Interview mit Prof. Dr. Felix Ekardt (Vorstand BUND Sachsen)

Prof. Dr. Felix Ekardt ist seit 2013 Vorsitzender des BUND Sachsen. Der Jurist, Soziologe und Philosoph leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik mit Sitz in Leipzig und Berlin, ist Professor an der Uni Rostock und Fellow am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover. Er ist in Grundlagenforschung, Politikberatung und Medien zu Themen wie Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit, Landnutzung und Energiepolitik aktiv.

BUND Sachsen: Was hast du mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für dich?

Felix: Ich persönlich habe mit Kohle nicht so viel zu tun. Mein Nachbarhaus wird allerdings noch mit Kohle beheizt und ich wohne und arbeite im Dachgeschoss. Das heißt, ich habe direkt neben mir die Schornsteine, wo der Rauch des Hausbrands herauskommt. Und wenn ich Erdbeeren auf dem Dach anbaue, habe ich potentiell sehr interessante Kadmium und Quecksilberwerte. Aber eigentlich ist mein Interesse an der Kohle natürlich ein politisches. Oder besser gesagt, mein Interesse an den fossilen Brennstoffen generell ist ein politisches. Die fossilen Brennstoffe sind endlich, auch wenn aktuell immer mal neue Quellen erschlossen werden. Und vor allem, und das ist entscheidend, sie verursachen den menschgemachten Klimawandel, der dramatische Folgen zu haben droht, der Millionen Menschen umzubringen droht, der massive ökonomische Folgen zu haben droht. Das wird immer verkannt, wenn in Sachsen über die Wirtschaftlichkeit der Braunkohle geredet wird. Gemeint ist aber eigentlich eher die Betriebswirtschaftlichkeit für Vattenfall, solange man die gesellschaftlichen Folgekosten der Braunkohle nicht auf den Braunkohlepreis aufschlägt. Das ist übrigens keine linke These oder so etwas, das kann man auch in Dokumenten der EU-Kommission nachlesen, dass Braunkohle eigentlich der volkswirtschaftlich teuerste Energieträger ist. Vor allem aber ist Braunkohle aber eben einfach ökologisch verheerend für den Klimawandel. Braunkohle, ganz speziell als sächsischer fossiler Brennstoff, ist zwar heimisch und hier noch eine ganze Zeit vorhanden, aber ist eben der klimaschädlichste Energieträger. Und damit müssen wir raus aus der Kohle.

BUND Sachsen: Damit hast du meiner nächsten Frage nach den positiven und negativen Aspekten schon vorausgegriffen. Gibt es auch positive Aspekte der Braunkohle?

Felix: Kurzfristig gesehen ist Braunkohle für die Unternehmen, die sie abbauen, natürlich sehr positiv, weil sie hohe Gewinnmargen verspricht, solange man die gesellschaftlichen Folgekosten nicht anlastet. Und für die Leute, die dort arbeiten, ist es natürlich grundsätzlich auch gut diesen Arbeitsplatz zu haben. Aber gesamtwirtschaftlich werden wir mehr Arbeitsplätze haben wenn wir auf die Alternativen zur Braunkohle setzen, also auf erneuerbare Energien, auf mehr Energieeffizienz und auch auf bessere Stromleitungen, auf bessere Stromspeicher und ein besseres Einspeisemanagement. Wenn wir diese Dinge tun, haben wir in der Summe, das ist diverse Male vorgerechnet worden, mehr Arbeitsplätze. Wir haben eine sehr viel bessere Ökobilanz. Wir haben nämlich dann potenziell eine Stromversorgung mit null Treibhausgasemissionen. Und das Ganze ist eben auch wirtschaftlich, nicht für die bisherigen Braunkohleunternehmen aber für die gesamte Volkswirtschaft, und es schafft auch Versorgungssicherheit. Wenn der sächsische Ministerpräsident Tillich, oder sonstige Politiker, immer vorgeben, wir bräuchten die Braunkohle noch als vermeintliche Brückentechnologie der Energiewende - was ein totaler Euphemismus ist, wenn man bedenkt, wie klimaschädlich sie ist – wenn so etwas vorgegeben wird, dann wird tatsächlich einfach ignoriert, dass die Braunkohle mittelfristig nicht mehr nötig ist. Es geht ohne die Braunkohle. Es werden nicht die Lichter ausgehen. Die Versorgungssicherheit wird langfristig betrachtet ohne endliche fossile Brennstoffe sogar größer sein. Und vor allem: es hilft nichts, den in der Braunkohle arbeitenden Leuten Sand in die Augen zu streuen und so zu tun als hätten sie den sicheren Arbeitsplatz für die Ewigkeit gepachtet. Regionen wie die Lausitz brauchen einen Strukturwandel hin zu einer Windenergieregion, hin zu einer Region, die andere wirtschaftliche Pfade einschlägt. Man kann den Wandel allenfalls hinauszögern. Wenn wir den Weg des Wandels entschlossen gehen, werden wir in der Summe sogar wirtschaftlich Vorteile haben, klimapolitisch sowieso. Und wenn wir die Folgen des Klimawandels einigermaßen ernst nähmen – und die verdrängen wir pausenlos, wir schieben sie beiseite, weil wir sie vom Bauch her nicht spüren, weil wir sie nicht unmittelbar sehen, weil wir den Zusammenhang zu unserem alltäglichen Handeln nicht sehen – wenn wir uns die Konsequenzen klar machen – Bangladesch steht unter Wasser wegen eines steigenden Meeresspiegels, Nahrung und Wasser werden knapp in Teilen der Welt, Kriege und Bürgerkriege werden wahrscheinlicher wegen vermehrter Migrationsströme aufgrund von Naturkatastrophen – wenn wir uns diese Folgen klar machen, können wir nicht ethisch verantworten, dass wir die Braunkohle weiter nutzen.

BUND Sachsen: Was ist für dich der nächste Schritt in der Braunkohlewirtschaft?

Felix: Konkret in Sachsen warten wir jetzt alle, was Vattenfall mit seinen Tagebauen und Kraftwerken macht. Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich in Schweden die politischen Kräfte durchsetzen. Vattenfall ist ja ein schwedisches Staatsunternehmen. Ich hoffe, dass sie sagen, wir verkaufen nicht die Tagebaue und Kraftwerke in Sachsen, sondern wir legen sie einfach still. Ich halte es allerdings nicht für sehr wahrscheinlich, dass das kommt. Letzten Endes arbeiten wir als BUND Sachsen und auch ich beruflich als Nachhaltigkeitsforscher für eine politische Lösung. Ich gehe nicht davon aus, dass sich das Ganze einfach von selber löst am Markt. Wir brauchen in Europa, in der EU einen schrittweise und planbar steigenden Preis der fossilen Brennstoffe quer durch alle Segmente, nicht nur beim Strom. Wir reden ja im Grunde über Strom, wenn wir über Braunkohle reden. Auch bei Wärme, Mobilität und den sogenannten stofflichen Nutzungen fossiler Brennstoffe – Mineraldünger, Kunststoffe und Co – wenn dort schrittweise die Preise steigen würden, gäbe es einen gleitenden Übergang hin zu erneuerbaren Energien, mehr Energieeffizienz, besseren Stromleitungen, besseren Stromspeichern und vielleicht auch zu mehr Suffizienz. Diese rein technischen Lösungen – Effizienz und erneuerbare Energien – sind großartig und vielleicht auch wirtschaftlich sehr attraktiv, aber die Welt ist physikalisch endlich. Die bisherigen Pfade, Wirtschaftswachstum plus Kapitalismus plus fossile Brennstoffe, sind eng ineinander verwoben, können aber nicht unendlich gegangen werden. Die Welt ist eben endlich. Insofern wird es irgendwann noch darum gehen ein Stück weit genügsamer zu sein. Dafür ist Suffizienz der etwas fremdwortartige Begriff. Es geht dabei nicht darum schlechter zu leben, sondern darum genügsamer zu sein, aber auch auszubrechen aus der Spirale, aus dem Hamsterrad Wachstum in eine friedlichere Welt, in der auch Menschen, die bisher zum Teil sehr schlecht leben – weniger innerhalb Deutschlands, als mehr global gesehen – einfach ihre faire Chance bekommen.



Positionspapiere für Sachsen:

Für einen geordneten Braunkohleausstieg

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