Interview mit "Eine Spinnerei – vom nachhaltigen Leben e.V."

Der Verein "Eine Spinnerei – vom nachhaltigen Leben e.V." möchte mit der Wiederherstellung eines Spinnerei-Gebäudes in Neustadt/Spree in der Oberlausitz ein Beispiel für nachhaltiges Leben und einen wünschenswerten Umgang mit der Natur schaffen.
Die Spinnerei engagiert sich im Widerstand gegen den geplanten Tagebau Nochten II und ist Mitglied im Bündnis „Strukturwandel jetzt – Kein Nochten II“.

BUND Sachsen: Was habt ihr mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für euch?

Adrian: Wir sind Randbetroffene der Kohle und für uns bedeutet Braunkohle extrem viel Arbeit und Sorgen. Randbetroffen sind wir von der Braunkohle durch den Wasserhaushalt. Wir liegen direkt in der Nähe der Grube und werden wassertechnisch in vielerlei Punkten betroffen sein. Das fängt bei Trinkwasser an und geht bis Wasserstand. Bei der Bedeutung ist die Arbeit, dass wir versuchen diese Betroffenheit deutlich zu machen und das extrem schwer ist. Das heißt sehr viel Pressearbeit, Bündnisarbeit etc.

BUND Sachsen: Was sind für euch positive und negative Aspekte im Zusammenhang mit der Braunkohle?

Friederike: Eindeutig sind natürlich die negativen Aspekte aus unserer Sicht, die auf der Hand liegen. Dass hier speziell in unserem Fall mehrere Ortschaften um uns herum weggebaggert werden, die dann wirklich einfach nicht mehr vorhanden sind und wir stattdessen eine Mondlandschaft haben. Und dass unser Grundstück unheimlich dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird, also die ganzen Natur- und Umwelteffekte die damit zusammenhängen. Positive Aspekte fallen mir ehrlich gesagt auf Anhieb nicht ein.

Adrian: Die Braunkohle hat für uns bedeutet, dass wir uns umsehen mussten: Wer ist denn noch engagiert in der Region, wer tut noch was? Wir haben unglaublich viele Leute kennen gelernt, tolle Erfahrungen gehabt mit Menschen. Und ich glaube, viele dieser Verbindungen, die über die Braunkohle gekommen sind, wären auf normale Weise nie entstanden und das ist einfach schön.

Friederike: Ein wichtiger Aspekt, der mir dazu eingefallen ist: Die Auseinandersetzung mit der Braunkohle hier vor Ort ist eigentlich ein Symptom dafür wie hier die Situation in der Gegend überhaupt ist. Wir haben durch die Auseinandersetzung mit der Kohle festgestellt, dass die Diskussion viel weiter geht. Letztendlich beschäftigen wir uns mittlerweile vielmehr auch mit dem Thema „Wie funktioniert die Demokratie vor Ort? Wie ist die Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Gemeinde, zwischen verschiedenen Ebene?“. Wo wir als Fazit festgestellt haben, dass wir hier in der Region ein unheimliches Demokratie-Defizit haben, - und ganz besonders schlimm - die Leute auch immer mehr an der Demokratie zweifeln.

Adrian: Was man ganz grundlegend festlegen kann: Dass unsere Landesregierung Demokratieverdrossenheit forciert. Und das ist vielen der Personen, die das tun, meiner persönlichen Meinung nach bewusst.

Friederike: Auch wenn nach außen hin transportiert wird, dass die Leute in dem gesamten Prozess bis ein Tagebau wirklich umgesetzt wird mitgenommen werden, ist es in Wirklichkeit so, dass sich die Leute verloren fühlen und stattdessen abgestellt fühlen. Es gibt eine Scheindemokratie.

Adrian: Mehrheiten werden bevorzugt, müssen als Stimmvieh herhalten dafür dass es gewünscht ist. Und Minderheiten werden ganz bewusst extrem in die Enge getrieben, bloßgestellt und lächerlich gemacht von Lokalpolitikern sowie Landräten, bis hin zum Ministerpräsidenten.

BUND Sachsen: Was passiert, wenn die Kohle plötzlich wegfällt?

Friederike: Wichtig als erstes ist, dass wir von unserer Seite her vom Aktionsbündnis überhaupt nicht die Einstellung haben, dass die Kohle sofort oder plötzlich wegfällt. Das müssen wir immer wieder deutlich machen, da das leider ein Argument ist, das von der Gegenseite häufig transportiert wird. Das „Wie wäre es wenn die Kohle plötzlich wegfällt?“, das ist illusorisch und zumindest von unserer Seite überhaupt nicht gewollt. Sondern wir sind deutlich für ein langsames Auslaufen der Kohle. Jetzt haben wir noch die Zeit darüber nachzudenken, was in zehn Jahren sein wird.

Adrian: Es gibt mittlerweile mit unglaublich vielen fachlich anerkannten Vereinigungen, Räten und anderen Pläne wie man bis Mitte der dreißiger Jahre aus der Braunkohle ausgestiegen sein kann. Das wird unserer Meinung nach deutlich durch die Lobby verhindert. Die Diskussion wird völlig schräg dargestellt. Häufig werden uns immer wieder Argumente in den Mund gelegt. Deswegen: Ein Wegfallen der Kohle, also das Wegfallen der Braunkohle-Verstromung, ist gar nicht unser Ansinnen. Es gibt derzeit noch viele Kohle-Vorräte, die genehmigt sind. Nochten 1 zum Beispiel, Reichwalde hier bei uns - und gegen die haben wir vom Bündnis aus auch nichts gesagt. Es geht wirklich um die Erweiterung von Tagebauen und die Verlängerung bis ins Jahr ’67. Das ist absoluter Irrsinn.

Friederike: Im Blick darauf, dass wir noch ein Jahrzehnt Zeit haben – wenn wir jetzt tatsächlich anfangen uns mit der Zukunft nach der Kohle zu beschäftigen, sehen wir eine Chance darin, jetzt noch mehrere Wege gehen zu können, die es der Lausitz ermöglichen einen erfolgreichen Weg zu beschreiten.

Adrian: Letztendlich kann ich sagen, dass ich persönlich ein totaler Fan von Braun- und Steinkohle bin, weil sie ein CO2-Träger ist, der beste Speicher den wir im Boden haben können. Der bleibt dort unten liegen, ist ungefährlich und die Gegner der Braunkohle wollen sie ja eigentlich verbrennen. Ich möchte sie erhalten so wie sie im Boden liegt.

BUND Sachsen: Was wäre für euch der nächste Schritt in der Kohle-Wirtschaft?

Friedrike: Definitiv, dass alle Tagebaue, die jetzt schon in Betrieb sind einfach bis zu ihrem Ende auslaufen und neue Tagebaue, die sich jetzt gerade im Genehmigungsprozess finden nicht mehr genehmigt werden sondern, die Kohle in der Erde bleibt. Sprich, dass Weltzow-Süd 2 nicht mehr genehmigt wird, Nochten 2 nicht angefangen wird und Jänschwalde-Nord nicht angefangen wird.

Adrian: Das ist die technische Seite der Kiste. Die andere Seite ist die gesellschaftliche. Es muss endlich aufgehört werden diese Ängste zu schüren. Man muss mit Mut an die Zukunft gehen, man muss sagen da gibt’s einige Möglichkeiten. Noch haben wir auch Gelder durch die Kohle in der Region. Es gibt unglaublich viele Ideen und Innovationen, die genutzt werden könnten. Und ich glaube, dass man den Standort sehr gut erhalten kann, wenn man gemeinsam ohne Verfeindung und Grenzen, die wir jetzt untereinander haben hier in der Lausitz, an diese Zukunft herangeht. Dann bin ich absolut optimistisch. Ich glaube man muss einfach sagen „Wir sind die Lausitz und wir wollen uns eine Zukunft gestalten.“ Und zwar jeder der in der Lausitz sitzt. Und da sind Leute, die in Schweden sitzen oder in Hamburg erst einmal egal. Sondern die Lausitzer müssen sich da zusammenfinden und einfach positiv denken.

BUND Sachsen: Was könnten Alternativen zur Kohle in der Lausitz sein?

Adrian: Lausitzer Braunkohle ist ein Thema, das man gar nicht nur auf die Lausitz beschränken kann, weil sie nicht nur Strom für die Lausitz liefert. Im Gegenteil: Lausitzer Braunkohle wird verstromt um andere Regionen mit Strom zu versorgen. Deshalb muss man diese Diskussion öffnen. Man kann nicht sagen „nur in der Lausitz“. Das wäre dann zu verkürzt. Und deswegen kann man meiner Meinung nach so nicht stellen und die andere Frage ist sehr abstrakt.

Friederike: Ich würde den Leuten empfehlen sich die Gemeinde Nebelschütz in der Nähe von Kamenz anzusehen. Das ist eine Gemeinde, die es einzigartigerweise schafft, dass dort mehr Zuzug von jungen Leuten als Wegzug stattfindet. Die keine Großindustrie haben, sondern auch auf mittelständische Betriebe setzen. Die versuchen jetzt sogar auch Biolandbau zu setzen. Die versuchen erneuerbare Energien zu etablieren. Die sind eine beispielhafte Gemeinde dafür, wie ein alternativer Weg aussehen kann auf Gemeindeebene. Für uns ist der alternative Weg überhaupt, dass sich die Gemeinden in sich Gedanken machen, wie sie sich entwickeln können.



Positionspapiere für Sachsen:

Für einen geordneten Braunkohleausstieg

Pressemitteilungen zum Thema Braunkohle:

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