ganzen Lausitzer Revier, die möchten auch etwas von der Natur haben. Probleme haben wir mit der Braunkohle: die Staub- und die Lärmbelastung. Da bin ich auch aktiv tätig, das heißt, das ist einer der vielen Punkte. Es gibt ein Limit der Lärmbelastung. Da haben wir mit dem Bergbautreibenden ein Problem, weil der es im Jahresdurchschnitt rechnet. Wir haben aber Spitzen der Lärmbelastung, die liegen bei einer Nacht bei 62 Dezibel. Jeder weiß, Lärm macht krank, gerade kreislaufmäßig und herzinfraktmäßig. In der Nacht ist nur eine Höchstgrenze von 35 Dezibel erlaubt und die sind fast beim Doppelten. Das wird natürlich immer wieder abgestritten und negiert. Dann wird gesagt, dass, nach dem Berggesetz, Tagebaue unter besonderen Schutz fallen. Das normale Bundesgesetz sagt, genau wie bei der Staubbelastung, der Jahresmittelwert liegt unter der Grenze. Damit können wir uns nicht zufrieden geben. Es gab schon einmal die Diskussion mit dem Bergbaubetreiber, dass wenn extreme Belastungen sind, gerade wenn der Wind aus dem Osten oder Nordosten kommt und die Brücke vor der Stadt steht - es ist also extrem laut -, dass dann von denen gesagt wurde, wir werden alles tun und dann eventuell den Brückenbetrieb über Nacht einstellen, wegen der großen Staub- und Lärmbelästigung. Das wurde aber jetzt wiedermal nicht gemacht; gerade jetzt in dieser Geschichte, wo es heißt, dass Vattenfall verkaufen will. Da gab es eine Klage vom Landwirte-GmbH-Betrieb Proschim, so dass die Bagger erst einmal an der Grenze zu deren Wiesen stoppen mussten. Da hatte man das Gefühl, die machen das jetzt zum possen. Der Wind kam aus Ost-Nord-Ost und wir hatten wieder Lärm hoch fünf. Es war kaum auszuhalten.

BUND Sachsen: Damit haben Sie meiner nächsten Frage ein wenig vorausgegriffen, nämlich der, was für Sie positive und negative Aspekte der Braunkohle sind.

Wodtke: Positive Aspekte gibt es eigentlich nur für die Leute, die direkt in der Kohle arbeiten. Das sind aber recht wenige in Welzow. Wir sind insgesamt etwa bei 3800 Einwohnern, da rechnen Säuglinge und Greise dazu. Der größte Teil der Leute, die im arbeitsfähigen Alter sind, fahren in die alten Bundesländer zum Arbeiten. Die sind gar nicht in der Kohle beschäftigt. Kohle ist also nur für eine kleine Minderheit positiv. Der Bergbaubetreiber unterstützt natürlich die Stadt aufgrund des ersten Forderungskataloges. Eigentlich war im Vertrag verankert, dass Entschädigungsleistungen an die Bürger gezahlt werden sollten, nach dem Kabinettsbeschluss im vergangenen Jahr April. Aber nach einem Jahr rührt sich eigentlich nichts. Die Gelder, die der Bergbaubetreiber der Stadt zur Verfügung stellt, werden für unnütze Bauausgaben getätigt. Der einzelne Bürger, der die Quälereien hat, steht erst einmal hintenan.

BUND Sachsen: Was passiert wenn die Kohle jetzt wegfällt?

Wodtke: Dann haben wir erst einmal das Problem, dass diese ganzen Flächen, die jetzt von der Kohle verwüstet worden, rekultiviert werden müssen. Die Kohleförderung findet hier bei ca. 100 Meter Tiefe statt, das Kohle-Flöz davor ist etwa 3 Meter stark. Was darüber ist, ist alles Abraum. Der wird immer hin und her bewegt. Da greift auch die Winderosion, die den Dreck dann auf die Stadt treibt. Mit anderen Worten: die Leute, die dort beschäftigt sind, könnten mit der Rekultivierung beschäftigt werden. Da würden die Leute, die angeblich ihre Arbeit verlieren, gar nicht ausreichen. Man sagt nicht umsonst, dass ein Tagebau, der mal entstanden ist, 100 Jahre braucht, bis man dort wieder ein normales Leben führen kann. Sie können kein Haus darauf bauen, weil der Untergrund sich immer noch bewegt. Ob sie jetzt einen See daraus machen und das mit Wasser auffüllen – Sie müssen sowieso sehen, das Grundwasser wird dann wieder steigen wenn die Absenkung zu Ende ist – das ist alles unsicher. Kippen wandern, bewegen sich, es gibt Abbrüche. Wir sind hier ziemlich dicht an der Kante dran. Wenn das hier wirklich mal mit Wasser aufgefüllt wird, ist es extrem gefährlich. Da gibt es so viel zu tun, das reicht 100 Jahre ehe das erste Haus wieder gebaut werden kann auf diesen Flächen. Wenn Sie Bäume pflanzen ist es genau das gleiche.

BUND Sachsen: Was sind Alternativen zur Braunkohle in der Lausitz?

Wodtke: Alternativen sind die erneuerbaren Energien. Das Dorf Proschim zum Beispiel schafft allein durch die Windenergie, 3500 Haushalte zu versorgen. Das sind sie selbst dort im Ort, bzw. noch Welzow dazu und noch ein paar mehr. Sie haben jetzt auch Biogas und Solarenergie. Wenn man alle drei Erneuerbaren zusammenrechnen würde, reicht das immens weit. Die Flächen, die hier mit Windenergie bestückt sind, sind noch lange nicht alles. Im Tagebau Jänschwalde hat Vattenfall selbst einen großen Windpark angelegt. Die sind auf dem Trip, dass sie in die Erneuerbaren einsteigen, weil sie selber wissen, Braunkohle ist nicht mehr das Geschäft. Es läuft einfach aus, die Zeit ist vorbei. Wirtschaftliche Alternativen wären auch die Erneuerbaren. Das ist ein falscher Zungenschlag. Kohle ist nur deswegen so billig, weil sie unheimlich subventioniert wird. Wenn das nicht wäre, dann wäre Kohle teurer als die Erneuerbaren. Das vergessen sogar unsere Regierungsleute.

BUND Sachsen: Was ist für Sie der nächste Schritt in der Braunkohle-Wirtschaft in der Lausitz?

Wodtke: Der wünschenswerte Schritt wäre, dass der jetzt vorhandene Tagebau ausgekohlt wird – das wäre noch so lange wie auch das Kraftwerk Schwarze Pumpe seine Betriebsamkeit hat – und dass dann angefangen wird, zu renaturieren.



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