Interview mit Thomas Zschornak (CDU), Bürgermeister der sorbischen Gemeinde Nebelschütz

Thomas Zschornak ist ehrenamtlicher Bürgermeister (CDU) der Gemeinde Nebelschütz. Außerdem ist er Bauamtsleiter der fünf sorbischen Gemeinden Panschwitz-Kuckau, Crostwitz, Räckelwitz, Ralbitz-Rosenthal und Nebelschütz. Für ihn hat die sorbische Sprache, für die er sich sehr engagiert, eine wichtige Brückenfunktion bei der Osterweiterung der Europäischen Union.

BUND Sachsen: Was haben Sie mit der Braunkohle zu tun und was bedeutet Kohle für Sie?

Zschornak: Die Gemeinde hat mit Bergbau vieles zu tun. Wir haben in der Gemeinde Nebelschütz, die eine kleine Gemeinde ist, ca. 1.200 Einwohner. Aber es ist vom Gebiet her eine große Gemeinde, wir haben 24 km². Wir sind vom Bergbau betroffen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde bei uns auch schon Kohle gewonnen. Wir haben Kiesgruben, Steinbrüche und eine Kaolin(s. Anm. 1)-Grube. Somit sind wir eng in Berührung mit der Braunkohle. Deswegen sind wir emotional mit dabei.

BUND Sachsen: Was sind für Sie positive und negative Aspekte der Braunkohle?

Zschornak: Der Energiewandel ist in aller Munde und die Gemeinde Nebelschütz hat sich darauf seit vielen Jahren eingestellt. Wir sind eine enkeltaugliche Gemeinde und haben uns seit zehn Jahren aktiv mit dem Gemeinderat und mit der Bevölkerung auseinandergesetzt. Wo will die Gemeinde hin? Was macht die Gemeinde in der Zukunft? Da spielt natürlich die schonende Nutzung unserer Ressourcen eine wichtige Rolle. Wie man sieht, wie man heutzutage mit unserer Umwelt umgeht, mit den Ressourcen umgeht, ist es sehr schwierig nachzuvollziehen, wie wir für unsere Zukunft und unsere Enkel unsere gemeinsame Lebenswelt gestalten wollen. Somit arbeiten wir an unterschiedlichen Projekten als Gemeinde. Wir möchten auch den Menschen vor Ort zeigen, die Umwelt selber zu gestalten, sodass jeder nachvollziehen kann und selber anfassen kann, was man hier tut. Dass man die Sensibilität zur Umwelt entwickelt, die in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Das macht Freude. Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen, da man immer wieder an Grenzen stößt. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, wenn man was verändern will, wenn man eingreifen möchte oder kann, sind die Ressourcen sehr wichtig. Das ist Grund und Boden. Somit hat die Gemeinde in den letzten Jahren Grund und Boden gekauft, Ackerland, Wiese und Wald. Somit haben wir Einflussmöglichkeiten, nicht nur beim Kaolin-Abbau oder beim Abbau des Kieses, der Kohle oder des Granits, sondern wir haben die Möglichkeit auch Einfluss zu gewinnen, um unsere Böden zu schützen. Wir wissen, dass unsere Böden mehr und mehr mit Pestiziden belastet werden und dass wir Probleme mit der Erosion haben; Wassererosion, Bodenerosion. Und wenn die Gemeinde sich ökologische Rahmenbedingungen schafft, hat man gute Möglichkeiten, auch diese vor Ort zu verändern. Wichtig ist, Grund und Boden zu besitzen.

BUND Sachsen: Was würde passieren, wenn die Kohle jetzt wegfällt?

Zschornak: Ich habe selber mit dem Gemeinderat meine persönliche Unterschrift darunter gegeben. Wir wissen alle, dass die Kohle nicht von heute auf morgen aufzugeben ist. Das weiß auch die Politik. Die Politik macht aber zu wenig dafür, weil wir immer noch kein Ende sehen. Auch wenn man sich mit einem Lippenbekenntnis ausgesprochen hat, man wird die Kohle mal aufgeben. Es sind keine Termine genannt, und das ärgert uns. Wenn die Lausitz eine neue Entwicklung bekommen soll, braucht man eine Philosophie und auch die Rahmenbedingungen dafür. Die sind nicht gegeben. Somit müssen wir Druck auf die Politik ausüben, damit sich hier etwas verändert und die Lausitz eine Zukunft hat.

BUND Sachsen: Was sind Alternativen für die Braunkohle in der Lausitz?

Zschornak: Die sind ja bekannt. Vor zehn Jahren – ich bin ja nun schon 25 Jahre Bürgermeister und kenne die Struktur – haben alternative Energien eine ganz geringe Rolle gespielt. Wir haben damals schon darauf Wert gelegt, unsere Gemeinde alternativ mit Energie zu versorgen. Wir haben mit den Nachbargemeinden ein Vorranggebiet für Windkraft zur Verfügung gestellt und ausgewiesen. Wir haben in der Gemeinde eine Biogasanlage. Wir haben in der Gemeinde mehrere private und auch von einem Verein betriebene Photovoltaikanlagen. Wir haben letztes Jahr eine Statistik gemacht, weil viele Gemeinden sich ja als Energiegemeinden darstellen und präsentieren. Wir machen das nicht. Wir, als Gemeinde, produzieren doppelt so viel Energie alternativ als wir selbst verbrauchen. Das macht uns stolz. Auch die Gemeinde hat jetzt ein Gesicht, eine Philosophie und auch daran haben wir viele Jahre gearbeitet. Wir haben uns immer mit anderen Partnern verbunden. Die Vernetzung mit anderen Gemeinden und Regionen ist ganz wichtig, weil der eine von dem anderen lernt und Solidarität übt. Somit haben wir auch viel gelernt und uns damit auseinander gesetzt. Wir arbeiten seit zehn Jahren Richtung Zukunftsorientierung. Wir sind auf dem richtigen Weg und haben mehrere Auszeichnungen dafür bekommen. Es gibt immer wieder eine Auseinandersetzung, selbst in einer Gemeinde, und die Betrachtung von außerhalb ist ganz wichtig. Die Gemeinde hat viele Preise gewonnen. Unter anderem hatten wir 2006 die Goldmedaille in Sachsen „Schönste Gemeinde“. Es geht uns aber nicht um die schönste Gemeinde, sondern es geht um die nachhaltige Gemeinde. In Europa haben wir die Goldmedaille bekommen 2008, den europäischen Dorferneuerungspreis für Nachhaltigkeit. Das hat uns bewogen dort weiterzugehen. Jetzt kann man in Nebelschütz im Zentrum des Ortes etwas ganz Neues erfahren: Wir haben eine neue ökologische Kindertagesstätte, sie nennt sich Jan Skala – bunte Steinchen. Wir haben über zehn Jahre daran gearbeitet. Dort können Kinder und Eltern die Ökologie, die Umwelt vor Ort erfahren. Das zeigt natürlich, dass wir das demographische Problem nicht haben, weil wir eine Zukunft und ein Entwicklungskonzept für die Gemeinde haben. Das ist auch eine Grundlage, wegen der wir einen Zuzug haben. Ein weiteres Projekt, wo wir als Gemeinde sehr gute Erfahrungen gemacht haben: Nebelschütz hat ein Öko-Konto. Wenn Flächen versiegelt werden, sind wir in der Gemeinde verpflichtet, ökologische Ausgleiche durchzuführen. Wir wissen durch den Landschaftsplan, wo Gebiete sind, die besonders gefördert werden für die Umwelt. Über das Öko-Konto bieten wir Flächen an für die Industrie. Auch für Boxberg haben wir einen Hektar Wald aufgeforstet in der Gemeinde Nebelschütz, wo wir gemeinsame Forstflächen und Biotope ausgewiesen haben. Für Energieversorger haben wir eine Streuobstwiese mit 90 alten Obstsorten angelegt, mit der wir uns auch in Zukunft selbst versorgen wollen. Hier sind wir vernetzt mit den sächsischen Pomologen und bekommen tatkräftige Unterstützung. Wir sind stolz, dass wir als Gemeinde selber ein Öko-Konto führen, nicht nur als Freistaat Sachsen, und können auch selber bestimmen, wo ökologische Maßnahmen durchgeführt werden. Somit bekommen wir kostenlos einen gewissen Mehrwert in die Gemeinde.

BUND Sachsen: Was ist für Sie der nächste Schritt in der Braunkohle-Wirtschaft in der Lausitz?

Zschornak: Der nächste Schritt ist – deswegen solidarisieren wir uns hier auch – die nächstliegenden Gemeinden auch mit zu erreichen, die Menschen aufzuklären. Wir können nicht weiter so mit unseren Ressourcen umgehen. Wir selbst als Gemeinde, haben ja Vattenfall angeschrieben, das Königshaus (s. Anm. 2), und darum gebeten, dass man auch hier sensibel mit den Ressourcen umgehen soll. Wir haben diesbezüglich eine Antwort bekommen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es nicht gut wäre, sich jetzt zurückzuziehen aus der Lausitz oder Deutschland, sondern für die Zukunft auch im Bereich der alternativen Energien sich zu bewegen. Wir wissen, dass Schweden ein Vorreiter ist. Außerhalb macht Schweden etwas anderes. Das einfachste wäre es, sich zurückzuziehen und diesen Konzern zu verkaufen. Wir wissen nicht, was mit dem Verkauf auf uns zukommt, welcher Investor kommt, ob die Verträge übernommen werden. Der Eine oder Andere schimpft auf Vattenfall, ich sehe Vattenfall nicht als Feind, sondern als Multiplikator. Vattenfall macht nur das, was die Rahmenbedingungen, der Staat, Brandenburg, Sachsen, und das Berggesetz vorschreiben. Man kann nicht nur einen Investor verantwortlich machen, sondern auch der Staat hat seine Verantwortung zu erfüllen. Dort ist unsere Verantwortung, den anderen Gemeinden und dem Freistaat hier und da die Richtung zu weisen.

1) Ist ein feines, eisenfreies, weißes Gestein, das als Hauptbestandteil Kaolinit enthält. Es wird hauptsächlich bei der Papierherstellung und Porzellanbereitung verwendet.

2) Vattenfall ist ein schwedischer staatlicher Konzern



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